La pluie

05. Dezember 2009

"La pluie (Projet pour un texte)", © Marcel Broodthaers (via) Ein Mann sitzt im Regen, kauert auf seinem Gartenstuhl, die Kiste zu seinen Füßen dient ihm als Tisch. Darauf ausgebreitet ein Bogen Papier, zudem ein Tintenfass und Schreibutensilien. Er setzt die Feder zum Schreiben an, bringt unermüdlich sein Wort zum durchweichten Papier. Der Regen spült die frischen Worte hinweg, löscht den Gedanken aus, ertränkt die Stimme des Mannes. Der belgische Künstler Marcel Broodthaers hat 1969 in seinem zweiminütigem 16mm-Schwarz-Weiß-Film "La pluie (Projet pour un text") eben jene Szene dargestellt. Online gibt es den Film leider nicht, nur einzelne Stills, was es jedoch gibt, sind Fotos und Filme jener Werke, die sich durch Broodthaers melancholischen, sehr eindrücklichen Film inspirieren ließen und dort anknüpfen: - eine kleine Motivgeschichte.

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Abendschule für Kunstverständnis

30. November 2009

Flyer (via) Soeben flatterte eine Mail in mein Postfach, die ich fast schon in die Tiefen des Spamordners verbannt hätte. Allerdings überzeugte das beworbene Konzept auf Anhieb und so will ich euch die Neuigkeit nicht vorenthalten: Das KW Institute for Contemporary Art lädt von morgen bis zum 17. Dezember immer dienstags und donnerstags zu insgesamt fünf Teilen einer neuen Veranstaltungsreihe unter dem Namen "Abendschule: Vergleichendes Sehen. Heute" ein. An jenen Abenden wird man sich einem Instrument widmen, dass so alt wie zeitlos ist, dem Vergleichenden Sehen. Dabei werden zwei Werke nebeneinander an die Wand projeziert um dann - eben vergleichend - betrachtet zu werden. Mag sein, dass das jetzt die meisten Kunststudenten nicht vom Hocker haut, doch für nicht-professionelle Kunstenthusiasisten wie mich klingt das sehr interessant. Denn die "Abendschule" will dies anders gestalten, sie holt "diese wissenschaftliche Praktik in den Ausstellungskontext, befreit sie vom doktrinären Gebrauch und stellt die Vorgehensweise in Frage. Sie fordert zu unerwarteten Versuchsanordnungen auf und gibt Raum für die Methodik stützende oder stürzende Vergleiche."

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Zwischen Stalagtiten und Stalagmiten

22. November 2009

"Cave in a dream", © Onishimaki + Hyakudayuki Tropfsteinhöhlen fand ich schon als Kind großartig: Ihre langsam gewachsenen Säulen entspringen der Ober- oder der Unterwelt, suchen einander um sich irgendwann als fragile Brücken zu vereinigen, die beiden Welten zu verbinden um ganz nebenbei die Last der unseren Welt zu tragen. Man kann ihnen quasi beim Wachsen zuschauen, wenn auch nur in verschwindend geringem Maße, und hat beim Wandeln in diesem Steinwald immerhin den Ansatz einer Vorstellung, wie lange diese grotesken Gebilde wohl schon existieren mögen. Eine weitere Beobachtung zeigt, dass jeder Tropfen, den ein Stalagtit fallen lässt, nachdem er ihm einen Teil seiner gelösten Mineralien entzogen hat, wiederum den am Boden wachsenden Stalagmiten nährt, dessen Gestalt jedoch durch den harten Aufprall der Tropfen bedingt um einiges langsamer entsteht, zudem gedrungener und massiger erscheint. Irgendwann jedoch verschmelzen beide Tropfsteine und formen eine Säule - ein Vorgang, den man auch mittels der Kunst der Dialektik auffassen kann. Eben dies hat das junge Architektenduo Onishimaki + Hyakudayuki getan und im Hof des Museum of Contemporary Art Tokyo eine Installation erschaffen, die jene zwei Welten in Szene setzt.

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Von den Grenzen der Wahrnehmung

16. November 2009

"Time/Temperature", © John Baldessari Wahrnehmung ist eine überaus komplexe Sache, nicht nur aus medizinischer und psychologischer Sicht. Auch die verschiedenen Teilgebiete und Schulen der Philosophie haben ihre eigenen Ideen und Vorstellungen von der Wahrnehmung und der Kognition, also der Verarbeitung der wahrgenommenen Daten, entwickelt. Der (moderne) Mensch indes hat es geschafft die physiologischen Grenzen seiner Wahrnehmung zu erweitern und mithilfe von Technik und Medizin diese Errungenschaften auch im Alltag einzusetzen. Im einfachsten Falle sind das Brille und Hörgerät, aber auch Fernseher, Antenne und Stromuhr sind Instrumente, die für uns Größen erfassen und messen, die wir durch eigenes Unvermögen wesentlich schlechter oder gar nicht wahrnehmen würden. Den Folgen - und vor allen Dingen den Komplikationen -, die daraus entstehen, widmet sich ab Sonnabend eine recht vielversprechende Ausstellung im KW Institute for Contemporary Arts.

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Wuchernd, raumgreifend, infiltrativ

07. November 2009

"Parasite #17", © Dennis Feddersen Der geneigte Leser hat möglicherweise schon festgestellt, dass mein besonderes Faible für Installationen sich auch in diesem Blog widerspiegelt. Ihre vielfältigen Interaktionen mit Raum, Ort und Zeit lassen ein breites Spektrum an künstlerischen Möglichkeiten zu: Der Raum will erobert, er will beherrscht werden. Und mit ihm der Betrachter. Vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet haben Räume einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf unser Befinden: In einer weitläufigen Halle fühlen wir uns frei, klein, mitunter verloren; Jennifer Alloras und Guillermo Calzadillas Werk "Compass", für das sie die Decke der Temporären Kunsthalle knapp über den Köpfen der Besucher gespannt haben, vermag einen buchstäblichen Druck auszuüben und Beklemmungen auszulösen und wer schon einmal durch die Edisonstraße in Oberschöneweide gefahren ist, wird wissen, was ein wahrer Tunnelblick ist. Daher freut es mich jedes Mal umso mehr, Installationen aufgespürt zu haben und zu erleben, die bis ins letzte Detail so konsequent ausgearbeitet sind, die derart eindrücklich mit ihrem Raum agieren, dass die pure Emotion überspringt. Das kann man wohl auch guten Gewissens von den Arbeiten des Berliners Dennis Feddersen behaupten, der in seinen Werken viel Übung beweist. Seine verblüffend lebendig wirkenden Installationen erobern den Raum und scheinen unaufhörlich zu wachsen, zu wuchern und letztlich den Raum ganz einzunehmen.

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Winterliche Kunsttermine

03. November 2009

(via) Die Uhren zeigen eine neue Zeit an, die Tage erreichen bald ihr Höchstmaß an Dunkelheit und was liegt da näher, als die trübe Stimmung mit ein wenig Kunst aufzuhellen? Je schlechter das Wetter, desto besser lässt es sich in Berlin Kunst erleben. Grund genug, die wichtigsten Termine dieses Winters ins Gedächtnis zu rufen:

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The beauty of death

25. Oktober 2009

Ohne Titel (aus "Post mortem"), © Patrik Budenz Es gibt Dinge, Orte, Themen im Leben, die wegen ihrer teils unangenehmen, teils befremdlichen Natur verdrängt und ignoriert werden. Dies betrifft insbesondere alles, was mit dem Sterben oder dem Tod zu tun hat - es erinnert uns an unser eigenes Schicksal und es scheint, nur durch die Verdrängung einer Auseinandersetzung vermöge man sich wieder auf das Hier und Jetzt besinnen zu können. Dieser Gedanke ist allerdings nicht zu Ende gedacht, denn das künstliche Ausgrenzen dieses Themas hüllt es gleichzeitig in einen dunklen Schleier der Unwissenheit. Durch meine Zivildienstzeit auf einer Palliativstation und die Möglichkeit des Studiums, ein Praktikum in den universitären und städtischen gerichtsmedizinischen Instituten Berlins zu absolvieren, habe ich mittlerweile einen anderen Blick auf das Thema gewonnen. Der Tod gehört letztlich zum Leben dazu und wie tragisch und dramatisch er auch kommen mag, oftmals lässt sich im Detail eine gewisse Ästhetik, im unmenschlich anmutenden eine ganz natürliche Note erkennen. Dann stolperte ich kürzlich über einige der Arbeiten des Berliner Fotografen Patrik Budenz, der eben diese subtilen Momente einfängt. Mein Interesse war spätestens dann geweckt, als ich die Mitarbeiter, die Räume und das Inventar des Berliner Landesinstituts für Rechtsmedizin wiedererkannte, denn für Budenz wurde offensichtlich die große Ausnahme gemacht, dass er in dieser streng vertraulichen und sensiblen Atmosphäre seine Fotos anfertigen durfte. Was folgt, ist eine erstaunlich realistische Darstellung dessen, was Rechtsmedizinern und Bestattern ein alltägliches Bild bietet - sensiblen Personen möchte ich trotz des schonungslosen Umgangs den Rest des Artikels anempfehlen.

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Zwischen Tradition und Umbruch

05. Oktober 2009

el Hadji Mamadou Kabir Usman, Emir von Katsina (Nigeria), © Daniel Lainé Eine meiner vielen Interessen ist die Ethnologie, die Völkerkunde. Auf der Suche nach einem neuen Bildband bin ich auf ein mittlerweile schon neun Jahre altes Buch von Daniel Lainé gestoßen, dessen Bildmaterial wiederum aus den Jahren 1988 - 1991 stammt. Dennoch bleibt sein Thema aktuell, denn Lainé hat in diesen Jahren die afrikanischen Fürsten und Monarchen bei Hofe besucht und in royaler Manier porträtiert. Die Bilder stellen jedoch nicht nur Zeitdokumente feudaler Gesellschaftsspitzen dar, sie zeigen auch einen künstlerischen Charakter, wenn auf subtile Art und Weise die typischen Entwicklungen und Stilblüten dieser Gesellschaften zwischen tradierten und westlichen Normen eingefangen werden.

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Kunstbörse Berlin

24. September 2009

"Homecoming #1", © Paul Rascheja (@ Kunstsalon) Der Berliner Kunstmarkt ist derzeit nicht zu beneiden. Gut 370 Galeristen versammeln sich in diesen Tagen auf fünf unterschiedlichen Kunstmessen, um Werke bekannter, etablierter und auch aufstrebender Künstler nicht nur der großen Besucherschaft zu präsentieren, sondern natürlich auch zu verkaufen. Die Konkurrenz ist also so groß wie die Auswahl und wieder einmal verwandelt sich die Hauptstadt für ein paar Tage in den vermutlich größten Kunstumschlagsplatz Europas. Das kommt dem geneigten Käufer natürlich entgegen, denn auch auf diesem Markt gelten die Gesetze der Wirtschaft. Ich für meinen Teil habe leider keine Zeit, mich dem Spektakel hinzugeben, das soll mich aber nicht davon abhalten, die fünf Messen und die vertretenen Galerien und Künstler vorzustellen. Allesamt können noch bis zum Sonntag besucht werden, ehe die Stadt wieder ein wenig die Ruhe der Wirtschaftskrise genießen kann.

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Le città invisibili

17. September 2009

"Ersilia", © Delavega, Ephemera, Lascarr Der italienische Schriftsteller Italo Calvino veröffentlichte 1972 eines seiner schillerndsten Werke, "Le città invisibili" - "Die unsichtbaren Städte". Darin beschreibt Marco Polo seinem Gastgeber Kublai Khan in 55 Prosagedichten die 55 Städte, die er auf seinem Weg nach Peking besucht hat. Jede von ihnen steht für eine bestimmte gesellschaftliche Situation und im Laufe der Erzählungen werden diese Beschreibungen immer düsterer ehe sie zum Schluss die Hölle auf Erden skizzieren. Der geneigte Leser kann deutliche Parallelen zum Decameron oder zur Göttlichen Komödie ziehen - oder aber dieses Sinnbild der gegenwärtigen Urbanisierung künstlerisch verarbeiten. Das übrigens sehr empfehlenswerte Buch hat schon so manchen Künstler inspiriert, sei es StreetArt, Fotografie oder Malerei.

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