»Parasite #17«, © Dennis Feddersen
Der geneigte Leser hat möglicherweise schon festgestellt, dass mein besonderes Faible für Installationen sich auch in diesem Blog widerspiegelt. Ihre vielfältigen Interaktionen mit Raum, Ort und Zeit lassen ein breites Spektrum an künstlerischen Möglichkeiten zu: Der Raum will erobert, er will beherrscht werden. Und mit ihm der Betrachter. Vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet haben Räume einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf unser Befinden: In einer weitläufigen Halle fühlen wir uns frei, klein, mitunter verloren; Jennifer Alloras und Guillermo Calzadillas Werk »Compass«, für das sie die Decke der Temporären Kunsthalle knapp über den Köpfen der Besucher gespannt haben, vermag einen buchstäblichen Druck auszuüben und Beklemmungen auszulösen und wer schon einmal durch die Edisonstraße in Oberschöneweide gefahren ist, wird wissen, was ein wahrer Tunnelblick ist.
Daher freut es mich jedes Mal umso mehr, Installationen aufgespürt zu haben und zu erleben, die bis ins letzte Detail so konsequent ausgearbeitet sind, die derart eindrücklich mit ihrem Raum agieren, dass die pure Emotion überspringt.
Das kann man wohl auch guten Gewissens von den Arbeiten des Berliners Dennis Feddersen behaupten, der in seinen Werken viel Übung beweist. Seine verblüffend lebendig wirkenden Installationen erobern den Raum und scheinen unaufhörlich zu wachsen, zu wuchern und letztlich den Raum ganz einzunehmen.
»Parasite #17«, © Dennis Feddersen
Seine überzeugendsten Werke stammen aus der Reihe »Parasites«, die mittlerweile 17 Einzelexemplare umfasst. Feddersen komponiert hierbei viele unterschiedliche Einzelelemente aus gewelltem Biegesperrholz zu einem Gesamtwerk, dessen Äußeres stets eine sehr organisch wirkende Form annimmt. Die Installationen überziehen dann Wände und Decken, lugen um Ecken, reichen von einer Wand zur anderen und erobern so den Raum. Insgesamt entsteht so der Eindruck eines stetig wuchernden, aus einzelnen Gliedern oder Zellen bestehenden, belebten Objekts; eine Momentaufnahme eines unaufhaltsam wachsenden Geschwürs, das im nächsten Augenblick wohl bereits die ganze Wand bedeckt haben könnte.
»SPONGER #6«, © Dennis Feddersen
Ähnliche Ansätze verfolgen die Installationen der Reihe »SPONGER«. Sie bestehen ebenfalls aus repetitiven Einzelelementen, in diesem Falle aus Schaum- und Kunststoffen, die den Raum durchspannen und mehr lebendig denn tot scheinen. Die schwarz glänzenden, tropfen- und bohnenförmigen Körperteile dieses sich weit ausstreckenden Wesens umfassen Balken, Träger und Rohre. Es scheint, als suche diese urtümliche Gestalt die wärmende Nähe der Wasserleitungen, um sich dort festzusetzen und gestärkt durch die Abwärme jener Rohre weiter in den restlichen Raum vorzudringen.
Einmal Halt gewonnen, breitet sich auch der »SPONGER #6« gleich einem tiefschwarzen Wespennest weiter in seiner Umgebung aus, assimiliert dessen Objekte und reicht schon wieder nach dem nächsten Gegenstand. Man muss sich ducken, um unter diesem Geschwulst hindurchgehen zu können; derart achtungslos wuchert es durch den Raum.
Feddersens Werke stellen einen Angriff des Belebten, des mit einer diabolischen Schnelligkeit behafteten Organischen dar, das massiv — wie in »Parasites #17« — die Welt des künstlich steril gehaltenen White Cubes infiltriert, dabei aber einer gewissen Ästhetik nicht entbehrt. Ähnlich verhält es sich mit dem »SPONGER #6«, der sich in den unbeachteten Nischen der vom Menschen geschaffenen und gesäuberten Welt einnistet und von dieser Wärme und Energie schmarotzt.
Beide dringen in unsere so gründlich von allen unberechenbaren Zuständen der Unordnung befreiten Umwelt ein und stellen dadurch einen Störfaktor dar, der aber auch daran erinnert, dass die belebte, d.h. die andere Welt sich mühelos an jeden Zustand anpassen kann, gleich wie penibel wir um ihn doch ringen mögen.