Wenn der Reisende aus der Abfertigungshalle von Galeão tritt und im tropischen Schatten des sich über ihm ausspannenden Baldachins auf ein Taxi hofft, wenn er sodann über die geschwungenen Hochstraßen Rio de Janeiros gleitet, breitet sich vor ihm die über die allseits aufragenden Hänge ausgestreckte Stadt aus. So treibt er über die in sanften Wogen auslaufenden Autobahnen, schwebt im beständigen Auf und Ab an glänzenden Wolkenkratzern und hektischen Häfen, an brach darniederliegenden Lagerhallen und düsteren Armutsvierteln vorbei, bis er schließlich die herausgeputzten Magistralen und weißen Strände von Copacobana und Ipanema erreicht. Auf diese gewundenen Wege wird die Stadt den Reisenden entführen und sich ihm immer wieder als das janusköpfige Rio de Janeiro offenbaren, das sich nur im Widerspruch erkennen, nur im Zwiespalt entfalten kann. Nur in ihren Träumen ist sie ein harmonisches Ganzes. Jedoch entgeht dem Reisenden nicht, daß sie am Vorabend der sportlichen Großereignisse aus ihrem Tiefschlaf erwacht ist, um sich für die bald einfallenden Besucherströme zu rüsten. So wachsen halbfertige Brücken aus den Gewässern empor, neue U‑Bahn-Tunnel graben sich durch den felsigen Untergrund, Favelas werden gewaltsam befriedet und bewaffnete Einsatzkräfte patrouillieren über die Strände, um die neu gewonnene Ansehen der Gastfreundlichkeit vor den diebischen Banden zu schützen.
Rio de Janeiro macht sich für seine Gäste zurecht. Doch so sehr sie sich auch bemüht, ihre erdrückenden Gegensätze zu verschleiern, umso deutlicher treten sie zu Tage. Während die schwer bewaffneten Freikorps die Bewohner der Favelas schikanieren und teils sogar entführen, leben diese in Angst und Armut und wollen von den kommenden Spielen nichts wissen. Jeder Dritte lebt in einem dieser Slums, doch kann kaum einer von ihnen sich bei einem durchschnittlichen Einkommen von knapp 250€ eines der teuren Tickets leisten. Für sie sind Fußball-Weltmeisterschaft und Olympia schon jetzt eine herbe Enttäuschung. So kündigten die mächtigen Bandenbosse bereits an, die Meisterschaften mit Terror zu überziehen, nachdem die ausgedehnten Krawalle am Rande des letztjährigen Lehrerstreiks einen ersten Eindruck gaben, was dies zu bedeuten hat. Denn während sich Stadt und Land nach Kräften für die Weltöffentlichkeit herausputzen wollen, wächst die Kluft in jener Gesellschaft, die immer noch keinen Mittelstand kennt. Nur in den gehobeneren Vierteln Ipanema, Leblon oder Barra da Tijuca treffen sie auf einander: Die einen decken hier ihren ständigen Bedarf nach besserem Wohnraum und billigen Arbeitskräften, die meisten anderen fahren allmorgendlich aus den Stadtrandgebieten an, diesen Hunger zu stillen. So chaotisch Rio de Janeiro auf den europäischen Besucher wirkt, so viel Ordnung erkennt man doch in diesem System der Segregation, das sich quer durch die Gesellschaft zieht, Wohn- und Lebensräume von einander trennt, die Teilhabe an Bildung, Kultur und öffentlichem Leben immer weniger Menschen ermöglicht. Die kommenden Großereignisse werden daran nichts ändern. Im Gegenteil, sie werden das Problem noch weiter verstärken. Rio will sich für seine Gäste herausputzen. Schon seit vielen Monaten branden die immer mächtigeren Wellen von Protesten und Demonstrationen gegen Militärpolizei, Stadt und Staat an: Die Unterschicht begehrt gegen das wachsende Unrecht auf, das im Schatten der Meisterschaften an ihnen begangen wird.
Inmitten dieser angespannten Stimmung gastiert die vom Museum of Modern Art entworfene Ausstellung »EXPO 1« im Museu de Arte Moderna (MAM), wo sie sich erneut dem »Spannungsfeld und den Wechselwirkungen von Ökologie und Ökonomie in Hinsicht auf die revolutionären Veränderungen der letzten Jahre« widmet. Nachdem die Schau im Mai des vergangenen Jahres als Teil einer Partnerschaft mit Volkswagen in New York eröffnet wurde, dabei vor dem Hintergrund des Hurrikan Sandy den Fokus auf den Klimawandel legte, soll sie sich nun in auf ihrer Welttournee auf lokale Aspekte konzentrieren. Bevor die »EXPO 1« jedoch nach Peking und zum Abschluß nach Berlin zieht, stand Rio de Janeiro auf dem Programm.
Dabei verfolgte die Schau bereits von Beginn an hehre Absichten. Die Expo sieht sich im Erbe der Weltausstellungen, jedoch betonte der sich verantwortlich zeichnende Klaus Biesenbach, daß es dabei »nicht um fremde Kulturen und neuste Technologien, sondern um die Herausforderungen und Fragen unserer Zeit« ginge. Neben dem bisherigen Schwerpunkt auf ökologische Themen gehörten dazu auch die Umbrüche im urbanen Lebensraum sowie die ungleichmäßigen wirtschaftlichen Entwicklungen. Für Rio de Janeiro bedeute dies insbesondere, den Kontrast zwischen dem wirtschaftlichen Fortschritt des Landes und seiner künftigen Sportgroßereignisse auf der einen, sowie den »sozialen, infrastrukturellen und ökologischen Problemen« auf der anderen Seite aufzubereiten. Sowohl Biesenbach als auch sein Kollege Luiz Camillo Osorio, Chefkurator am Museu de Arte Moderna, unterstrichen bei einem Pressegespräch mehrfach, daß diese thematische Umorientierung ein Eckpfeiler ihrer Zusammenarbeit gewesen sei. Die Kooperation sei für das MAM »fundamental«, schließlich könne man dadurch »über die Entwicklung nachdenken, die wir wollen«. Osorio sieht daher in »EXPO 1: Rio« nicht etwa nur eine weitere Edition der ursprünglichen New Yorker Schau, sondern eine gänzlich andere Ausstellung.
Ein Blick in die Künstlerliste vermittelt jedoch zunächst einen anderen Eindruck: Während in New York sieben Kuratoren allein für das Ausstellungsprogramm mehr als fünfzig Künstler versammelten, mehr als halb so viele weitere Teilnehmer ein umfangreiches Programm aus Lesungen und Workshops gestalteten, sind von den dreißig im MAM vertretenen Künstlern nur ein Drittel neu hinzugestoßen. Es kann also allenfalls von einer verkleinerten und erweiterten, wohl aber kaum von einer völlig neuen Ausstellung geredet werden. Dennoch sind es gerade diese wenigen neuen Arbeiten, die »EXPO 1: Rio« erst mit ihrer gastgebenden Stadt verbinden. So lag es in Hinblick auf die sich in Rio häufenden Großereignisse nahe, diese als Ideengeber für die Ausstellung zu integrieren: Mit dem Confed-Cup und dem Weltjugendtag im vergangenen Sommer, der Fußball-Weltmeisterschaft in diesem und den Feierlichkeiten zum 450. Stadtjubiläum im kommenden Jahr, sowie schließlich den olympischen Spielen 2016 gruppieren sich genügend Anlässe, dem Phänomen auf die Spuren zu kommen. Biesenbach und Osorio untersuchen aber nicht etwa sportliche Großereignisse, sie stellen ihnen die vielen Massendemonstrationen und ‑paraden gegenüber, die hier zeitgleich abgehalten werden und, so die unausgesprochene Behauptung, in ästhetischer Verwandtschaft zu ihnen stehen. Ein rhetorischer Kniff, der hohe Erwartungen weckt.
Dementsprechend sorgt ein brasilianischer Karnevalsumzug für das obligatorische Lokalkolorit, das Matthew Barney in »De Lama Lâmina« (2004) jedoch mit seinem typischen bitter-süßen Pathos unterwandert, mithin verdirbt, wenn er einen Bulldozer einen entwurzelten Amazonasbaum durch die Straßen fahren lässt. Mithilfe dieser zudem schamanisch geweihten Monstranz deutet Barney den Karneval von Salvador de Bahia in eine indigene Prozession, in ein zynisches Fruchtbarkeitsritual um und markiert damit wohl die politische Pointe in »EXPO 1: Rio«. Damit stimmt dieser spitze Kommentar in einem erzkatholischen Land wie Brasilien, in dem Indios noch immer diskriminiert werden, einen scharfen Ton an, der jedoch in der restlichen Ausstellung bedauerlicherweise schnell verstummt. Noch im selben Raum nehmen Claudia Andujars zwar hübsch anzusehende, aber doch harmlose, fast naive Fotografien aus einem Amazonas-Dorf Barneys forschem Vorstoß so viel Energie, daß es schon eine Provokation darstellt, das ungestörte Indio-Idyll neben einem solch heftigen Protest zu präsentieren.
Daher ist es an dieser Stelle wohl zweckmäßiger, der Ausstellung in die andere Richtung zu folgen, denn so gelangt man zu Amal Kenawys beeindruckender Dokumentation autoritärer Gewalt in Nahost. Die Ägypterin heuerte ein gutes Dutzend Männer an, um mit ihr und einigen anderen Leuten auf den Knien durch Kairos Innenstadt zu kriechen. »Silence of the lambs« (2009) dokumentiert diese Performance, aber vor allem auch den sich bald formierenden Protest, der die Ehre der beteiligten Männer wie des ägyptischen Volkes beschmutzt sieht und schließlich in der Verhaftung der Künstlerin und etlicher anderer Beteiligter gipfelt. So sind es erst die provozierten Reaktionen, die Beleidigungen und die Handgreiflichkeiten sowie Kenawys geduldig vorgetragene Argumente, die das Video zu einem Zeitdokument der ägyptischen Gesellschaft, die Künstlerin zur Aktivistin machen. Wo sich Barney noch keiner Kritik ausgesetzt sieht, ist es Kenawy, die sich selbst in die Löwengrube wirft und wie durch ein Wunder unversehrt wieder aus ihr heraustritt. Das Kuratorengespann gab sich sogar derart von der Standkraft der Ägypterin beeindruckt, daß es ihr eine besondere Ehrung aussprach, indem es ihr die Ausstellung widmete. Schließlich sei für Biesenbach zwar nicht jeder Bürger ein Künstler, aber in Hinblick auf Kenawy sei immerhin jeder Künstler ein Bürger.
Ganz befreit sich die Schau von Beuys dann doch nicht (Biesenbach: »Wegen Joseph Beuys bin ich Kurator geworden«). Das musste sie auch nicht, denn jener ist auch im MAM mit einer Videoperformance vertreten, die die Protestformen in Kenawys und Barneys Arbeiten gut ergänzt. Beuys räumt hier erneut die Abfälle einer Berliner Maidemonstration ab (»Ausfegen«, 1972) und trifft dabei auf Michael Subotzkys Müllsammler Samuel, der sich ebenso wie die emsigen Arbeiter in Liu Weis »Hopeless Lands« (2008) in der grausigen Dystopie einer Müllhaldenlandschaft wiederfindet. Weis Abfallbrigaden wühlen sich durch die immer wieder neu aufgeschütteten Müllberge, die die Pekinger Bevölkerung vor den Toren ihrer Stadt deponiert. Ebenso wie ihren Abfall vergaß diese Gesellschaft auch die Bauern, die nun auf ihrem Land statt Reis und Soja Plastikmüll und Elektroschrott ernten. Daß deren geschäftiges Getümmel jedoch wieder zum kuratorischen Thema der Massendemonstrationen und ‑paraden zurückfindet, ist einer gleich daneben gezeigten Videoprojektion von Rivane Neuenschwander und Cao Guimarães zu verdanken. Die Brasilianer ließen ein Ameisenvolk gezuckertes Konfetti durch ihr Revier tragen, das hier ebenso emsig abgeräumt wurde wie dereinst chinesischer Haushaltsmüll. Die Papierschnipsel waren beim letzten Karneval liegengeblieben; und damit das auch deutlich wird, läuft im Hintergrund leise der Samba, während auch der Titel darauf hinweist, das nun die Fastenzeit anbricht: »Quarta-Feira da Cinzas« (2006), Aschermittwoch.
Cinthia Marcelle: »475 Volver« (2009)
Abgesehen von zwei weiteren Dokumentationen zeitgenössischer Protestformen war damit der brasilianische Trumpf größtenteils ausgespielt. Lediglich Cinthia Marcelles Videoarbeit »475 Volver« (2009) konnte noch einen vorerst letzten Glanzpunkt für sich verbuchen. Während für diese bestechend simple Kritik an der Urwaldabholzung im MoMA PS1 nur ein kleiner Bildschirm zur Verfügung stand, wurde das Werk in der Heimat der Künstlerin endlich in einer angemessenen Größe gezeigt: Eine Bulldozer frisst sich durch frisch abgerodeten Urwaldboden, trägt ihn wechselweise ab und schüttet ihn in einer sich ewig wiederholenden Acht auf, bis er schließlich seine eigene Fahrbahn eingeebnet hat. In einer ähnlichen, im MAM jedoch nicht gezeigten Videoarbeit (»Fonte 193″, 2007) fährt ein Löschzug in ebenso monotonen Kreisbahnen und bewässert dabei das gleiche brache Land. Marcelles Beitrag fügt sich hier so verblüffend gut ein, daß man sich innig wünscht, sie möge doch mit Matthew Barney die gerodeten Urwaldflächen aufforsten.
Schließlich war mit Halil Altinderes Rap-Video »Wonderland« (2013), das sich gegen die Räumung türkischer Armenviertel erhob und bereits auf der vergangenen Istanbul-Biennale mit viel Lob bedacht wurde, das brasilianische Thema der sich wandelnden urbanen Lebensräume in Zeiten prestigeträchtiger Großereignisse abgeschlossen. Damit wurde der kuratorische Fokus auf die parallel abgehaltenen Massendemonstrationen zwar als rhetorische Strategie deutlich, doch fehlte es an Nachdruck, um aus der bis dahin rein ästhetischen Gegenüberstellung solcher Ereignisse die entsprechenden Aussagen, Bekenntnisse oder gar Forderungen abzuleiten. Trotz der politischen Tragweite, die eine solch groß angelegte Ausstellung zu diesen Themen allein durch ihre Präsenz entfaltet, hielt sich »EXPO 1: Rio« in diesem Punkt erstaunlich zurück. So war die New Yorker Edition noch von einer mitreißenden Aufbruchstimmung getragen, die nicht zuletzt in den unzähligen Lesungen und Workshops zum Ausdruck kam, für welche das Museum sich als zeitgemäßes Diskussionsforum zur Verfügung stellte. Schließlich war es gerade auch der VW Dome, der den Bewohnern von Rockaway Beach ein Gemeindezentrum bereitstellte, nachdem dort Hurrikan Sandy jegliches Gemeindeleben auslöschte. Obwohl sich das Museu de Moderna Arte auf eine »Tradition als lebendiges Laboratorium für Künstler« beruft, finden hier solche ausstellungsbegleitenden und ‑erweiternden Veranstaltungen nicht statt oder wurden zumindest noch nicht angekündigt.
Man sollte sich jedoch hüten, den New Yorker Tatendrang in eine Erwartungshaltung gegenüber den weiteren Ausgaben der »EXPO 1« zu übertragen. Es bleibt anzuzweifeln, ob die gesellschaftliche und politische Infrastruktur Rio de Janeiros ein solch umfassendes Programm überhaupt tragen könnte, geschweige denn wollte. Selbst wenn sich die beteiligten Initiatoren und Kuratoren dazu entschlossen hätten, sich etwa durch den Bau eines weiteren VW Domes in einer der Favelas mit den dortigen Bewohnern zu solidarisieren, selbst wenn die Finanzierung eines solches Projekts gesichert wäre, könnte man wohl nicht so sicher mit der Unterstützung der Behörden und der Gesellschaft rechnen, die all dies in New York nach Kräften mitgetragen hätten. Daher bleibt »EXPO 1: Rio« darauf beschränkt, Ausstellung zu sein. Vor Kritik an der Kuration schützt das jedoch nicht. Denn wie bereits bemerkt, geht bis auf einige der genannten künstlerischen Beiträge auch von der Ausstellung keine nennenswerte Stellungnahme zur brasilianischen Problematik aus. Stattdessen wird dieses Konvolut an Protestformen mit jenem Kunterbunt aus umweltkritischen, Nachhaltigkeit fordernden Arbeiten aufgefüllt, die noch im MoMA PS1 als notwendige Stichwortgeber dienten. Hier erfüllen die durchaus für sich allein schon sehenswerten Arbeiten von Ansel Adams, Chris Burden, Peter Buggenhout, Agnes Denes, Steve McQueen und Katharina Sieverding jedoch kaum einen anderen Zweck, als auch dem brasilianischen Publikum einen kurzen Eindruck der New Yorker Mutterausstellung zu geben. Wenn schon nicht der damals überaus populäre Rain Room, auch nicht Olafur Eliassons Eiskammer gezeigt werden konnten, so waren es doch diese Exponate, die die Chronik der Ausstellungsreihe nachzuvollziehen versuchten. Letztlich geht dieses Ungleichgewicht zwischen neuen und alten Arbeiten jedoch darauf zurück, daß letztere im großen Hauptsaal, die speziell für Rio de Janeiro ausgewählten Werke jedoch in zwei kleinen Nebenräumen ausgestellt wurden. Lediglich die ein oder andere Sichtachse konnte diese Trennung überbrücken und künstlerische Kontraste herstellen. Möglicherweise ist darin aber auch das formale Erscheinungsbild eines Dialoges zweier Kuratoren zu erkennen. Dies wäre immerhin ein schöner Gedanke: Biesenbach gibt vor, Osorio legt nach. Schließlich werden ähnlich spielerische Ausstellungsformate allerorts immer populärer. Dies würde für die »EXPO 1« immerhin bedeuten, daß sich tatsächlich nicht nur als Editionsreihe, sondern als eine sich stetig neu erfindende Ausstellung begreift.
Nachdem die »EXPO 1« damit ihre Identität zwischen Wanderausstellung und Ausstellungsformat womöglich genauer verortet hat, darf man neugierig in die Zukunft blicken. Mit den beiden weiteren Gastspielen in Peking und Berlin stehen zwei weitere Metropolen auf dem Tourneeplan, die vor dem Hintergrund ihrer ganz eigenen Probleme auch ganz eigene Fragen aufwerfen. Weder die Folgen des Klimawandels noch der Wandel des an seine Grenzen geführten urbanen Lebensraums werden hier die bestimmenden Themen sein können. In Peking wird man das dortige massive Problem der Umweltverschmutzung bei wachsender Konsumkraft nicht umgehen können (Liu Weis »Hopeless Lands« wird man dort sicherlich wieder begegnen), in Berlin werden an seiner Stelle die Gentrifizierung und ihre Bedrohung einer Kulturmetropole stehen müssen. Möglicherweise werden aber auch aktuelle Ereignisse eine zügige Reaktion erfordern; das dies einer Ausstellung möglich sein kann, wurde ja bereits eindrucksvoll demonstriert.
Für das Gelingen auch der kommenden Gastspiele wäre es zu begrüßen, wenn Volkswagen wie schon in New York und Rio de Janeiro keinen (sichtbaren) Einfluss auf die Gestaltung dieser Ausstellungen nehmen würde. Der Autobauer betreibt in allen beteiligten Ländern wichtige Produktionsstätten, hat zudem zeitgleich zur Eröffnung der »EXPO 1« ein Werk im US-amerikanischen Chattanooga eröffnet und hatte auch zuletzt in Brasilien anhaltende Erfolge erzielt. In den chinesischen Städten Ningbo, Urumqi und Foshan lief im vergangenen Jahr die nach Konzernangaben umweltschonende Fertigung verschiedener Modelle an, 2015 soll in einem weiteren Werk in Changsha die Produktion aufgenommen werden. Immerhin war trotz der großzügigen Förderungen bisher keine Einflussnahme erkennbar. Der Konzern hielt sich auffällig zurück, was man anderen Projekten dieser Größenordnung leider nicht immer anerkennen kann.
Wie sich auch Expo und Sponsor auf die kommenden Stationen vorbereiten werden, man darf wohl gespannt sein, wie die Kuratoren die Kunst für ihren Aufruf zu mehr Umweltbewusstein und Nachhaltigkeit einspannen werden. Eine noch stärkere Konzentration auf die lokale Situation, die den Vergleich mit der gelungenen Erstausgabe in New York nicht zu scheuen braucht, wäre so förderlich wie wünschenswert. Sie ist gewiss kein Ding der Unmöglichkeit.