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Ein Gerücht macht in den letzten Wochen und Monaten die Runde. Da wolle jemand den alten Bierpinsel für eine StreetArt-Ausstellung nutzen, also jenes inoffizielles Wahrzeichen des Berliner Stadtteils Steglitz und der Westberliner Architektur der 70er Jahre. Einst beherbergte das ungewöhnliche Gebäude die Gastronomie, später die Retro-Lounge. Und nun steht er leer und soll als Ausstellungsort für »die spektakulärste Galerie Europas« genutzt werden. So heißt es jedenfalls von Seiten der Veranstalter.
Bisher kannte man den Bierpinsel eher so.
Eines muss man dem Kuratorentrio Christoph Tornow, Daniel Grau und Benjamin Link lassen: Sie haben ihre Hausaufgaben in Sachen PR gemacht; selten sah man solch eine vor Informationen strotzende Website. Dabei scheuen sich die Veranstalter, die sonst die Hamburger Vicious Gallery kuratieren, auch nicht vor vollmundigen Versprechungen:
Im Frühjahr 2010 wird ein ganz besonderes Kunstprojekt europaweit für viel Diskussionsstoff sorgen: Es entsteht die spektakulärste Open-Air-Galerie Europas.
Und irgendwo in einem der Pressetexte heißt es:
In nur knapp drei Wochen beginnen die Street Artists vierzig Meter über den Dächern von Berlin ein neues Kapitel der Geschichte der Kunst im öffentlichen Raum zu schreiben.
Und anderswo:
Seit einigen Jahren entwickelt sich nun auch in Deutschland die sogenannte White Cube Szene, revolutionär von Einzelkämpfern wie z.B. der Vicious Gallery in Hamburg voran getrieben, wird Street Art gegen den ursprünglichen Glauben in Gallerien ausgestellt.
Die Zugpferde der »Turmkunst«: Sozyone, Flying Förtress und Honet, (via)
Nun haben ja schon viele ihre Galerien und Ausstellungen hoch gelobt, doch darf man sich auch dieses Mal fragen, was eigentlich dahinter steht. Dank der umfangreichen PR ist auch das schnell geklärt.
Zunächst werden die drei StreetArtists Sozyone, Flying Förtress und Honet von einem Fassadenlift aus das Äußere des Turms ihren Vorstellungen anpassen, während Craig »KR« Costello sich um den Stamm des Gebäudes kümmert. Im Inneren des Bierpinsels werden sie zudem zusammen mit neun weiteren Kollegen auf 1500qm ihre Werke zeigen.
Schon ab dem 1. April kann man die StreetArtists bei der Arbeit an der Fassade beobachten oder auch das Innere des Turms erkunden. Die eigentliche Vernissage soll jedoch erst am 15. Mai stattfinden, also dürfte bis dahin das Prachtstück der Veranstaltung, die Außendekoration, fertig sein.
Ein Thema hat die Ausstellung jedoch nicht. Es steht also die Vermutung nahe, dass das ganze Brimborium lediglich dem reinen Selbstzweck dient. Denn mehr Neues als den ungewöhnlichen Ausstellungsort hat die Veranstaltung wohl nicht zu bieten, zumindest preist die sonst so viel vom blauen Himmel lobende Webseite nichts weiter als die Fassadengestaltung an. Da hilft es auch nicht, wenn es nur knapp heißt
1 Turm. 2000 Liter Farbe. 3 Kuratoren. 4 Künstler.
Und zwar in dieser Reihenfolge. Mir riecht das zu sehr nach reiner Selbstdarstellung, da hilft auch nicht das Lob von Berlins Oberstem Bürgermeister Wowereit drüber hinweg. Selbst die Lokalpresse interessiert sich mehr für die protestierenden Architekten denn für die Aktion selbst.
Aber wir werden sehen. Ich werde es mir sicherlich einmal anschauen und da noch nicht aller Tage Abend ist, steht ein Urteil wohl noch aus.
„1 Turm. 2000 Liter Farbe. 3 Kuratoren. 4 Künstler. „ Das klingt auf jeden Fall schon mal spannend. Der Bierpinsel ist zwar architektonisch ganz interessant, aber ein wenig Farbe könnte ihm bestimmt nicht schaden. Ich werde das auch jeden Fall mit großem Interesse weiter verfolgen, dabei kommt sicher etwas Tolles heraus. Danke für den tollen Tipp.
Das Zitat war zwar eigentlich dazu gedacht, die durchschimmernde Kuratorenhybris — zumindest empfand ich es so — zu unterstreichen.
Aber schön und umso besser, wenn es meine Leser dazu animiert, der Turmkunst einen Besuch abzustatten! 🙂
Vielleicht sollte noch mal einer sagen worum es wirklich geht: Es ist nicht die Ausstellung, sondern die Gestaltng der Fassadenfläche — der Bierpinsel wird komplett angemalt. // Drum herum gibt es auch eine Ausstellung der Vicious Gallery, dazu wird der U‑bahnhof Schloßstr. gestaltet und der Treppenweg. Am 1.4. geht es los, 14:00 auf dem Brunnenplatz neben dem Bierpinsel. Ach und ein Thema gibt es an der Fassade auch: Wissenschaft. Die Kuratoren gehen damit auf das Wissenschaftsjahr in Berlin ein..
Danke für die Ergänzung. Wo wir auch gerade jemand von den Veranstaltern unter uns haben: Wie lange wird denn die Fassadenbemalung erhalten bleiben?
ui gerade gesehen. sorry: die Fassade bleibt ein Jahr bunt. Danach müssen wir leider wieder rot werden. Da wir das Stadtbild verändern und der Architekt auch leider kein bekennender graffiti fan ist, mussten wir dem bezirk versprechen, den turm nach einem jahr wieder in den ursprünglichen zustand zurück zu versetzten.. bin im orgz team 😉
Ich freue mich immer sehr auf solche junge begabte Leute! Wünsche ihnen noch viel Erfolg!