One from none: Über junge Künstler und schlechten Deutsch-Rap

18. September 2013 von Joep van Liefland
Ein Gespräch zwischen Nils Emmerichs, Joep van Liefland und Matthias Planitzer

Joep van Lief­land und Nils Emme­richs; Foto: Mat­thias Planitzer

Mit »One from none« eröff­ne­te am ver­gan­ge­nen Frei­tag im Auto­cen­ter eine Aus­stel­lung, die im Rah­men der Ber­lin Art Week jun­ge, zeit­ge­nös­si­sche Male­rei ver­sam­melt. Mein Part­ner Maik Schier­loh und ich luden dazu den eben­falls sehr jun­gen Kura­tor Nils Emme­richs ein, unse­re Räu­me in der Leip­zi­ger Stra­ße zu bespie­len. Denn sein Zugang ist ein beson­de­rer: Eini­ge der aus­ge­stell­ten Künst­ler und ihn ver­bin­det eine lang­jäh­ri­ge, enge Freund­schaft. Nils kennt ihre Inter­es­sen und Sor­gen genau, weiß, was sie bewegt und wie sie arbei­ten, ver­steht sie im Ate­lier, aber auch im All­tag. Er hat­te also sicher­lich viel zu erzählen.

Ich traf Nils auf ein Gespräch im Auto­cen­ter, wo Mat­thi­as Pla­nit­zer zu uns dazu stieß und mit uns so lan­ge über die Aus­stel­lung, die Absa­ge an den Künst­ler-Mythos und neue Ido­le in Kunst und Deutschrap sprach, bis die Bie­re geleert waren – denn das war die Idee: Eine Stamm­tisch­dis­kus­si­on über jun­ge Künst­ler und Male­rei, geführt im Ausstellungsraum.

Joep van Lief­land: „One from none“ ist eine Aus­stel­lung, die jun­ge Male­rei prä­sen­tiert, wo doch um uns her­um die Neu­en Medi­en alles domi­nie­ren und in eine wach­sen­de Schnel­lig­keit stür­zen. Die Male­rei ist dahin­ge­gen eher lang­sam, durch­aus auch mit Absicht. Wie emp­fin­dest du die Ver­lang­sa­mung der Kunst und dass die Male­rei vie­les kom­pri­miert? Male­rei hat mei­ner Mei­nung nach nichts mit neu­en Medi­en zu tun, aber irgend­wie dann doch, weil sie unter deren Ein­fluss steht.

Nils Emme­richs: Wir neh­men das ja auch alles eher unter­be­wusst wahr, schließ­lich ist es stets prä­sent. Man soll­te die Male­rei gene­rell aus­klin­ken las­sen und auf das Mini­ma­le redu­zie­ren. Das zei­gen eigent­lich auch fast alle Künst­ler der Aus­stel­lung: Sie arbei­ten sehr redu­ziert, dabei aber auch sehr tief­grün­dig. Wenn ich eine Aus­stel­lung kura­tie­re, war­te ich immer dar­auf, daß ein Zuschau­er sagt: »Das kann ich doch selbst machen.« Dann weiß ich, daß es eine gute Aus­stel­lung ist.

Joep van Lief­land: Das ist ein gutes Kri­te­ri­um, oder?

Nils Emme­richs: Da trennt sich die Spreu vom Wei­zen. Ich habe das vor­hin als Kul­tur­ter­ro­ris­mus bezeich­net. Wenn die Leu­te ihr Wochen­end­pro­gramm haben, sie die­ses und jenes Muse­um besu­chen, sich dies und das anschau­en, aber wenn es nicht gera­de einen Lie­ber­mann oder Apfel zu sehen gibt, dann sind sie ent­täuscht. Wenn du an die Aka­de­mie gehst, ist von Anfang an klar, daß man malen lernt. Man kommt erst ein­mal in die Ori­en­tie­rungs­räu­me und wird dort aus­ge­sucht. Vor allem in Düs­sel­dorf. Auf dem Hin­weg im Taxi habe ich das schon mal ange­ris­sen: Es gibt dort vie­le Epi­go­nen. Man sieht dann auf den Rund­gän­gen, daß die Schü­lern Ihren Pro­fes­so­ren nach­ei­fern. Man hat das Gefühl, daß die Pro­fes­so­ren es nicht zulas­sen, daß ihre Stu­den­ten sie über­flü­geln. Daher muss man Glück haben, in wel­che Klas­se man kommt. David Ost­row­ski und Chris Suc­co hat­ten die­ses Glück. Da traf man sich im Café, im Ate­lier oder zu Hau­se und man sprach dar­über, was Kunst sein kann, wohin­ge­gen gar nicht zur Fra­ge stand, wer beson­ders schön oder inter­es­sant male. Da geht es um den gemein­sa­men Aus­tausch dar­über, was man gera­de beob­ach­tet. Ich glau­be, gera­de in der Male­rei kann man nur das wie­der­ge­ben, was man schon ein­mal gese­hen hat. Wenn jemand einen Strich auf die Lein­wand malt, hat er es viel­leicht irgend­wo so gese­hen. Gera­de wenn ein Werk span­nend wird, erkennt man die Hand­schrift des Künst­lers. Ich habe für die­se Aus­stel­lung ver­sucht, Posi­tio­nen aus­zu­su­chen, die schon eine Hand­schrift auf­wei­sen, die aber auch eine Pro­gres­si­on zulas­sen. Daher auch „One from none“, einer von kei­nen, aber man weiß nicht, in wel­che Rich­tung es geht. Es kann gut oder schlecht werden.

David Ost­row­ski: »F (Jet Grill)«; Foto: Mat­thias Planitzer

David Ost­row­ski: »F (Jet Grill)«; Foto: Mat­thias Planitzer

Joep van Lief­land: Ich fin­de es inter­es­sant, daß du bei den Künst­lern, die du aus­ge­wählt hast, eine Hand­schrift erkennst. Für mich ist eine Hand­schrift mit der ana­lo­gen Welt ver­bun­den. Heut­zu­ta­ge arbei­ten vie­le jun­ge Künst­ler auf einer syn­the­ti­schen Ebe­ne, wegen der man eine Hand­schrift gar nicht so klar erken­nen kann. Sie kön­nen aber trotz­dem ein­zig­ar­tig sein. Den­noch steht das Kon­zept der Hand­schrift der­zeit zur Diskussion.

Nils Emme­richs: Mir fällt auch auf, daß heut­zu­ta­ge vie­le Aus­stel­lungs­ti­tel nur noch Film­zi­ta­te oder ande­re bekann­te Phra­sen dar­stel­len. Das ist auch ein Zei­chen dafür, daß wir uns heu­te nur noch selbst repro­du­zie­ren. Daher fin­de ich das Prin­zip der Col­la­ge und Refe­renz sehr inter­es­sant. Des­we­gen pass­te es auch gut, daß wir im Taxi schon über Harm­o­ny Kori­ne und Sofia Cop­po­la spra­chen, über den zeit­ge­nös­si­schen Film, der aus sei­ner eige­nen Geschich­te zitiert. Denn man kann ja nur noch das wie­der­ge­ben, was man schon mal irgend­wo gese­hen hat. Machen wir uns doch nichts vor: Wir wer­den in den nächs­ten fünf­zig Jah­ren kei­nen Künst­ler sehen, der etwas machen wird, was noch nie­mals jemand vor ihm getan hat.

Joep van Lief­land: Das ist eine Fra­ge der Reproduktion.

Nils Emme­richs: Genau. In die­sem Zusam­men­hang scho­ckie­ren mich die Yel­low-Cor­ner-Gale­rien, wo man sich bekann­te Wer­ke als digi­ta­le Foto­prints dru­cken las­sen kann. Das ist ein gro­ßes Geschäft. Viel­leicht weil es nur noch um das Schö­ne geht, das man sich hin­hän­gen und für das man sich bei einem Din­ner loben las­sen kann. Da geht es auch um Repu­ta­ti­on. Und gera­de damit spie­len die Künst­ler in »One from none« und bewer­ten es kri­tisch. Ich kann vor allem von den bei­den spre­chen, die ich per­sön­lich gut ken­ne: Bei­spiels­wei­se ver­sucht David, als Rechts­hän­der, mit sei­ner rech­ten Hand so zu malen als sei es die Lin­ke. Für ihn ist es schwie­ri­ger, schlecht als gut zu malen.

Joep van Lief­land: Das ist ein sehr berech­tig­tes Anlie­gen, aber war­um will man schlecht malen?

Nils Emme­richs: Weil es eine her­be Absa­ge an die Leu­te ist, die nur das Schö­ne sehen wol­len. Jack­son Pol­lock, Phil­ip Gus­ton und ande­re haben in den Drei­ßi­gern und Vier­zi­gern comic-haft oder abs­trakt gemalt und die Leu­te haben sich gewun­dert, was das sein soll. Zuvor natür­lich Van Gogh, aber auch Cézanne.

Joep van Lief­land: Aber die hat­ten die­sen Instinkt nicht, die hat­ten ein ande­res Pro­gramm. Cézan­ne woll­te nicht schlecht malen. Cézan­ne woll­te anders malen. Pol­lock woll­te auch nicht schlecht malen.

Nils Emme­richs: Man ver­gisst aber auch schnell, daß da viel Iro­nie und Humor dabei ist. Gera­de weil die Betrach­ter etwas ande­res erwar­ten. Die Künst­ler pro­bie­ren sich da auch aus und schau­en ein­fach, wel­ches Echo auf sie trifft. Heu­te geschieht das alles viel schnel­ler und inten­si­ver, wes­halb man ande­re und auch här­te­re Mit­tel wäh­len muss. So fin­den David und ich die Musik von Haft­be­fehl groß­ar­tig und durch­aus inspi­rie­rend.  Wir fei­ern das. David und ich haben ihn damals auf dem »Miet­wa­gen-Tape« ent­deckt. Wir fan­den schon allein die­sen Namen so wit­zig. Dann waren dar­auf zwei Frank­fur­ter Jungs zu hören: Celo und Abdi. Die haben eine neue Spra­che kre­iert. Der deut­sche Hip-Hop steht seit zwan­zig Jah­ren genau wie die Kunst auf der glei­chen Stel­le und dann kom­men die­se Jungs und man ver­steht kein Wort, weil sie in sie­ben Spra­chen rap­pen. So kamen wir auch zu Haft­be­fehl, den wir dann erst­mals auf einem Kon­zert in Köln sahen. Im Anschluss konn­te man mit ihm Foto schie­ßen las­sen. Der hat sofort gemerkt, daß wir ganz ande­re Leu­te waren. Da hat er sich sogar dafür bedankt: „Ich fand das ganz toll, daß ihr mein Kon­zert besucht habt, Alter!“

Chris Succo: »963« (Detail); Foto: Mat­thias Planitzer

Chris Suc­co: »963« (Detail); Foto: Mat­thias Planitzer

Mat­thi­as Pla­nit­zer: Wenn so etwas inspi­rie­rend sein kann, ist das groß­ar­tig. Das bil­det viel­leicht auch eher die Lebens­rea­li­tät der orts­an­säs­si­gen Leu­te ab, also nicht unbe­dingt der Leu­te, die sich die Aus­stel­lun­gen anschau­en, aber jene, die in der Umge­bung leben. Auch im Umkreis des Auto­cen­ters hört man sicher­lich häu­fi­ger Haft­be­fehl als daß man sich alte Film Noir Titel anschaut. Das macht es ja auch so sym­pa­thisch, wenn man so unkom­pli­ziert damit umge­hen kann und gar nicht erst einen Rück­griff auf die Hoch­kul­tur wagt, der man womög­lich gar nicht gerecht wird, weil es vie­le Jahr­zehn­te spä­ter geküns­telt wirkt. Von vorn­her­ein das auf­zu­grei­fen, was die jun­ge Gene­ra­ti­on bewegt, liegt da doch viel näher.

Nils Emme­richs: Die­se Rap­per sehen sich ja durch­aus als Künst­ler, sind aber eigent­lich auch eher unge­bil­det, weil ihnen der Zugang zu die­ser soge­nann­ten Hoch­kul­tur fehlt. Trotz­dem haben sie sich auch in intel­lek­tu­el­len Krei­sen Gehör ver­schaf­fen kön­nen. Deren Spra­che ist ja auch so über­trie­ben und zuge­spitzt. Man kann so etwas auf die Spit­ze trei­ben, soll­te aber auch authen­tisch blei­ben. Aber gera­de in der Kunst­sze­ne und im Kul­tur­be­reich ist es doch so: Fragst du, wer Haft­be­fehl kennt, erhältst du die ein­hel­li­ge Ant­wort, daß ihn alle aus Prin­zip schlecht fin­den. Wenn sie dann aber erfah­ren, daß eini­ge Künst­ler ihn gern hören, wür­den sie ihr Urteil über­den­ken. So kann man die Bedeu­tung dre­hen, wie man es will.

Mat­thi­as Pla­nit­zer: Ich wuss­te nicht, daß er Deutschrap hört. Aber ich fin­de es sym­pa­thisch, weil es so ehr­lich ist. Gera­de auch, weil es das Bild vom erns­ten, intel­lek­tu­el­len und tief­grün­dig sin­nie­ren­den Künst­ler ent­tarnt. Manch ein Künst­ler nimmt sich dabei sehr ernst, ande­re neh­men sich gern selbst auf den Arm. Letz­te­res merkt man David Ost­row­ski sofort an.

Nils Emme­richs: Man sieht der Kunst an, ob sie zu ver­krampft oder aus dem Inners­ten her­aus ent­stan­den ist.

Mat­thi­as Pla­nit­zer: Ohne ein Urteil zu fäl­len: Das eine ist kopf­las­tig, das ande­re, zumin­dest im Extrem, lust­voll und oft­mals auch wit­zig. Die­sen Humor ver­misst man durch­aus auch mal, obwohl man­che Künst­ler ihn eher sub­til ein­set­zen. Dann wer­den Kunst­ak­tio­nen im Gewand eines Laus­bu­ben­strei­ches unter­nom­men. Das ent­steht ein­fach und wird auch so gelebt.

Nils Emme­richs: Mit sol­chen Künst­lern redet man ja auch gar nicht unent­wegt über Kunst. Man lebt es ein­fach aus. Die­se Frei­heit wird aber oft­mals auch von den Pro­fes­so­ren geför­dert, die selbst mal jun­ge Wil­de waren, die immer noch die Leu­te vor den Kopf sto­ßen wol­len. So wie Oeh­len, Lüpertz und Immendorff wohl einst mit dem Taxi nach Mai­land fuh­ren, weil es dort wohl die bes­ten Far­ben gab oder Kavi­ar bestell­ten, aber nichts davon aßen. Immer die­se Über­trei­bung. Sol­che Allü­ren schei­nen aber zyklisch zu ent­ste­hen und wie­der abzu­eb­ben. Die Neun­zi­ger waren in der Hin­sicht harm­los, aber in den Acht­zi­gern hat man noch auf den Putz gehau­en. Gera­de in Düs­sel­dorf. Und heu­te sind vie­le von ihnen eta­bliert und wer­den ihnen hoch gehandelt.

Mat­thi­as Pla­nit­zer: So wie ein Blixa Bar­geld: Der scheut sich heu­te nicht davor, offen zuzu­ge­ben, daß er ger­ne mal in Edel­re­stau­rants diniert. Viel­leicht ist das auch mit einem gewis­sen Sar­kas­mus ver­bun­den, aber er gibt es offen zu und bricht wie­der ein­mal mit allen Erwartungen.

Nils Emme­richs: Blixa Bar­geld ist heu­te noch groß. Da ist auch Nost­al­gie dabei, aber er und sei­ne Neu­bau­ten haben es auf jeden Fall ver­dient. Haft­be­fehl ist mir zwar lie­ber, aber ab und zu sind die Ein­stür­zen­den Neu­bau­ten auch in Ordnung.

Mat­thi­as Pla­nit­zer: Ich kann mir aller­dings auch vor­stel­len, daß Haft­be­fehl irgend­wann mal unter einem gewis­sen intel­lek­tu­el­len Vor­zei­chen mit einer gewis­sen kul­tu­rel­len Höhe rezi­piert wird, der als Pro­test­ler gegen die Starr­hei­ten sei­ner Zeit anging. Manch einer sagt ja heu­te schon, er mache intel­li­gen­ten Rap. Ich weiß es nicht, aber ich glau­be, er spielt gern damit und nimmt sich ver­mut­lich auch selbst nicht so ernst wie ande­re Deutschrap­per. Gibt es eine Arbeit, die beson­ders her­vor­sticht, die ein­fach nur unter dem Ein­fluss von Haft­be­fehl ent­stan­den sein kann?

Nils Emme­richs: Zum Bei­spiel im Titel: »Jung, bru­tal und gut aus­se­hend«. Aber das waren auch Kol­le­gah und Farid Bang. Das ist ein sehr ener­ge­ti­scher Pro­zess. Denn er muss sich erst ein­mal völ­lig dar­auf ein­las­sen und – wir ken­nen die­se Musik – das fällt nicht gera­de leicht. Das klas­si­sche Bild eines Malers, der im Ate­lier schön­geis­ti­ge Musik hört, ist das natür­lich nicht. Aber das sieht man den Arbei­ten auch an.

Sam Moyer: ohne Titel (Detail); Foto: Mat­thias Planitzer

Sam Moy­er: ohne Titel (Detail); Foto: Mat­thias Planitzer

Joep van Lief­land: Die­ses Kli­schee ist aber auch zum Glück schon lan­ge nicht mehr wahr.

Nils Emme­richs: Das ist ja auch gut so. Ob es nun Lite­ra­tur, Kunst, Film oder Musik ist…

Joep van Lief­land: …jeder Künst­ler hat sei­ne Quel­le. Wie ver­hält es sich mit den ande­ren Künst­lern der Ausstellung?

Nils Emme­richs: Für die ist es ähn­lich. Vor allem Sam Moy­er und Samu­el Fran­cois arbei­ten mit einer Ober­fläch­lich­keit, die erst sau­ber und puris­tisch, aus der Nähe aber rau und hart wirkt. Eva Ber­en­des’ Arbei­ten sind Skulp­tu­ren an der Wand – ich nen­ne das immer »Wand­skulp­tu­ren«. Alle Arbei­ten sind sehr hap­tisch. David und Chris tre­ten auf die Lein­wän­de, krat­zen dar­auf her­um. Eva hin­ge­gen arbei­tet anders, aber die Inten­ti­on ähnelt dem sehr, wes­halb es so gut har­mo­niert. Hof­fent­lich. Viel­leicht fin­det es auch kei­ner gut und »One from none« wird anders auf­ge­fasst. Aber das ist ja das Schö­ne, man ebnet als Kura­tor den Weg. Ich mag es, mit Leu­ten zu arbei­ten, die ich schät­ze. Ich mag die alle sehr gern. Man muss es aber auch hän­gen sehen.

Samuel François: »sans titre (orange#1)«; Foto: Mat­thias Planitzer

Samu­el Fran­çois: »sans tit­re (orange#1)«; Foto: Mat­thias Planitzer

Joep van Lief­land: Sam und ihr Part­ner besit­zen ein Haus auf Long Island hat, wo sie ihre licht­emp­find­li­chen Bil­der für Tage oder Wochen im Gras vor dem Haus in die Son­ne legt. Dar­aus ent­steht dann das Bild, das ist Teil ihres Prozess.

Mat­thi­as Pla­nit­zer: Ins­be­son­de­re die Arbei­ten, die sie im ver­gan­ge­nen Jahr bei Socié­té zeig­te, waren groß­ar­tig. Gera­de auch weil sie groß­for­ma­tig waren. Aber kei­ner hat davon Notiz genommen.

Joep van Lief­land: Fast nie­mand war auf der Eröffnung.

Mat­thi­as Pla­nit­zer: Da war ich zwar auch nicht, aber es gab auch sonst kein Echo. Scha­de eigent­lich, ihre Aus­stel­lung war sehens­wert. Man sieht ihren Bil­dern an, wie sie gemacht wur­den. Sie hat die Lein­wän­de gefal­tet und zer­knit­tert, hat sie ein­ge­färbt, dann wie­der zer­knüllt. Rich­tig bear­bei­tet. Das gefiel mir sehr. Ich weiß zwar nicht, was bei »One from none« kom­men wird, aber das waren wun­der­ba­re Arbeiten.

Nils Emme­richs: Die tolls­ten Wer­ke, die du je gese­hen hast. Groß und bom­bas­tisch. Jung, bru­tal und gutaussehend!

Joep van Lief­land: Aber was sol­len jun­ge Künst­ler noch anders machen? Wie kann man noch jung und bru­tal sein, wenn die vor­her­ge­hen­de Gene­ra­ti­on schon alles gemacht hat? Sie kön­nen sub­ti­ler arbei­ten, ris­kie­ren dann aber, nicht mehr gehört zu wer­den. Oder neue Inhal­te finden.

Nils Emme­richs: Ich glau­be, das lernt man nur im Pro­zess und im Gespräch mit ande­ren Leu­ten. Man nimmt viel auf und ver­sucht auch, Ten­den­zen und Hypes zu ermit­teln. Sei es in der Kunst oder in der Film­in­dus­trie, man möch­te dabei sein mit­re­den kön­nen. Aber allein dadurch, daß so viel Mate­ri­al ent­steht, kann man sich nicht für ein Sache entscheiden.

Joep van Lief­land: Offen­sicht­lich gibt es da eine per­ma­nen­te Unsi­cher­heit, eine Instabilität.

Nils Emme­richs: Dar­auf baut man aber auch. Da bin ich aber auch einer von kei­nen, wie der Titel schon sagt. Im Prin­zip läuft es ja dar­auf hin­aus. Ihr könnt mir gern wider­spre­chen, aber ich den­ke, daß alle, die sich im Kunst­be­reich bewe­gen, wol­len auch Aner­ken­nung und Wert­schät­zung erfah­ren. Eine Zeit­lang fand ich nega­ti­ve Publi­ci­ty sehr wit­zig. Wir hat­ten eine Aus­stel­lung in Düs­sel­dorf, über die wir mit reich­lich Über­trei­bung, aber auch sati­risch geschrie­ben haben. Das hat nicht jeder so ver­stan­den und war des­halb für uns auch lus­tig. Dann fängt das Gere­de erst an.

Joep van Lief­land: Du hat­test mir auch ein paar Tex­te geschrie­ben, die eben­falls sehr über­trie­ben waren. Ich ken­ne das auch aus mei­ner künst­le­ri­schen Tätig­keit, daß man die Sache dann auch auf die Spit­ze trei­ben will. Ich fin­de es wun­der­bar, daß auch bei einem Kura­tor zu sehen, wes­halb ich den Ein­druck habe, das du auch gut zum Auto­cen­ter passt. Man muss nicht immer alles bele­gen, man kann auch übertreiben.

Nils Emme­richs: Ich habe die schlimms­ten Fächer stu­diert, die man sich aus­su­chen kann: die Geis­tes­wis­sen­schaf­ten Kunst­ge­schich­te und Phi­lo­so­phie. Man wird dann in der Uni in einen Bereich geschmis­sen, in dem die Leu­te gern sich selbst reden hören. Da wird man mit Gesprä­chen genervt, mit denen man nichts zu tun hat, und man gibt sich mit Leu­ten ab, die alles unglaub­lich intel­lek­tu­ell fin­den. Irgend­wann war mir das über­drüs­sig. Von da ab habe ich kodiert gear­bei­tet. Mir reicht es, wenn die Leu­te sagen, daß sie ihren Spaß beim Lesen hat­ten. Dar­über kann ich mich freu­en. Ich spie­le viel mit Zita­ten, gera­de aus der Lite­ra­tur und dem Film des 20. Jahr­hun­derts. Wenn ich schrei­be, den­ke ich häu­fig an bestimm­te Schrift­stel­ler oder was ich selbst gern lesen wür­de, was aber nicht so oft gezeigt wird.
Also ich habe noch ein Bier, wir kön­nen noch ein wenig quatschen.

Mat­thi­as Pla­nit­zer: Von mir aus gern. Meins ist leer, Joeps auch, ich hole mal Cola für uns.

Joep van Lief­land: Ich möch­te dich jetzt gern mit einem fan­tas­ti­schen Zitat aus dei­nem Text kon­fron­tie­ren, das ich sehr inter­es­sant fand. Es ging um van Gogh und dar­um, daß er in sei­ner dama­li­gen Zeit nicht wahr­ge­nom­men wur­de, weil er ihr weit vor­aus war. Du schreibst: »Nie­mand will Teil einer Gene­ra­ti­on sein, die einen neu­en van Gogh igno­riert. Der Künst­ler muss das Werk dahin schaf­fen, wo man es sehen kann.« Da hast du auch über Rache geschrieben.

Nils Emme­richs: Van Gogh gilt für vie­le als der Vater der Moder­ne. Zu sei­nen Leb­zei­ten hat es aber nie­man­den interessiert.

Joep van Lief­land: Es gibt heu­te kei­ne Künst­ler mehr, die ihre Ohren abschneiden.

Nils Emme­richs: Ers­tens das. Viel­leicht könn­te man aber auch hier im Auto­cen­ter eine sol­che Per­for­mance ver­an­stal­ten. Aber mei­nes Wis­sens hat van Gogh zu Leb­zei­ten nur zwei Bil­der zu drei­hun­dert und fünf­hun­dert Francs ver­kauft. Wie trau­rig ist es eigent­lich, wenn ein Künst­ler stirbt, aber sei­ne Wer­ke zwan­zig Jah­re spä­ter zum tau­send­fa­chen Preis ver­kauft wer­den? Das ist absurd. Da fällt mir wie­der ein Bei­spiel aus dem Film ein: Chris­toph Waltz. Drei­ßig Jah­re lang hat sich nie­mand für ihn inter­es­siert. Auf ein­mal bekam er für den Taran­ti­no-Film einen Oscar und ver­dient seit­dem so viel Geld mit dem, was er so lan­ge schon ein­fach nur aus Über­zeu­gung mach­te. Das woll­te ich auch im Text aus­drü­cken: Wenn ein Künst­ler gut ist, han­delt er ohne­hin erst ein­mal nur aus Über­zeu­gung und lässt sich auch nicht von finan­zi­el­len Zwän­gen ein­schüch­tern. Im Prin­zip grei­fen ja Künst­ler auch nach die­sem van-Gogh-Mythos, selbst wenn sie es ver­nei­nen. Auf der ande­ren Sei­te sind Gale­ris­ten, Kura­to­ren, Händ­ler und Samm­ler stets auf der Suche nach dem nächs­ten Künst­ler, den sie groß her­aus­brin­gen können.

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Joep van Lief­land: Aber wenn ich mei­ne Künst­ler­ge­nera­ti­on mit van Gogh oder den Dada­is­ten ver­glei­che, sind das alles Weich­ei­er. Die sind alle stu­diert, kom­men aus der Mit­tel­klas­se und wol­len Kar­rie­re machen. Aber zurück zur Aus­stel­lung: Sam Moy­er ist die ein­zi­ge Ame­ri­ka­ne­rin in „One from none“. Wo leben und arbei­ten die Künst­ler der Schau?

Nils Emme­richs: David lebt in Köln, Chris in Düs­sel­dorf. Sam lebt in New York und Samu­el in Paris. Sie sind alle kei­ne fri­schen Absol­ven­ten mehr und hat­ten jeweils bereits eini­ge Aus­stel­lun­gen in ver­schie­de­nen Städten.

Joep van Lief­land: Die Künst­ler der Aus­stel­lung sind sicher­lich kei­ne Neu­ent­de­ckun­gen. Aber das ist gar nicht so wich­tig. Wich­tig ist nur, daß es eine gute Aus­stel­lung wird. Dafür hast du gesorgt.

Nils Emme­richs: Und ihr habt den Raum gegeben.

Joep van Lief­land: Kura­to­ren haben meis­tens kei­nen Raum und Räu­me haben zumeist kei­nen Kurator.

Nils Emme­richs: Weil man als Kura­tor so nah an den Künst­lern dran ist.

Joep van Lief­land: Ja, du! Du bist mit den Künst­lern eng befreun­det, kennst sie daher auch sehr gut und bist begeis­tert. Das ist neben all der Theo­rie eine gute Basis. Ande­re Kura­to­ren gehen da viel aka­de­mi­scher mit The­ma und Kunst um.

Nils Emme­richs: Das habe ich ver­sucht, aber das kann ich gar nicht. Ich pfle­ge den direk­ten, spon­ta­nen Zugang.

Joep van Lief­land: So arbei­ten wir eigent­lich auch. Und ich habe das gute Gefühl, daß die­ser spon­ta­ne Zugang gut zur Aus­stel­lung passt. Ich bin gespannt!

Nils Emmerichs und Joep van Liefland; Foto: Matthias Planitzer

Nils Emme­richs und Joep van Lief­land; Foto: Mat­thi­as Planitzer