Wahrnehmung ist eine überaus komplexe Sache, nicht nur aus medizinischer und psychologischer Sicht. Auch die verschiedenen Teilgebiete und Schulen der Philosophie haben ihre eigenen Ideen und Vorstellungen von der Wahrnehmung und der Kognition, also der Verarbeitung der wahrgenommenen Daten, entwickelt.
Der (moderne) Mensch indes hat es geschafft die physiologischen Grenzen seiner Wahrnehmung zu erweitern und mithilfe von Technik und Medizin diese Errungenschaften auch im Alltag einzusetzen. Im einfachsten Falle sind das Brille und Hörgerät, aber auch Fernseher, Antenne und Stromuhr sind Instrumente, die für uns Größen erfassen und messen, die wir durch eigenes Unvermögen wesentlich schlechter oder gar nicht wahrnehmen würden. Den Folgen — und vor allen Dingen den Komplikationen -, die daraus entstehen, widmet sich ab Sonnabend eine recht vielversprechende Ausstellung im KW Institute for Contemporary Arts.
Teil der Ausstellung ist auch eine Videoinstallation des Kaliforniers John Baldessari aus dem Jahre 1972 mit dem schlichten Namen »Time/Temperature«. In dem etwa sechsminütigen Film sieht man den Künstler, in der einen Hand eine Sanduhr, in der anderen ein Thermometer. Während einerseits langsam die Zeit verrinnt, steigt die Temperatur stetig bis auf 105°F (ca. 41°C) — dann ist die Zeit abgelaufen. (Das obige Video zeigt noch drei weitere Aufnahmen Baldessaris zur gleichen Thematik.)
Mit »Time/Temperature« macht Baldessari zwei physikalische Größen sichtbar, deren Existenz zwar keiner verneinen wird, die aber Konzepte darstellen, die der Mensch selbst nicht oder nur unzureichend selbst messen kann. Es ist also die Frage erlaubt, ob jene Größen überhaupt real existent sind — womit wir beim drastisch konzentrierten Existenzialismus angelangt sind: Messen Uhren nicht eigentlich sich selbst, zählen sie nicht eigentlich nur ihre eigenen Bewegungen?
Solche und ähnliche Paradoxa der Wahrnehmung und Kognition begleiten uns in den unterschiedlichsten Situationen und die Kunst ist eine davon. Laut Pressetext des KW Institutes will die Ausstellung »For the use of those who see« eben jene Indifferenzen zwischen Wahrnehmung und Realität aufspüren und untersuchen. Was dabei rauskommt, wird sich zeigen — es klingt allerdings sehr vielversprechend!
Los geht’s mit der Vernissage
am kommenden Samstag, den 21. November, von 17 — 22 Uhr,
danach bis zum 24. Januar, Di — So 12 — 19 Uhr, Do bis 22 Uhr
im KW Institute for Contemporary Arts
in der Auguststraße 69, 10117 Berlin. (Eintritt 6 €, 4 € erm.)
Weitere Arbeiten von John Baldessari gibt es übrigens ab Freitag, dem 20. November, in einer Einzelausstellung bei Sprueth Magers.
uhren messen sich selbst, und vor allem gleichmäßig! daher kann man ja den rückschluss auf die zeit ziehen. das problem ist ja, dass man zeit an sich nicht messen kann, sondern nur zwei zeitpunkte. die zeitpunkte haben dabei immer einen »abstand«.
ich habe mal gelesen, dass zeit auch aus quanten besteht, also keineswegs flüssig daherläuft. interessant!
so aber jetzt geh ich mal schlafen es ist schon viel zu spät!
Da hieß es mal in einem Film:
Zu dem Thema Zeit und Wahrnehmung könnte man vielleicht sogar einen eigenen Blog füllen — oder aber die Ausstellung besuchen und sich inspirieren lassen… 😉