"Jettison" (wie man es im Internet sieht), © Anthony Goicolea Kunst im Internet hat einen entscheidenden Nachteil: Trotz der schnellen Verfügbarkeit einer Unzahl von Werken von einer Myriade Künstlern aus allen vier Enden der Welt ist doch nie gesichert, dass die Rezeption all dieser Werke im Internet, auf Abbildungen in Zeitschriften, Büchern und Katalogen dieselbe ist wie die in der Galerie, wenn man Angesicht zu Angesicht mit dem Kunstwerk in Kontakt tritt. Das Ausmaß dieser Diskrepanz ist unberechenbar. Sowohl das eine Extrem, dass das Werk in natura energiegeladener, geheimnisvoller, einnehmender - kurz: eindrucksvoller - daher kommt, als auch das konträre Extrem, nämlich dass das Gegenübertreten in der Galerie zu einer unerwarteten Enttäuschung wird, sind alles andere als selten anzutreffen. Wenn man einem Kunstwerk eine Aura zuschreiben möchte, dann ist das wohl der Punkt, auf dem man seine Argumentation stützen würde. Denn diese Aura, sofern sie tatsächlich fassbar ist, geht auf bloßen Abbildungen verloren. Gombrich schreibt darüber, ebbe sieht ebenfalls diesen Knackpunkt und auch ich bin mir dieses Problems bewusst. Ich schreibe hier viel über Rauminstallationen und oftmals auch über Künstler, deren Werke ich (noch) nicht in Galerien oder Museen gesehen habe. Dass dabei Imagination und kognitives Lückenausbessern eine Rolle spielen, liegt in der Natur der Sache, doch kürzlich war ich selbst wieder überrascht, wie stark sich ein Eindruck wandeln kann, wenn man ein Kunstwerk das erste Mal in natura sieht. Es geht um Anthony Goicoleas Arbeiten, die in seiner aktuellen Ausstellung "DECEMBERMAY" bei ScheiblerMitte zu sehen sind und über die ich ja bereits voller Begeisterung schrieb. Vor Ort stellten sich die Dinge dann doch anders dar...

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Urbane Dissonanzen

13. Mai 2010

"Isla en la isla", © Gabriel Orozco Im Jahre 2007 lebte laut UNO mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, im Jahre 1800 waren es gerade einmal 3%. Diese drastische Verstädterung, die insbesondere in den Schwellen- und Entwicklungsländern in einer unglaublichen Geschwindigkeit vorangetrieben wird, bringt unweigerlich eine Vielzahl von neuen Herausforderungen mit sich, von agrarökonomischen Problemen bishin zu energiewirtschaftlicher Leistungssteigerung. Aber vor allen Dingen auch sozio-psychologische und soziale Probleme entwachsen dieser rasanten Entwicklung, die häufig zu einer großen Kluft zwischen den Bevölkerungsschichten der Stadt führen. Hier sind es die Favelas und Slums der leuchtenden Metropolen Südamerikas und Südostasiens, dort ist es die wachsende Obdachlosenrate nordamerikanischer und anderer westlicher Großstädte, die im scharfen Kontrast zu den hochaufragenden Bürotürmen der schönen, neuen Welt stehen. Und wie so oft ziehen gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen auch hier das Interesse zeitgenössischer Künstler auf sich, die in diesem Fall die vielen Facetten dieser urbanen Dissonanz erfassen und oftmals auch erst publik machen.

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Kunstaward im Zeichen des Biers

02. Mai 2010

Logo des Blooom Award Kürzlich flatterte bei mir die Nachricht über die neuste Aktion der Brauerei Warsteiner ein und schon beim Stöbern auf der Webseite kann man förmlich die Gedanken der PR-Abteilung brodeln hören: "Es ist Zeit für eine Social-Marketing-Kampagne. Aber was braucht es eigentlich alles dazu? Hm. Ein fetziges Logo: jugendlich, frisch, energetisch. Und natürlich eine Twitter-, eine Facebook- und eine Myspace-Seite, ja genau, geht ja nicht mehr ohne. Aber wie ziehen wir es auf? Genau, das ist es: Ein Award, bei dem jeder seinen Beitrag einsenden und attraktive Preise gewinnen kann! So machen wir's!" Ob es so oder so ähnlich bei Warsteiner abgelaufen ist, weiß ich nicht, am Ende stand jedoch der "Blooom Award", das Preisausschreiben zur Kunstmesse mit den obligatorischen drei "O". Das Neuartige: kein Sänger, kein Model, kein Kleintalent soll gekürt, nein, ein Künstler in den Olymp seiner Zunft gehoben werden. Oder so ähnlich. Doch irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass die Sache nicht ganz koscher ist... Wie dem auch sei: Ich rufe euch dennoch zum Einsenden von Arbeiten auf! Mehr dazu nach dem Klick.

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Drei Mal Gallery ohne Weekend

30. April 2010

"Black House", © Anthony Goicolea (@ Aurel Scheibler) Heute beginnt ja bekanntlich das renommierte Gallery Weekend, das weltweit als wichtiges Kunstevent bekannt ist. Wie schon zu Beginn des Monats berichtet, nehmen dieses Jahr vierzig Galerien an dem großen Kunstreigen teil. Dass diese wieder einmal die hohen Besucherzahlen loben werden, dürfte gewiss sein, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass diverse Kunstmagazine und -webseiten bereits ihre Empfehlungen ausgesprochen haben, weshalb ich es mir an dieser Stelle erlaube, nicht auch noch meinen Teil dazu beizusteuern. Denn schließlich bedeutet die Präsenz eines so großen Kunstfestivals nicht, dass all die anderen Galerien und Museen ihr Programm einstellten und am Montag wieder aus ihrem Tiefschlaf erwachten. Ganz im Gegenteil, abseits des großen Kunstrummels gibt es so manche Ausstellung oder Vernissage, die einen Besuch an diesem sonnigen Wochenende wert sein dürfte.

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Als die Feldherren mit Blut malten

29. April 2010

Verismus und Neue Sachlichkeit im Kulturforum

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Die Epiphanie Hitlers

25. April 2010

"Epiphany I (Adoration of the Magi)", © Gottfried Helnwein Was mich an Gottfried Helnweins Kunst besonders reizt, ist, dass man sich ihr nicht entziehen kann. Man kann sie mögen, man kann sich ihr abwenden, man kann jedoch nicht neutral bleiben: eine Eigenschaft, die man nicht oft findet. Umso erfreulicher war es, kürzlich einige seiner Werke wieder zu entdecken und sie aus einer ganz neuen Perspektive zu sehen. Denn unter seinen vielen Arbeiten finden sich so manche, die ihr volle Wirkung erst dadurch erlangen, dass sie klassische Motive der Kunstgeschichte der aufgreifen und neu interpretieren bzw. adaptieren. Dazu gehört auch die dreiteilige Reihe "Epiphany", die dem Titel nach die Erscheinung des Herrn, also die Ankunft der drei Weisen bzw. der heiligen drei Könige an der Krippe des Christuskinds darstellt. Dass Helnwein dabei schnell den konventionellen Weg verlässt, dürfte wohl klar sein...

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"Dark Symbolism", Marc Bijl (@ Senatsreservenspeicher) Berlin taut wieder auf. Der Winter ist endgültig vorbei und der Frühling beginnt bereits mit recht sommerlich anmutenden Tagen. Kein Wunder also, dass auch die Innenstadt wieder aus dem Winterschlaf erwacht, die Straßen wieder mit Leben gefüllt sind. Die Stadt blüht wieder auf und da ziehen natürlich auch die Galerien und Museen nach und bieten den Berlinern und Berlinbesuchern im April einige Schmankerl. Von den vielen Ankündigungen für diesen Monat sind nach dem Klick die vielversprechendsten Ausstellungen und Veranstaltungen hübsch miteinander versammelt: -

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Aug in Aug mit Mao Tse-tung

07. April 2010

Untitled, © Wang Yi Fei Politische Missstände sind oftmals ein guter Nährboden für Künstler aller Disziplinen. Monumentale Werke wie Picassos Guernica oder Heines Wintermärchen entstanden in Zeiten politischer Unterdrückung und sind auch ganz abgesehen von ihren Motiven Meisterwerke ihrer Zeit. Wenn wir hier in Europa an politische Verfolgung in unserer Zeit denken, kommen uns wohl nur Fernsehbilder aus fernen Gegenden wie dem Nahen Osten oder Nordkorea in den Sinn. Viel wissen wir nicht über diese Orte, auch zeitgenössische Kunst aus den genannten Regionen ist wohl den wenigsten bekannt. Umso überraschender ist es dann, wenn man einmal regierungskritische Werke aus solchen Ländern zu Gesicht bekommt. So stolperte ich kürzlich über eine ausdrucksstarke Fotografie des Chinesen Wang Yi Fei.

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»Denn sie kannten die Schrift noch nicht, daß er aus aus den Toten aufer­stehen mußte.«

04. April 2010

Mathis Grünewald: Auferstehung Christi, Teil des Isenheimer Altars (1515) Obiges Zitat stammt aus dem Neuen Testament. Um genau zu sein, aus dem Johannesevangelium, Kapitel 20, Vers 9, aus einer Elberfelder Taschenbibel von 1914. Ich habe diesen Vers ausgewählt, weil er nicht nur beschreibt, dass selbst die Jünger Petrus und Johannes am dritten Tage, also am Ostersonntag, nicht verstanden, dass Jesus auferstehen müsse, sondern auch die viele Jahrhunderte lang andauernde Situation im christlichen Europa gut widerspiegelt: Dort, wo die Menschen nicht des Lesens mächtig waren, musste die Kunst einspringen, um den Menschen in schillernden "Worten" die hoffnungsvolle Geschichte Jesu zu erzählen. In der Tat war die europäische und byzantinische Kunst lange untrennbar mit dem christlichen Glauben vereint, Künstler hatten wenigstens bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts den Stand von Dienstleistern für die Kirche. Aber auch danach war die katholische Kirche noch für lange Zeit der wichtigste Auftraggeber für Künstler in in ganz Europa. Obgleich die Vorstellungen, was Kunst zu leisten habe, über diese Zeit und in diesem Kontext nahezu konstant blieben, entwickelten sich die künstlerischen Ideale fortwährend und konnten auch entgegen strengsten inhaltlichen Vorgaben durchgesetzt werden. Diese interessante und lebendige Entwicklung nachzuvollziehen ist sicherlich nicht in wenigen Minuten getan, doch anlässlich des heutigen höchsten kirchlichen Feiertages möchte ich einmal nachverfolgen, wie sich das Motiv der Auferstehung Christi über einige Jahrhunderte hinweg verändert hat.

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Konservierte Erinnerungen

02. April 2010

"Doubles and Couples - Version Berlin", Haegue Yang Die Temporäre Kunsthalle mauserte sich in den 17 Monaten ihres Bestehens schnell zu einem wichtigen Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst v.a. von Berliner und in Berlin wohnhaften Künstlern. Der Name verrät es schon, dem Dasein der Galerie ist eine Frist gesetzt, denn im August diesen Jahres, nach ziemlich genau zwei Jahren in der Berliner Kunstszene, wird sie zum letzten Mal ihre Pforten schließen. Bis dahin ist aber noch ein wenig Zeit und es gibt wieder einmal Neuigkeiten vom Schloßplatz: Nach dem Berlinale-Ergänzungsprogramm "Auto-Kino!" und Bettina Pousttchis Außeninstallation "Echo" zeigt sich die Temporäre Kunsthalle seit gestern bzw. vorgestern innen wie außen in neuem Gewand. Am gestrigen Abend lud die Galerie zur Vernissage und ich habe die Gelegenheit genutzt, um einen ersten Eindruck von den neuen Projekten der Temporären Kunsthalle zu gewinnen.

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