Nachdem ich das vergangene Wochenende für einen Kurzbesuch in Dresden genutzt habe, um durch die üblichen Museen und Sammlungen zu schlendern, nahm ich es mit Bedauern auf, Manaf Halbounis Businstallation auf dem Neumarkt um nur wenige Stunden verpasst zu haben. Fast waren die Reaktionen auf die Intervention schneller als der Aufbau derselben, überschlugen sich Einwohner, Protesttouristen und Medien auf ihre je vorhersagbare Art und Weise. Das allein, den Dresdner Nahostkonflikt an der Frauenkirche zu besichtigen, so wie man sonst den Zwinger oder das Albertinum besichtigt, um die städtische Kultur auf die eine oder die andere Weise kennenzulernen, wäre Grund genug gewesen, den Aufenthalt zu verlängern. So wiederum muss ich, von der einen Provinz in die andere gewechselt, mir eben aus der Ferne einen Eindruck verschaffen.
Aber zunächst zu den Befunden: Der deutsch-syrische Künstler Manaf Halbouni lässt in der historischen Mitte Dresdens direkt vor der mühsam wieder aufgebaute Frauenkirche eine Installation aus drei Linienbussen errichten. Vorbild war ein prämiertes Foto des syrischen Journalisten Karam Al-Masri, das eine ähnliche Szene in den Straßen Aleppos zeigte, wo derart hochkant aufgestellte Buswracks vor Beschuss durch feindliche Truppen schützen sollten. Al-Masris Aufnahme rückte auch das tägliche zivile Leben ins Bild und so verstand mancher, dass es dem Engagement der Bevölkerung zu verdanken war, dass die imposante Barrikade errichtet wurde. Zwischenzeitlich wurden Zweifel daran laut, nachdem Augenzeugen berichteten, dass eine der vielen in den Konflikt verwickelten Milizen die Busse dort plazierten. In Dresden indes wurde diese Nachricht, obgleich seit 2015 bekannt, verspätet aufgenommen, zumal sich der Proteststurm gegen Halbounis Intervention zu diesem immer noch weit vor der Einweihung gelegenen Zeitpunkt längst entladen hatte. Allerlei Anschuldigungen gegen den Künstler und die städtischen Entscheidungsträger wurden vorgebracht. Die üblichen Ressentiments gegen Flüchtlinge und Ausländer im Allgemeinen, sowie Syrer im Speziellen wurden laut, während Oberbürgermeister Hilbert, Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig und Frauenkirchenpfarrer Sebastian Pfeydt offen angefeindet, teils mit Morddrohungen bedacht wurden.
Nun wird man meinen, dass die Reaktionen leicht vorherzusehen waren und dass es sich um eine maßlose Provokation seitens des Künstlers und der Stadt handle. Ganz so einfach ist es aber nicht. Halbounis Arbeit wurde durch eine Crowdfunding-Kampagne gedeckt und von der bürgerlichen Kulturförderung Kulturpaten Dresden unterstützt. Wenn also überhaupt von einer Provokation gesprochen werden kann, dann von einer, die von einem nicht unwesentlichen Teil der Dresdner Bürgerschaft getragen wurde. Das rückt die Aktion freilich in ein anderes Licht, denn auch wenn die Stadt nicht daran unbeteiligt war, agierte sie nicht von oben herab, sondern ermöglichte den auch zuvor bestehenden Diskurs um Stadt- und Landesgeschichte vor dem Hintergrund der sog. Flüchtlingskrise in den öffentlichen Raum zu bringen, der zuvor vor allem von Pegida und ihren Gegnern besetzt wurde.
Verhärtete Fronten
Die Wahl der Bussymbolik kann man für ungeschickt halten, auch die bewusste Wahl von Ort und Zeitpunkt – am 13. Februar jährt sich die Bombardierung Dresdens, welche die Zerstörung der Frauenkirche nach sich ziehen sollte, zum 72. mal – scheint künstlerisch gesehen doch eher als zu plump um über die reine Verbindung hinaus eine gehaltvolle Beziehung aufbauen zu können. Ob Provokation oder nicht, als künstlerisches Mittel taugt sie ohnehin nur wenig und auch die in diesen Tagen immer wieder implizit und explizit geäußerte Hoffnung, Kunst könne politisch wirksam sein, muss doch in Hinblick auf etliche Gegenbeispiele der Gegenwart und jüngeren Geschichte als naive Träumerei abgetan werden. Davon völlig unangetastet bleibt jedoch die von Annekathrin Kohout schlüssig vorgetragene Einschätzung, dass die Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Wert der Bustürme der Absicht, Gegner und Befürworter zusammenzubringen, eher abträglich ist. Der ohnehin schon bestehende Grabenkampf einer Gesellschaft, die ihre Fronten zusehends nicht mehr nur in einer politischen, sondern auch in einer intellektuellen und sozialen Landschaft zieht und dies immer wieder wortstark betont, wird durch die verbissene Reiterei um künstlerische Details eher verschärft als gelindert. Trotz bürgerlicher Beteiligung an der Aktion kommen beide Seiten nachvollziehbar zu dem Eindruck, dass der Gegenüber vor allem aus seiner Position auf der anderen Seite des intellektuellen Grabens heraus argumentiert und nicht etwa vor dem Hintergrund der sachlich ergründbaren Probleme hierzulande und im Ausland in Dialog treten möchte. Wenn der eine die unweit residierende Sixtinische Madonna, der andere aber die politische Großwetterlage als ästhetische Referenzpunkte begreift, sind Vorwürfe links-intellektuellen Gutmenschentums und provinziellen Banausentums absehbar.
Um den einmal entfachten Konflikt um den in dieser Sache doch recht bemitleidenswerten, weil von allen Seiten als Posterboy ge- und sicherlich auch missbrauchten Manaf Halbouni noch einem konstruktiven Zweck zuzuführen, wird es, so vermute ich, ebensowenig helfen, ihre politische Aussage zu ergründen. Die Installation wird bereits von einer Seite vordergründig als Geste, nicht als Diskussionsaufruf verstanden, sodass Halbounis ehrenhaftes Engagement um die Menschen in und aus Bürgerkriegsgebieten ebenfalls in der aufgeheizten Stimmung in Rauch aufgeht. Ein in dieser polarisierten Debatte gängiges Argumentationsmuster ist da schon aufschlussreicher. Es wurde wiederholt der Vorwurf geäußert, dass die Altstadt durch die Installation und ihre Akteure verschandelt werde. Dass die Frauenkirche ein Mahnmal allein der Dresdner Geschichte sei. Dass der Neumarkt, überhaupt die Dresdner Altstadt nicht der richtige Ort seien. Argumente also, welche die Identität der Altstadt und damit insbesondere ihre Bauhistorie ins Feld führen. Diese Rhetorik ist keineswegs neu. Sie ist Ausdruck eines die letzten Jahrzehnte wie einen roten Faden durchziehenden sonderbaren Verhältnis zur Stadtgeschichte und zum Stadtbild. Daher ist es vielleicht nicht der Streit um den künstlerischen Wert oder um die da oben und die da unten, sondern die darin vorherrschenden Argumentationsketten, welche in Hinblick auf Dresdens Nachkriegsidentität und seine städtebauliche Entscheidungen sinnvoll zu ergründen sind.
Dresdens sonderbares Verhältnis zu seinem Stadtbild
Dresden wurde bekanntermaßen in den letzten Kriegstagen von alliierten Bomberverbänden angegriffen und in wenigen Nächten dem Erdboden gleichgemacht. Davon waren insbesondere die Altstadt und mit ihr auch die Frauenkirche betroffen, sodass in der Folge ihre Ruinen immer wieder als Projektionsfläche für revisionistische und zornentbrannte Rachekampagnen gleichermaßen wie für Nachweise der kollektiven Kriegsschuld gebraucht wurden. Andere deutsche Städte wie Würzburg, Pforzheim, Magdeburg, Hanau und gewissermaßen auch Mainz erlitten in den letzten Kriegswochen ein ähnliches Schicksal und doch ist zumindest mir nicht bekannt, dass über eine maßvolle Gedenkkultur und kleinere rechtsnationale Interpretationsversuche hinaus ein derart tief sitzendes Trauma wie in Dresden immer und immer wieder zum Ausdruck gebracht wurde. Insofern ist zumindest die Hypothese eines spezifischen Dresdner Sentiments nicht ganz von der Hand zu weisen. Im Gegenteil lassen sich ihre Spuren womöglich durch die Geschichte nach und vor dem Krieg verfolgen.
Einen ersten Hinweis darauf gibt der gegenwärtige Zustand der Dresdner Altstadt selbst. Besucher sind über den makellosen Zustand der vielen prächtigen Gebäude aus dem Barock und teils der Renaissance überrascht, der bei oberflächlicher Betrachtung nur selten den Verdacht aufkommen lässt, dass es überhaupt eine weitgehende Zerstörung gegeben haben könnte. Allein die Frauenkirche erinnert als prominentes Beispiel einer Geschichte des Wiederaufbaus weithin sichtbar an ihre jüngere Vergangenheit. Der restliche Teil der Altstadt, so denn er dem Krieg einst zum Opfer fiel, erstarrt vor gescheiterten historizistischen Wiederbelebungsversuchen und zieht wenn überhaupt nur das touristische, aber kein bürgerliches Leben an. Das spielt sich längst in anderen Stadtteilen ab, nicht aber in der Altstadt, wo eine diffuse Vergangenheit, welche den vermeintlichen Zustand vor 1945 darstellen soll, beharrlich wiederherzustellen versucht wird. Das Bewusstsein für die Stadthistorie scheint darüberhinaus kaum entwickelt zu sein. So wird das barocke Dresden Augusts des Starken immer wieder aus der Konserve gezogen, als müsste es auch heute noch mit den berühmten Veduten Canalettos und den Postkarten, die in seinen Gassen vielfach verkauft werden, mithalten. Die übervorsichtige Konservierung barocker und vorbarocker Architektur lässt sich freilich auch in vielen anderen mitteleuropäischen Städten beobachten, in Städten also, die ebenfalls das Trauma der Kriegszerstörung erlitten haben. Doch während andernorts auch der Nachkriegszeit Raum gegeben wurde und teils kühne Bauvorhaben umgesetzt und heute noch gewürdigt werden – man nehme nur Rotterdam als Beispiel –, bleibt die Dresdner Beziehung zur jüngeren Vergangenheit auffällig unterkühlt. Insbesondere die Architektur der DDR fristet hier ein seltsames Schattendasein, obwohl sie mancherorts weiterhin das Stadtbild auflockert und immer dort, wo sie alte Baulücken auffüllt, von erfrischendem Pragmatismus zeugt. Die lange Flaniermeile der Prager Straße, unweit der Altstadt gelegen, zeugt von einer Idee des sozialen Städtebaus, welche weiter westlich gelegenen und weitaus aufgeschlossener aufgenommenen Beispielen wie etwa Le Corbusiers Unité d’Habitation in Marseille und auch Berlin oder Jean Dubuissons Maine-Montparnasse in Paris kaum nachsteht. Und so wie etwa das viel gescholtene Flickenwerk sozialistischer und mittelalterlicher Architektur im Berliner Nikolaiviertel weiterhin unangetastet bleibt, werden ähnliche städtebauliche Lösungen im Dresdner Zentrum geschmäht.
Aus den Idealen des so sehr verehrten Dresdner Barocks wurde nichts gelernt.
Dabei war es gerade August, dessen barockes Dresden die heutige Baupolitik als einzig erhaltenswürdiges Fragment und wiederherzustellenden Mittelpunkt der aus dem Schutt auferstandenen Stadt versteht, welcher eine städtebauliche Philosophie von geradezu gegenteiliger Offenheit gegen den Widerstand seiner Minister durchsetzte. Der sächsische Herzog ließ sich auf Reisen durch ganz Europa von den damals gerade aufblühenden Visionen des Städtebaus inspirieren, um daraus schließlich eine neue Gestalt seiner Residenzstadt zu entwickeln. Dazu lud er Architekten, Künstler und Handwerker vor allem aus Italien und Frankreich an seinen Hof, wo einheimische Kollegen bald in der Unterzahl waren. Hier sollten ihre Ideen für seine weitsichtigen Projekte im Sinne eines internationalen Stils aufblühen. Einer seiner Baumeister, Matthias Daniel Pöppelmann, kehrte von einer Studienreise nach Italien mit Plänen zurück, welche Dresden als eine bis an die Elbe reichende architektonische Komposition neu dachten. Das Vorhaben war zu diesem Zeitpunkt nicht weniger gewagt als heute der Bau der höchsten Wolkenkratzer, sah er doch einen nördlich der Alpen nie zuvor gesehenen Städtebau vor. Die Festungsstadt Dresden sollte teilweise von seinen Bollwerken befreit und zur Landschaft hin geöffnet werden. August konnte sich gegen den Widerstand führender Militärs und Minister durchsetzen und die gewöhnliche Ufersiedlung als Ensemble aus Stadt und umliegendem Land neu gestalten, indem er das Elbetal als alles verbindendes Element in seine Planungen einbezog. So setzte er anstatt militärischer Stellungen eine Reihe von Vergnügungsbauten wie das Japanische Palais und in einiger Entfernung sein herrschaftlich prunkvolles Schloss Pillnitz. Nur ein Jahrhundert später wurden Teile der verbliebenen Festungsmauern als Flaniermeile neu konzipiert, welche fortan als Brühlsche Herrlichkeiten zum Lustwandeln mit Blick auf die sich davor schlängelnde Elbe einlud.
Die seitdem viel gerühmte Kulturlandschaft Dresdner Elbetal gab so auch Anlass zum weithin bekannten Gemäldezyklus Canalettos (s.o.), welcher bereits Venedig mit ähnlich majestätischen Ansichten ehrte und damit das bis dahin eher abseits der europäischen Aufmerksamkeit gelegene Dresden gewissermaßen auf die Weltbühne holte. Heinrich von Kleist schwärmt noch 1801 von Dresdens »große[r], feierliche[r] Lage, in der Mitte der umkränzenden Elbhöhen, die in einiger Entfernung, als ob sie aus Ehrfurcht nicht näher zu treten wagten, es umlagern. Der Strom verlässt plötzlich sein rechtes Ufer und wendet sich schnell nach Dresden, seinen Liebling zu küssen.« Einige Jahrzehnte später wird schließlich Dresden als das allen anderen vorangehende »Elbflorenz« geschmeichelt – ein Ausdruck, der auch heute noch viel gebraucht wird und bezeichnenderweise gerade von den konservativen und nationalen Kräften der Stadt mit kampfredensartlichem Nachdruck beschworen wird. Die Qualität dieses Elbflorenz jedoch, welche sich eben besonders auf die Kulturlandschaft begründet, die weit über die Altstadt hinaus wirkt, wird jedoch in den meisten Diskussionen um die städtische Identität, ob nun im Fall Halbounis oder auch in all den Jahren zuvor, gänzlich ausgespart. Die zeitgenössische Identität Dresdens fokussiert sich indessen ausschließlich aus den erhaltenen und restaurierten Gebäuden auf weniger als einem Quadratkilometer Fläche.
Canalettos einflussreiches Gemälde vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke weist aber auch deutlich auf die weiterhin wirkenden progressiven Kräfte des barocken Dresdens hin, wenn es nicht nur die vielen herrlichen Neubauten, sondern auch die zukünftigen Bauvorhaben prominent ins Licht rückt: Der Turm der Hofkirche ist in der bekannteren ersten Fassung des Gemäldes noch in sein Gerüst gehüllt, obwohl zu jenem Zeitpunkt der Bau längst nicht so weit fortgeschritten war. Canaletto griff auf Konstruktionszeichnungen zurück, um den zukünftigen Blick auf die neue Elbmetropole bereits vorwegzunehmen — auch wenn schließlich die Baupläne in abgewandelter Form ausgeführt wurden. Diese Aufbruchsstimmung blieb in Dresden auch nach August noch erhalten. Das deutlichste Beispiel ist wohl die Kunstakademie Cornlius Lipsius‹, für deren historistischen Neubau die alte Gemäldegalerie, zuvor ein Teil der Brühlschen Herrlichkeiten, weichen musste.
Diese visionäre Haltung Augusts und seiner Nachfolger, seiner Architekten und Künstler findet auch heute noch viele Bewunderer, allein kaum Nachahmer. Die Stadt prosperiert wie wohl nie seit dem Mauerfall und ist über die Region hinaus ein Magnet für Zuziehende. Es bestünde genügend Grund, dies auch städtebaulich auszudrücken. Als die Sammlung des Textilunternehmerpaars Hoffmann nach der Wende eine Kunsthalle nach Dresden bringen wollte, um die über Jahrzehnte vom Westen abgeschottete Stadt an die parallel weitergelaufene, fremde Kunst heranzuführen, wurde dies von der Bürgerschaft abgelehnt. Die Pläne Frank Stellas für das einmalige Projekt in bester Innenstadtlage scheiterten am Widerstand einer Öffentlichkeit, die lieber weiterhin ihre Kriegswunden leckt. Statt in bester augusteischer Manier voranzugehen und vorzudenken werden seitdem nur behutsame Restaurationsprojekte vorangebracht, welche allein dem Zweck dienen, mit erbverwalterischer Engstirnigkeit einem längst verlorenen Glanz hinterher zu trauern. Die Wiederrichtung der Frauenkirche als internationales Projekt der Versöhnung und Friedenspolitik zu begreifen, war freilich die einzig nennenswerte Ausnahme von der gestrigen Erinnerungskultur.
Doch es gibt noch Licht am Horizont: Mit der Neuen Synagoge wurde 2001 in Altstadtrandlage unweit der Brühlschen Terrassen ein in sich verdrehter Betonkubus errichtet, wie er für jüngere Sakralbauten typisch ist. Damit wurde zwar vor allem der in der NS-Diktatur geschändete, bis dahin historische Ort der Alten Synagoge gewürdigt, aber immerhin die Nähe zur Altstadt nicht gescheut. Zudem wurde in der rechts der Elbe liegenden Neustadt der historizistische Bau des Militärhistorischen Museum nach kühnen Entwürfen von Daniel Libeskind von Grund auf neu gestaltet. Libeskind war es auch, der den Dresdnern eine neue Form des Kriegsgedenkens offenbarte. Sein keilförmiger Riss zeigt auf jenen Ort, von wo aus die Bombardierung der Stadt seinen Anfang nahm und beherbergt in seinem Inneren jenen Teil der Dauerausstellung, welcher der jüngeren Militärgeschichte gewidmet ist.
Die Altstadt im Klammergriff
Mut zur zeitgenössischen Ästhetik ist also durchaus vorhanden, nur eben in nicht im Stadtkern. Wenn dann ein Künstler eine Installation auf dem Neumarkt errichtet, wo sonst wie in vielen deutschen Großstädten die Kostümierten, Gelegenheitssänger und weniger talentierten Bettler ihre Klingelbeutel herumreichen, stößt das auf Irritationen. Halbouni und seine Unterstützer müssen sich dessen bewusst sein. Als Provokation muss man ihre Standortwahl trotzdem nicht auffassen, denn es dürfte wohl die Nähe zur Frauenkirche und damit der Schulterschluss mit dem anderen Friedensmonument der Stadt gewesen sein, welche ihre Entscheidung leiteten. All jene jedoch, welche bereits die Flüchtlingsdebatte als Bedrohung ihrer lokalen Identität aufnahmen, werden auch die Businstallation als Gefahr für den Stadtraum begreifen müssen. Wenn dann alle Beschwichtigungsversuche nur darauf abzielen, die Integrität des Kunstwerks zu wahren und seinen inneren Kontext zu erläutern, führt das in den Ohren der Kritiker nicht nur am Problem vorbei, sondern muss paradoxerweise als weltfremdes Gutmenschentum erscheinen. Daher wäre es mitunter zielführender, die Diskussion nicht von der Kunst, sondern von der Stadt aus zu entwickeln. Denn Dresdens Identität, so widersprüchlich sie an den Städtebau geknüpft ist, ist vielleicht noch das einzige Band, das zwischen den verfeindeten Bevölkerungsteilen entspannt ist.