Was bleibt vom #selfie?

04. Dezember 2013 von Matthias Planitzer
Das "Selfie" ist in aller Munde: Jener schmissiger Begriff für den narzisstischen Akt, sein selbst angefertigtes Abbild in den sozialen Medien zu verbreiten, für einen Trend, der so kraftvoll ist, daß selbst die Hüter der altehrwürdigen Oxford Dictionaries sich veranlasst sahen, das "Selfie" entsprechend zu ehren. Kritik wurde an dieser neuen Bildpraxis jedoch bisher kaum geäußert. Der Frankfurter Kunstverein will daher dem Selfie mit den Mitteln der Kunst nachspüren. Und muss doch einsehen, daß es auch weiterhin noch viel Klärungsbedarf gibt.
Eva Weingärtner: "One me" (Videostill); Foto: die Künstlerin

Eva Wein­gärt­ner: »One me« (Video­still); Foto: die Künstlerin

Wer sich in den letz­ten Wochen und Mona­ten einen Über­blick über die Bild­pro­duk­ti­on im künst­le­ri­schen, ins­be­son­de­re aber auch im Lai­en­be­reich ver­schaff­te, wird eine Renais­sance des Selbst­por­traits bemerkt haben. Vor­bei die Zei­ten, als Insta­grams fast schon enzy­lo­pä­di­sches Bild­ar­chiv vor allem #food­porn und Kat­zen­con­tent kann­te, als Face­books Foto­al­ben noch vor­nehm­lich mit Rei­se­fo­to­gra­fie gefüllt waren, und selbst MMS, iMes­sa­ge und Whats­App alle erdenk­li­chen Fotos, aber eben doch kaum Sel­fies über­mit­tel­ten. Das Sel­fie: Ein schmis­si­ger Begriff für den nar­ziss­ti­schen Akt, sein selbst ange­fer­tig­tes Abbild in den sozia­len Medi­en zu ver­brei­ten, für einen Trend, der so kraft­voll ist, daß selbst die Hüter der alt­ehr­wür­di­gen Oxford Dic­tio­n­a­ries sich ver­an­lasst sahen, das »Sel­fie« ent­spre­chend zu ehren. Mit die­sem Rit­ter­schlag wur­de wohl auch die Salon­fä­hig­keit des Begriffs ein für alle­mal fest­ge­stellt und so war es nur eine Fra­ge der Zeit, daß auch die Bild­dis­zi­plin par excel­lence, die hohe Kunst, den Trend auf­nahm. Um die oft­mals nur ein­för­mig geführ­te Dis­kus­si­on nicht unnö­tig zu wie­der­ho­len, sei allein dar­auf hin­ge­wie­sen, daß Ali­cia Eler in die­ser Sache das vor­erst letz­te Wort hat­te, als sie kürz­lich für Hyperall­er­gic eine kur­ze Theo­rie des Sel­fies auf­stell­te. Nach­dem die Mode­er­schei­nung dort und auch andern­orts bereits wochen­lang immer wie­der Gegen­stand mehr oder weni­ger humo­ris­ti­scher Betrach­tun­gen war, die die Spu­ren die­ses Trends in der zeit­ge­nös­si­schen Kunst zu ver­fol­gen such­ten, fass­te die­ser Kurz­kom­men­tar immer­hin für das Kunst­pu­bli­kum zusam­men, wel­che Aus­ma­ße das Sel­fie bereits in der Popu­lär­kul­tur annahm.

So ent­wi­ckel­te sich zwar der vage Ansatz einer Sel­fie-Ethik, doch das Kern­phä­no­men, der Wer­te­wan­del des eige­nen Bil­des vor dem Hin­ter­grund sei­ner media­len und tech­ni­schen Baga­tel­li­sie­rung, wur­de bis­her nicht the­ma­ti­siert. Gleich­sam wur­de weder auf die gestei­ger­te Ver­füg­bar­keit tech­ni­scher Bil­der als Vor­aus­set­zung, noch auf die Iden­ti­täts­kri­se des völ­lig im sozia­len Netz unter­ge­hen­den Abbil­des des eige­nen Selbst als Fol­ge des Phä­no­mens hin­ge­wie­sen, das man als regel­rech­te Sel­fie-Kul­tur bezeich­nen muss. Denn wäh­rend der­einst die Getreu­en Bis­marcks ihre Leh­ren aus den über­ra­schend ver­öf­fent­lich­ten Foto­gra­fien vom Toten­bett des Reichs­kanz­lers zogen und 1907 aus ihrer Empö­rung über die tech­ni­sche Repro­du­zier­bar­keit der Foto­gra­fie das Recht am eige­nen Bild ins Straf­ge­setz häm­mer­ten (fast zwan­zig Jah­re bevor die Kunst­welt die weit­rei­chen­den Fol­gen ken­nen­ler­nen soll­te), geht man mehr als ein Jahr­hun­dert spä­ter nicht zuletzt dank des tech­ni­schen Fort- und des medi­en­kri­ti­schen Rück­schritts auf­fäl­lig leicht­fer­tig und gelas­sen mit dem eige­nen Bild um.

Gera­de auch vor die­sem Hin­ter­grund stell­ten der Frank­fur­ter Kunst­ver­ein und sein Team um Kura­tor Hol­ger Kube Ven­tura die Schau »Per spe­cu­lum me video« zusam­men, die noch bis ins neue Jahr hin­ein getreu ihrem Titel den Blick in den Spie­gel wagen möch­te. Dem dop­pel­deu­ti­gen Mot­to zufol­ge durf­te man erwar­ten, nicht nur einen Über­blick über die zeit­ge­nös­si­sche Pra­xis des Selbst­por­träts, son­dern auch eine for­ma­l­äs­the­ti­sche Kri­tik des Sujets gebo­ten zu bekom­men. Neun Künst­le­rin­nen und Künst­ler sind mit vor­nehm­lich fil­mi­schen, aber auch foto­gra­fi­schen Arbei­ten ver­tre­ten, die seit 1996, vor allem aber in den ver­gan­ge­nen fünf Jah­ren ent­stan­den, als das Sel­fie zwar noch kein Begriff, aber der leicht­fer­ti­ge Umgang mit Bild­ma­te­ri­al bereits gang und gäbe war.

Benny Nemerofsky Ramsey: "Live to tell" (Filmstill); Foto: der Künstler

Ben­ny Nemer­of­sky Ram­sey: »Live to tell« (Film­still); Foto: der Künstler

Das ers­te die­ser Sel­fies, wenn man sich die­ser Ter­mi­no­lo­gie anschlie­ßen möch­te, emp­fängt den Besu­cher gewis­ser­ma­ßen noch ehe er das Gebäu­de am Römer betre­ten hat. Denn im schleu­sen­ar­ti­gen Vor­raum des Frank­fur­ter Ver­eins wird man zunächst von einer kurz­wei­li­gen Video­in­stal­la­ti­on Ben­ny Nemer­of­sky Ram­seys abge­lenkt, die sech­zehn blas­se Auf­nah­men von Über­wa­chungs­ka­me­ras auf einem Bild­schirm ver­eint. An ähn­li­che Emp­fän­ge ein­schlä­gi­ger Geschäf­te gewohnt, ver­steht man die­se Begrü­ßung womög­lich als Mah­nung gegen Laden- oder in die­sem Fal­le eben Kunst­dieb­stahl, doch der einst­wei­li­ge Ein­druck ver­fliegt schnell, wo doch vor den in alle Ecken drin­gen­den Weit­win­kel­ka­me­ras ein und der­sel­be dun­kel geklei­de­te Mann vol­ler Inbrunst ein Ständ­chen zum Bes­ten gibt. Wer nun die Ein­la­dung der bereit­lie­gen­den Kopf­hö­rer annimmt, wird mit etwas Glück und Text­si­cher­heit Madon­nas »Live to tell« erken­nen, das für Nemer­of­sky Ram­seys sech­zehn­fach in je einem ande­ren Raum wie­der­hol­te Gesangs- und Tanz­ein­la­ge letzt­lich auch titel­ge­bend war. Wie der Kana­di­er dort also für ein Publi­kum aus Über­wa­chungs­ka­me­ras eine Bal­la­de über Miss­trau­en, Täu­schung und die damit ver­bun­de­nen Beschwer­nis­se schmet­tert um anschlie­ßend unbe­küm­mert den Boden zu fegen, die Fens­ter zu öff­nen oder auf­zu­räu­men, lässt sein zwie­späl­ti­ges Ver­hal­ten gegen­über der stum­men Zuschau­er­men­ge eine doch eher unre­flek­tier­te Hal­tung erken­nen. Man ahnt hier schon die nahe­lie­gen­de Kri­tik am all­ge­mei­nen Über­wa­chungs­fe­tisch, der auf einen sorg­lo­sen Umgang mit der eige­nen Pri­vat­sphä­re und wech­sel­sei­tig eben auch der leicht­fer­ti­gen Selbst­dar­stel­lung trifft. Man fühlt sich aber erst über­führt, sobald man die ers­ten voy­eu­ris­ti­schen Gelüs­te ver­spürt und sodann ent­we­der schamer­grif­fen flüch­tet oder ganz bewusst wei­ter­glotzt. Wie auch immer man sich ent­schei­det, wird man zu die­sem Zeit­punkt, noch ehe man die eigent­li­che Aus­stel­lung betritt, mit den eige­nen Seh­ge­wohn­hei­ten kon­fron­tiert, die in Zei­ten des Sel­fies womög­lich für kei­nen der Betei­lig­ten, nicht ein­mal die Tech­no­lo­gie, ein son­der­lich wohl­wol­len­des Urteil erwar­ten lassen.

Martin Brand: "MySpace", Installationsansicht; Foto: Norbert Miguletz, © VG Bild-Kunst, Bonn 2013

Mar­tin Brand: »MySpace«, Instal­la­ti­ons­an­sicht; Foto: Nor­bert Migu­letz, © VG Bild-Kunst, Bonn 2013

»Live to tell« rückt aber schließ­lich auch das Ver­hal­ten vor der Kame­ra in den Mit­tel­punkt der künst­le­ri­schen Unter­su­chung, wel­ches fort­an in »Per spe­cu­lum me video« gele­gent­lich wie­der Gegen­stand einer meist zag­haf­ten, doch aber nach­weis­ba­ren Kri­tik wird. Wenn man sich also nun auf die eine oder ande­re Wei­se von Nemer­of­sky Ram­seys Arbeit löst und das Foy­er des Hau­ses betritt, wird man erneut, noch ehe über­haupt ein Ticket gelöst, ein Text gele­sen oder der Man­tel abge­legt wur­de, mit einer Video­in­stal­la­ti­on kon­fron­tiert. Mar­tin Brand zeigt hier sei­ne über­aus unter­halt­sa­me, mehr als halb­stün­di­ge Video­se­quenz »MySpace«, für die er Por­träts gewöhn­li­cher Teen­ager anein­an­der reih­te, die er vor der Kulis­se ihres Kin­der­zim­mer­reichs posie­ren ließ. Wäh­rend die dop­pel­te Kame­ra­an­sicht lang­sam das gesam­te Pan­ora­ma abfährt, schlüp­fen die Jugend­li­chen in ver­schie­de­ne Out­fits, neh­men somit immer wie­der neue Iden­ti­tä­ten an und brin­gen die damit ver­bun­de­nen, zar­ten Uto­pien zum Aus­druck. Denn wäh­rend ihre Zim­mer noch von ver­gan­ge­nen Kin­der­ta­gen erzäh­len, kün­di­gen ihre sorg­sam zusam­men­ge­stell­ten Auf­ma­chun­gen bereits das Erwach­sen­sein an, aus des­sen vie­len mög­li­chen Rol­len die Jugend­li­chen eine nach der ande­ren durch­spie­len. So doku­men­ta­risch die Arbeit ange­legt sein mag, so hei­ter und bis­wei­len drol­lig drückt sie die Wün­sche und Träu­me die­ser im Übri­gen stets weiß behand­schuh­ten Halb­wüch­si­gen aus, wenn offen­sicht­lich gro­ße Vor­bil­der mit beschei­de­nen Mit­teln nach­ge­ahmt oder in typisch jugend­li­cher Art Selbst­be­wusst­sein und Stolz selbst über die größ­ten sti­lis­ti­schen Fehl­grif­fe hin­weg strah­len können.

»MySpace« ver­han­delt aber auch gera­de wegen sei­ner doku­men­ta­ri­schen Stren­ge den Umgang die­ser Teen­ager mit der Kame­ra, vor der sie sich wie vor einem Spie­gel her­aus­put­zen, deren küh­ler Anony­mi­tät sie wärms­te Inti­mi­tät ent­ge­gen­set­zen. Adres­sat all die­ser Bemü­hun­gen ist hier erneut die Kame­ra, nicht etwa das durch sie ein­sei­tig medi­ier­te Publi­kum, das in Gale­rien und eben auch hier im Frank­fur­ter Kunst­ver­ein ihren Blick ein­nimmt. Denn die Jugend­li­chen per­for­men vor der Kame­ra, ohne dar­über hin­aus zu kom­mu­ni­zie­ren. Sie bie­ten ein Ver­hal­ten dar, das im Rah­men des tech­no­lo­gisch Mög­li­chen voll­stän­dig abbild­bar bleibt, unter­neh­men aber kei­ne Anstren­gun­gen, ihr Auf­tre­ten durch den Gebrauch von Zei­chen (sei es Spra­che, Ges­te oder Mimik) mit Sinn anzu­rei­chern, der erst durch einen sehen­den und füh­len­den Gegen­über ver­stan­den wer­den könn­te. Die­se Fest­stel­lung erscheint zunächst tri­vi­al, zumal ein nicht uner­heb­li­cher Teil unse­rer heu­ti­gen Bild­pra­xis die­sem Bei­spiel nicht unähn­lich ist: Wer etwa am Pal­men­strand den Iko­nen­ka­ta­log der Urlaubs­fo­to­gra­fie Motiv um Motiv nach­ahmt, tut dies im All­ge­mei­nen ledig­lich zum Zweck der Doku­men­ta­ti­on, gern auch der Beweis­füh­rung –: »Ich war hier!« –, sel­ten jedoch, um über die Bild­flä­che hin­aus mit einem zukünf­ti­gen Betrach­ter in Kon­takt zu tre­ten. Eben­so zielt das übli­che Geba­ren vor den Kame­ras der Par­ty­fo­to­gra­fen, wie erst kürz­lich ein viral gewor­de­nes Video nicht ohne Häme nach­wies, vor­der­grün­dig auf den Bild­ap­pa­rat und das Foto, nicht aber auf den Betrach­ter ab. Was die­se Bei­spie­le näm­lich mit »MySpace« ver­eint, ist ein Ver­hal­ten, das die Anord­nung aus Motiv, Appa­ra­tur, Bild und Betrach­ter um das letz­te Ele­ment beschnei­det und somit den Zweck der Bild­pro­duk­ti­on auf sich selbst zurück­wirft: Das Bild exis­tiert um sei­ner selbst Wil­len und nur zu die­ser Bestim­mung, es bleibt solan­ge ein Schnapp­schuss, bis ein ande­rer als der Selbst­zweck gefun­den wur­de, der not­wen­di­ger­wei­se sei­ne Gül­tig­keit erst aus dem Zei­gen ent­wi­ckeln kann. Denn eben­so wie man Urlaubs­bil­der irgend­wann aus der stau­bi­gen Kis­te oder den Tie­fen der Fest­plat­te her­aus­holt, wie Par­ty­fo­tos irgend­wann den dar­auf ver­sam­mel­ten Fei­ern­den wie­der zugäng­lich gemacht wer­den, fand auch »MySpace« irgend­wann den Weg in den Aus­stel­lungs­raum. Im Augen­blick sei­ner Geburt genüg­te das Bild jedoch ledig­lich sich selbst, es war ganz Moment­auf­nah­me, ohne Sinn und ohne Zweck allein auf sich selbst und, als Teil des­sen, sein Motiv gerich­tet. Ich sehe mich im Spie­gel, per spe­cu­lum me video.

Man muss an die­ser Stel­le schließ­lich auch die not­wen­di­ge Fra­ge stel­len, ob das nach­träg­li­che Zei­gen einen Sinn gene­rie­ren kann, wird aber zu dem Schluß kom­men, daß die­se Sache zu die­sem Zeit­punkt nicht ohne Rück­griff auf ver­ein­zel­te Anek­do­ten ver­han­delt wer­den kann. Den­noch drängt sich das Gefühl auf, daß man dem Bei­spiel des Sel­fie, auf das sich die Aus­stel­lung expli­zit (jedoch ohne es zu benen­nen) beruft, bereits an die­ser Stel­le ein gehö­ri­ges Stück näher gekom­men sei.

Eva Weingärtner: "2me" (Filmstill); Foto: die Künstlerin

Eva Wein­gärt­ner: »2me« (Film­still); Foto: die Künstlerin

Scha­de jedoch, daß die Schau es ver­säumt, die­se pre­kä­re Bild­pra­xis im Fol­gen­den wei­ter zu unter­su­chen. Sie wid­met sich statt­des­sen Selbst­por­träts, die sich deut­lich von den noch am Ein­gang pro­ble­ma­ti­sier­ten Sel­fies abgren­zen, also wol­le man eine klei­ne Inven­tur des Motivs in der Gegen­wart durch­füh­ren. Dage­gen lie­ße sich nichts ein­wen­den, wenn die­ser offen­sicht­li­che Gegen­satz, der schließ­lich auch in den Begleit­tex­ten ange­spro­chen wird, kura­to­risch wei­ter auf­be­rei­tet wür­de als es eine blo­ße Gegen­über­stel­lung zulässt. Den­noch fin­det man in den obe­ren Eta­gen des Frank­fur­ter Kunst­ver­eins eini­ge Arbei­ten, die die­sen Man­gel nicht auf sich zie­hen las­sen müs­sen. Allen vor­an sei an die­ser Stel­le ledig­lich das grö­ße­re Kon­vo­lut aus Arbei­ten von Bar­ba­ra Probst hin­ge­wie­sen, das durch­aus eine eige­ne Betrach­tung wert wäre. So inter­es­sant Probsts ela­bo­rier­tes Spiel mit den unter­schied­li­chen, zeit­gleich abge­lich­te­ten Per­spek­ti­ven auf immer wie­der das­sel­be Motiv ist, fällt es doch schwer, es in einem ange­mes­se­nen Rah­men über Selbst­por­träts zu dis­ku­tie­ren. Denn wenn auch man­che der Arbei­ten die Künst­le­rin zei­gen mögen, sind alle Wer­ke aus die­ser Rei­he viel mehr als das. Daher sei an die­ser Stel­le ledig­lich auf die vie­len, ins­ge­samt sehr infor­ma­ti­ven Essays und Inter­views hin­ge­wie­sen, die Probst auf ihrer Web­site sammelt.

Schließ­lich fin­det man aber auch hier, wo man kein Sel­fie mehr erwar­ten mag, eini­ge Arbei­ten von Eva Wein­gärt­ner, die eben genau das sind. Die kur­ze Video­ar­beit »2me« treibt die Losung der Aus­stel­lung in ihrem Bei­trag auf die Spit­ze treibt, zeigt es doch die Künst­le­rin, die ihr Spie­gel­bild erst innig lieb­kost, bald küsst, dann damit zuneh­mend abwei­send und end­lich aggres­siv umgeht. Ob man die­ses Ver­hal­ten als auf sich selbst, den Spie­gel als Bild­trä­ger oder das dar­in ent­hal­te­ne Bild bezo­gen ver­steht, ist so offen wie zunächst uner­heb­lich, weil das nar­ziss­ti­sche unter allen Moti­ven schon allein aus bild­his­to­ri­schen Grün­den so sehr über­wiegt, daß es gute Grün­de braucht, der Künst­le­rin eine ande­re Inten­ti­on zu unter­stel­len. Damit ist »2me« sicher­lich die ober­fläch­lichs­te der hier ver­sam­mel­ten Arbei­ten, doch immer­hin prä­gnant genug, um ohne gro­ßes Gewe­se auszukommen.

Allein die Gegen­über­stel­lung mit den rest­li­chen Expo­na­ten der Schau ist nen­nens­wert genug, denn sie legt die Ten­denz der Kura­ti­on nahe, daß es doch – irgend­wie – um Sel­fies ging. Aller­dings wird Eva Wein­gärt­ner Geduld bewei­sen müs­sen: Auf eine kri­ti­sche, vor allem aber strin­gen­te Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Phä­no­men muss man wei­ter­hin warten.

An die­ser Stel­le sei auch dem 25h-Hotel »The Gold­man« gedankt, das die Groß­zü­gig­keit bewies, mir den Besuch der Aus­stel­lung und damit auch die­sen Arti­kel mit einer kos­ten­lo­sen Über­nach­tung in einem ihrer Zim­mer zu ermög­li­chen. Das Kon­zept des zen­tral gele­ge­nen Hau­ses umfasst die Gestal­tung jedes der Zim­mer aber auch der Flu­re durch die Hand des Künst­lers Micha­el Dre­her, der sich jeweils mit einer bedeu­ten­den Per­son der Zeit­ge­schich­te aus­ein­an­der­setz­te, um ihnen aus die­ser Inspi­ra­ti­on her­aus je ein künst­le­ri­sche Wid­mung zukom­men zu las­sen. Wer freund­lich fragt, kann auf eine kur­ze Füh­rung hof­fen, die tat­säch­lich eini­ge inter­es­san­te Über­ra­schun­gen bereithält.