Mail Art-Interview mit Klaus Staeck

02. Dezember 2013 von Martin Bothe
Anlässlich der Ausstellung ARTE POSTALE mit dem Präsidenten der Akademie der Künste per Postkarte geführtes Interview

Klaus Staeck, der 1938 in Puls­nitz gebo­ren wur­de und 1956 nach Hei­del­berg über­sie­del­te, wo er von 1957 bis 1962 Jura stu­dier­te, ist selbst ein Urge­stein der Mail Art. Bereits in den sech­zi­ger Jah­ren ent­stan­den ers­te Post­kar­ten und bis heu­te ist vor allem die bis­si­ge poli­ti­sche Note ein Merk­mal sei­ner künst­le­ri­schen Arbeit, die auch Pla­ka­te und Objek­te umfasst. Im Jahr 1965 grün­de­te er sei­nen eige­nen Ver­lag (damals: »Edi­ti­on Tan­gen­te«), der heu­te als »Edi­ti­on Staeck« bekannt ist und über den neben Staecks eige­nen Arbei­ten über­wie­gend in Auf­la­ge pro­du­zier­te Arbei­ten ande­rer nam­haf­ter Künst­le­rin­nen und Künst­ler wie Die­ter Roth, Nam June Paik, Rose­ma­rie Trockel oder Joseph Beuys ver­trie­ben wer­den. Mit Letzt­ge­nann­tem hat Staeck seit 1968 zusam­men­ge­ar­bei­tet und unter zusätz­li­cher Mit­wir­kung von Klaus Staecks Bru­der, Rolf Staeck, ent­stand bei­spiels­wei­se die Arbeit »Wirt­schafts­wer­te« (1980), die heu­te im Stede­li­jk Muse­um voor Actue­le Kunst (S.M.A.K.) in Gent zu sehen ist. Anläss­lich der Aus­stel­lung »ARTE POSTALE. Bil­der­brie­fe, Künst­ler­post­kar­ten, Mail Art.« in der Aka­de­mie der Küns­te, für die Klaus Staeck einen gro­ßen Teil sei­ner eige­nen umfang­rei­chen Samm­lung zur Ver­fü­gung gestellt hat, ließ er sich zu einem per Post­kar­te geführ­ten Inter­view überreden:

Seit-ihrer-Entstehung-in-den_VorderseiteSeit-ihrer-Entstehung-in-den_RueckseiteKann-ein-innerhalb-des-Kunstmarktes_VorderseiteKann-ein-innerhalb-des-Kunstmarktes_RueckseiteMail-Art-ist-eine-Netzwerkkunst_VorderseiteMail-Art-ist-eine-Netzwerkkunst_RueckseiteSeit-2006-sind-Sie-Praesident_VorderseiteSeit-2006-sind-Sie-Praesident_RueckseiteIst-jeder-Mensch-ein-Kuenstler_Rueckseite

Fra­ge: Seit ihrer Ent­ste­hung in den 1960er Jah­ren, über die Prä­gung des Begriffs 1971 ist es der Mail Art bis heu­te gelun­gen für den Kunst­markt (wei­test­ge­hend) ungreif­bar zu blei­ben. Wie wich­tig erscheint Ihnen eine sol­che Distanz im Hin­blick auf die Ent­wick­lung tat­säch­lich kri­ti­scher (gesell­schafts­po­li­ti­scher) Inhalte?
Ant­wort: Die MAILART ist per se ein unab­hän­gi­ges Netz­werk, das unab­hän­gig nach eige­nen Spiel­re­geln funk­tio­niert. Durch die­se Auto­no­mie kann es auch sub­ver­siev ein­ge­setzt wer­den. Dadurch ent­steht auto­ma­tisch [eine Distanz] zum Kunst­markt und sei­nen Ver­wer­tungs­zu­sam­men­hän­gen. Klaus Staeck

Kann ein inner­halb des Kunst­mark­tes inte­grier­tes künst­le­ri­sches Werk glaub­haft und nach­hal­tig Kri­tik an gesell­schaft­li­chen oder poli­ti­schen Ver­hält­nis­sen üben, eine Wir­kung in die­ser Rich­tung entfalten?
Das kann es schon. Es kommt dar­auf an, in wel­chem gesell­schaft­li­chen Kon­text das noch sei­ne Wir­kung ent­fal­ten kann: vor­nehm­lich öffent­lich, aber unter bestimm­ten Bedin­gun­gen auch pri­vat (Die Woh­nung von Cor­ne­li­us Gur­litt gehör­te bis­her aller­dings nicht dazu. Klaus Staeck

Mail Art ist eine Netz­werk­kunst, die vor allem auch eine Kom­mu­ni­ka­ti­on über (poli­ti­sche) Gren­zen hin­weg ermög­lich­te. Bedeu­tet die heu­te all­ge­gen­wär­ti­ge Ver­net­zung über das Inter­net das Ende der Mail Art?
NEIN. Nach mei­ner Über­zeu­gung wer­den bei­de wei­ter par­al­lel exis­tie­ren. Jeden­falls solan­ge es noch eine Post oder ver­gleich­ba­re Über­mitt­lungs­we­ge gibt. Klaus Staeck

Seit 2006 sind Sie Prä­si­dent der Aka­de­mie der Küns­te in Ber­lin. Wel­che Mög­lich­kei­ten und wel­che Not­wen­dig­keit sehen Sie in der Ver­mitt­lung von Kunst gegen­über einer brei­ten Öffentlichkeit?
Laut Gesetz und Sat­zung der Aka­de­mie soll sie »öffent­lich wir­ken und sich sowohl der Ver­mitt­lung neu­er künst­le­ri­schen Ten­den­zen als auch der Pfle­ge des kul­tu­rel­len Erbes wid­men«. Dafür steht ihr ein brei­tes – von der Öffent­lich­keit finan­zi­ell geför­der­tes – Instru­men­ta­ri­um zur Ver­fü­gung: Aus­stel­lun­gen, Lesun­gen, Vor­trä­ge, Kon­zer­te, Film und Thea­ter, Tanz, Dis­kus­sio­nen, Work­shops sowie die Öff­nung umfang­rei­cher Archi­ve. Klaus Staeck

Ist jeder Mensch ein Künstler?
Kaum ein Satz von Joseph Beuys wur­de so miß­ver­stan­den. Es bedeu­tet nicht, dass jeder malen, schnit­zen, sti­cheln und per­for­men kann, um nach den land­läu­fi­gen Maß­stä­ben als KÜNSTLER zu gel­ten. Unbe­strit­ten ver­fügt aller­dings jeder über krea­ti­ve Fähig­kei­ten, die nur all­zu oft schon früh ver­schüt­tet wer­den. Klaus Staeck

(Fra­gen und Aus­wahl der Post­kar­ten: Mar­tin Bothe)

Die Aus­stel­lung »ARTE POSTALE. Bil­der­brie­fe, Künst­ler­post­kar­ten, Mail Art.« ist noch bis 8. Dezem­ber 2013 in der Aka­de­mie der Küns­te, Pari­ser Platz 4, 10117 Ber­lin, zu sehen.