»Im verflixten siebenten Jahr«, so drücken es die Macher der Preview aus, befinde sich nun die Messe, schließlich sei sie in der Berliner Messesituation mit stürmischen Zeiten konfrontiert. Man merkt den Direktoren Kristian Jarmuschek, Rüdiger Lange und Ralf Schmitt die Sorge über den Berliner Kunstmarkt nach dem Aus des Art Forums an: »Der Wegfall ist eine Herausforderung«, gab Jarmuschek auf der heutigen Pressekonferenz zu und meint damit das Fernbleiben der prominenten und finanzkräftigen Käufer, von denen auch die Preview profitierte.
Die Messe für »Emerging Art«, die nun schon zum vierten Mal im Hangar 2 des Flughafen Tempelhof ihr Quartier bezieht, war zunächst als »Ergänzung der Messelandschaft« gedacht. Mit ihrem Credo, junge Künstler und Galerien auf dem Sprung in die etablierten Kunstkreise zu unterstützen und ihnen eine Plattform zu bieten, konnte die Preview in der Vergangenheit einige Künstler hervorbringen, die später ihren Marktwert spielend verdoppelten. Als Goldgrube für Jungtalente war sie gelobt worden, insbesondere die vorangegangene Ausgabe sorgte aufgrund ihres Schwerpunktes auf Osteuropa in den entsprechenden Ländern für ein sehr gutes Medienecho. Tatsächlich, so räumte Jarmuschek ein, habe man in diesem Jahr auch gezielt Galerien angesprochen, um den Qualitätsmaßstab für eine Messe mit 61 Ausstellern zu wahren.
Davon merkt man in den Kojen jedoch kaum etwas, lediglich eine Arbeit Andreas Kochs erinnert an die aktuellen Turbulenzen in der Berliner Messelandschaft. Der Künstler, der von der Loop Gallery vorgestellt wird (und zugleich Herausgeber des Magazins Von Hundert ist), hat mit »Messe« eine Patchwork-Fotografie erstellt, die einen Blick auf den Standort des Art Forums gewährt. Bezeichnenderweise wählte er hierzu die Perspektive, die sich dem Besucher der vergangenen abc bot, wenn er, von selbiger kommend, über einen Abstecher zu Berlins ehemals größter Kunstmesse abwägte. Mit nüchternem, fast analytisch klarem Blick wählt er eine beiläufig scheinende Ansicht, die erst mit diesem Wissen zu einer bitter-zynischen Kommentar zu der flammenden Debatte um die Nachfolgerschaft des Art Forums wird.
Lea Golda Holterman: Orthodox ErosWährenddessen entwickelt sich die Preview weiter und geht neue Kooperationen ein. Mit dem »Focus Academy« lädt die Messe Studierende aus drei deutschen Kunsthochschulen bzw. angeschlossenen Ausstellungsräumen ein und stellt ihre Werke in eigenen Kojen vor. Eine weitere Kooperation besteht zudem in der »Video Art Box«, die aus der kommenden Zusammenarbeit mit der Kunstmesse Fresh Paint aus Tel Aviv hervorging. Vorerst werden hier verschiedene israelische Videopositionen gezeigt; außerdem ist mit der Tavi Art Gallery eine einzelne Koje einer Tel Aviver Galerie vertreten.
Dabei fiel die Entscheidung für die Aufnahme der Galerie in letzter Sekunde, wie Jarmuschek glücklich betonte, schließlich bedeute ihm die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Nahost viel. Die israelische Kunstszene habe mittlerweile andere Sujets als die historischen Umstände ihrer Nation entdeckt und interessante Positionen entwickelt. Die nachträglich und unglücklich versteckt plazierte Koje der Tavi Art Gallery macht dies auch schnell klar.
Im Mittelpunkt der Präsentation stehen Fotografien von Lea Golda Holterman, darunter zwei Arbeiten aus der Serie »Orthodox Eros«. Nachdem die Werkreihe zuvor im Jahre 2009 bei Dada Post gezeigt wurde, kehrt sie nun nach Berlin zurück und wird auf der Preview erstmals einem größeren Publikum gezeigt. Die Künstlerin verwebt in ihren sorgsam komponierten Porträts verschiedene, brisante Bedeutungsebenen aus jüdischer Tradition, homosexueller Kultur und Kunst- und Bildgeschichte. Da hockt etwa ein schläfenbelockter Jüngling in blütenweißem Hemd und mit Mühlsteinkragen auf einem Stuhl, gänzlich vom dunklen Hintergrund entrückt und mit laszivem Blick den Betrachter musternd. Die Bildsprache könnte eindeutiger nicht sein, »Orthodox Eros« ist eine Erzählung von einer Jugend, die sich auf einem dünnen Grat zwischen Tradition und Gegenwart, eigener und westlicher Kultur bewegt. Trotzdem atmen die Fotografien Ruhe und Gelassenheit. Es dominieren nicht etwa die Widersprüche, die das Sujet vermuten lässt: Holterman führt stattdessen mit diesem ästhetischen Kunstkniff den Beweis an, welche intimen und erotisierenden Dimensionen der jüdisch-orthodoxe Dualismus zwischen dem Menschen als Abbild der Welt und seiner Seele als Teil Gottes annehmen kann. Die Darstellung ihrer selig-entrückten Jünglinge gelingt ihr dabei mit einer solchen Leichtigkeit, daß die Bilder förmlich diese Ruhe atmen.
Roger BallenGegenüber der meditativen Ruhe Holtermans Fotografien bersten die Arbeiten Roger Ballens vor Lebendigkeit. Der südafrikanische Fotograf hat sich eigentlich schon früh einen Namen mit seinen charmanten Porträts gemacht, dennoch wird er von der dänischen Galleri Tom Christoffersen auf der Preview vorgestellt. Neben seinen bekanntesten Werken sind auch Fotografien anderer Zyklen zu sehen, die allesamt durch ihren virtuosen Einsatz kompositorischer Mittel zur Erzeugung und Auflösung von energiereichen Spannungen bestechen. Da ist beispielsweise eine schnappschussartig erscheinende Fotografie, die das sardonische Lachen einer Frau dem aufgeregten Bellen eines Hundes gegenüberstellt, gleichzeitig durch ihren aus dem Bildausschnitt herausführenden Blick Distanzen offenbart. Dadurch wird gleichzeitig die Anwesenheit eines abgewandten Mannes überspielt, obgleich dieser fast die ganze rechte Bildhälfte ausfüllt.
Ebenfalls zu sehen ist eine Fotografie eines älteren Mannes und seines Katers, die beide mit ihren kauzigen Blicken wetteifern und trotz des amüsanten Anblicks durch die spartanische Komposition nichts an Würde verlieren. So stellt sich bereits in der kleinen Auswahl der gezeigten Fotografie eine erstaunliche Bandbreite an Schwarz-Weiß-Porträts, die von Menschen erzählen, die trotz aller Makel immer sympathisch und warmherzig aufgenommen werden. Ähnlich wie Vitas Luckus zeichnet Ballen in seinen Fotografien das Bild eines Kleinods, das unter uns, in der unperfekten Welt einen Platz findet. Im Gegensatz zu Luckus verzichtet er jedoch auf Milieudarstellungen und lässt allein die Porträtierten reden und so spürbar intensiver wirken. Ballen vermag dadurch mit nur wenigen Mitteln eine fesselnde Magie entwickeln, die zum Schmunzeln und Verweilen einlädt.
Pe Lang: Moving objects – n°502–519Fesselnd sind auch die Arbeiten des Schweizer Künstlers Pe Lang. Der zuvor im Duett mit Zimoun bekannt gewordene Kinetiker ist in der Koje der Galerie Mario Mazzoli mit zwei Arbeiten vertreten, darunter einer einnehmenden Anordnung aus 18 magnetischen Mikrosystemen. Jeweils zwei Drehmotoren bewegen langsam je einen Magneten und erzeugen dadurch ein sich stetig veränderndes Magnetfeld, das einen Eisenring behände zwischen zwei massiven Kupferplatten pendeln lässt. Da dieser Mechanismus der einzelnen Elemente asynchron abläuft, sind jederzeit die verschiedenen Zustände des Ringes zwischen Schwebe, Trägheit und Anziehung beobachtbar.
Pe Langs Arbeit fesselt durch den Kontrast der Poesie des Automatismus und der nüchternen Effizienz der Mechanik: Die durch ihre Funktionalität vorgegebene Anordnung aus Stahl und Kupfer, Kabel und Schrauben steht im Kontrast zu der einnehmenden Magie des Phänomens, das dem Geist zwar mühelos zugänglich ist, trotzdem wunderbarerweise bezaubert. Eine anderes, auf der Preview gezeigtes Werk Langs erzielt seine fesselnde Wirkung durch das chaotische Herumzappeln von einer Vielzahl schwarzer Ringe, die auf vibrierenden Fäden von einem Ende zum anderen tänzeln, ehe sie auf einander treffen und gemeinsam eine neue Richtung einschlagen. In dem Klang- und Kinetik-Kabinett der Galerie Mario Mazzoli vermögen beide Arbeiten sich selbst gegen plätschernde Lautsprecher und klappernde Stahlinstallationen und künstliche Hurricans behaupten: Bei all den Kuriositäten ist es letztlich die formale Strenge und simple Anordnung, die selbst in einem solchen Klangzirkus genügend Ruhe ausstrahlt, um dagegen angehen und zurückhaltend Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu können.
Vorsicht Kunst!Bezeichnenderweise sind es eigentlich jene Künstler, die sich bereits vorher einen Namen machen konnten, welche aus der Menge der mehr als 200 Teilnehmer herausstechen. Die Qualität der ausgestellten Kunst ist zwar durchgängig hoch, aber auch auf einem sehr einheitlichen Niveau. Es gibt bis auf wenige Ausnahmen kaum auffallende Ausreißer. So ist auch die diesjährige Preview eine geeignete Gelegenheit, neue, frische Kunst kennenzulernen; große Überraschungen wird man allerdings nicht erleben.
Dennoch ist ein Besuch in jedem Falle empfohlen: Heute zur Eröffnung von 18.00 bis 22.00, Eintritt frei – oder – noch bis zum 11.9. täglich von 13.00 bis 20.00 Uhr für zehn/sechs Euro Eintritt im Hangar 2 des Flughafen Tempelhofs.