Eine klare Sache

19. August 2011 von Matthias Planitzer
Das Berghain feiert sich selbst. Mit einer groß angelegten Ausstellung.
Kubus, Foto: Roland OwsnitzkiKubus, Foto: Roland Owsnitzki

Wer ges­tern in den frü­hen Abend­stun­den das Berg­hain auf­such­te und sich für die län­ge­re der bei­den Schlan­gen ent­schied, war wie hun­der­te ande­re Inter­es­sier­te wegen der Eröff­nung des neu­en Ver­an­stal­tungs­rau­mes »Kubus« im ehe­ma­li­gen Heiz­kraft­werk am Wrie­ze­ner Bahn­hof gekom­men. »Alle«, so der Titel der Eröff­nungs­aus­stel­lung, will die künst­le­ri­sche Sei­te des Clubs auf­spü­ren und ver­eint zu die­sem Zweck mehr als vier­zig Künst­ler und ihre Werke.

Wer jedoch Wolf­gang Till­mans, Marc Bran­den­burg oder Piotr Nathan erwar­te­te, wur­de ent­täuscht: »Alle« baut auf dem künst­le­ri­schen Schaf­fen der Tür­ste­her und Bar­kee­per, Tech­ni­ker, Musi­ker und Rei­ni­gungs­kräf­te auf und will zei­gen, »wie sich die nächt­li­che Arbeit im Berg­hain auf bewuss­te und unbe­wuss­te künst­le­ri­sche Pro­zes­se aus­wirkt und das kol­lek­tiv Erleb­te sicht­bar macht.« Die Erwar­tun­gen waren im Vor­feld dem­entspre­chend betont nied­rig ange­setzt, den­noch konn­te »Alle« mit so man­cher Über­ra­schung aufwarten.

Kubus, Foto: Eric TschernowKubus, Foto: Eric Tschernow

Eines sei vor­weg gesagt: Das Debut des Kubus fand einen sol­chen Andrang, daß kaum die Mög­lich­keit bestand, kei­nes der Wer­ke zu über­se­hen. Manch ein Gale­rist, wäre froh, sei­ne beschei­de­ne­ren Räum­lich­kei­ten der­art anfül­len zu kön­nen, doch die weit­läu­fi­ge Hal­le des Kubus war so schnell von den Besu­cher­strö­men ein­ge­nom­men, daß man ohne jede Über­trei­bung von einem glän­zen­den Start spre­chen dürf­te. Zumin­dest was das öffent­li­che Inter­es­se angeht.

Denn das dürf­te sich nicht zuletzt auf die Räum­lich­kei­ten des Kubus bezo­gen haben, wel­che zuvor dem Publi­kum nicht zugäng­lich waren. Die Archi­tek­tur des Berg­hain, die noch immer jedem neu­en Besu­cher ein beschei­de­nes Gefühl von Ehr­furcht in die Glie­der jagt, soll­te auch im Kubus wie­der­erkenn­bar wer­den. So war es auch eher Gewohn­heit als Über­ra­schung, die indus­tri­ell anmu­ten­de Kulis­se des vor­ma­li­gen Heiz­kraft­werks zu betre­ten. Das Kon­zept von »Alle« hät­te sich aller­dings einem White Cube ver­wehrt; inso­fern hat die neue Ört­lich­keit im pro­gram­ma­ti­schen Sin­ne ihr Nötigs­tes getan und dabei nicht mit Rei­zen gegeizt.

Sarah Schönfeld: MDMASarah Schön­feld: MDMA

Die in aller Regel eben­so pro­gram­ma­tisch aus­ge­rich­te­te Kunst fand dar­in einen idea­len Ort zum Bespie­len, schließ­lich soll­te sie sich ja dem Mythos Berg­hain wid­men, der wie­der ein­mal mit viel Nach­druck pro­pa­giert wur­de. Sarah Schön­feld etwa fer­tig­te zwei groß­for­ma­ti­ge Arbei­ten an, für die dem Titel nach mut­maß­lich MDMA bzw. Hero­in auf Farb­ne­ga­ti­ve auf­ge­bracht wur­de. Der ästhe­ti­sche Wert der bei­den Wer­ke war zwar dank des bizar­ren Far­ben­spiels ein ein­neh­mend hoher, damit sind die Lor­bee­ren jedoch noch nicht ver­dient. Der mit­un­ter affir­ma­tiv anmu­ten­de Pathos der bei­den Wer­ke fin­det einen fah­len Abglanz in der Ober­fläch­lich­keit des seich­ten Gewäs­sers, in denen Schön­feld hier dümpelt.

Die UdK-Meis­ter­ab­sol­ven­tin konn­te sich zwar schon vor »Alle« einen Namen machen, lang­wei­lig war die­se bunt schil­lern­de Dar­bie­tung trotz­dem. Doch Glanz bleibt Glanz und so bleibt das abschlie­ßen­de Urteil ein ver­söhn­li­ches: Zum Berg­hain pas­sen die bei­den Groß­for­ma­te wie kein ande­res Aus­stel­lungs­stück und es wäre nicht ver­wun­der­lich, wenn eines bald einen Platz in der Pan­ora­m­abar, an Til­m­ans Sei­te und mit Blick auf die sich zum Tanz wie­der erstar­ken­de Men­ge bekäme.

Auch ande­re Aus­stel­lungs­teil­neh­mer wähl­ten Sucht und Dro­gen­kon­sum zu ihrem Sujet, jedoch blie­ben die­se durch­weg blaß. Wenn No:sler mit einer Skulp­tur aus Trink­hal­men der stren­gen Geo­me­trie che­mi­scher Git­ter und Struk­tu­ren nach­ei­fert, kann er damit zwar MDMA-Kris­tal­le nach­ah­men, wird sich aller­dings der Kri­tik der Belie­big­keit und man­geln­den Ori­gi­na­li­tät aus­ge­setzt sehen müs­sen. Einem Koka­in­kris­tall aus geroll­ten Bank­no­ten hät­te es an Witz nicht geman­gelt, doch so steht »Sucht und Ord­nung« ein wenig ver­lo­ren zwi­schen den Besu­cher­men­gen und fin­det kei­nen Wider­hall im Publikum.

Dennis Kuhlow: Ohne TitelDen­nis Kuh­low: Ohne Titel

Eben­falls vor­her­seh­bar war die Anzahl Bei­trä­ge, die dem Mythos des Clubs als Tem­pel für hem­mungs­lo­sen Sex nach­spür­ten. So war es eben­so wenig über­ra­schend, daß es ihnen durch­weg an Sub­stanz fehl­te und sie sich nicht ein­mal als Schock­ob­jek­te insze­nie­ren und wenigs­tens auf die­se Wei­se um Auf­merk­sam­keit rin­gen konn­ten. Wer glaubt, das (Berghain-)Publikum mit Mas­tur­ba­ti­ons­sze­nen aus der Reser­ve locken zu kön­nen, wird sich damit auch nur an Seh­ge­wohn­hei­ten anschmie­gen kön­nen und eben­so blaß blei­ben wie selbige.

Neben dem obli­ga­to­ri­schen Bei­trag Sven Mar­quardts, der auch ohne Bezeich­nung schnell als sol­cher iden­ti­fi­ziert wer­den kann, fal­len eine Hand­voll dezen­te­rer Arbei­ten aus dem Feld der effekt­hei­schen­den Aus­stel­lungs­stü­cke her­aus. Da ist etwa ein kunst­voll gear­bei­te­ter Tep­pich Viron Erol Verts, der klas­si­sche Web­kunst mit geo­me­tri­schen, psy­che­de­lisch ange­hauch­ten Mus­tern ver­eint. Es ist aber vor allem die unbe­ti­tel­te Arbeit Den­nis Kuh­lows, die als unge­lüf­te­tes Geheim­nis im Gedächt­nis bleibt. Ein sich dra­ma­tisch nach oben ver­jün­gen­des, gra­zi­les Bei­stell­tisch­chen wird von einem nicht weni­ger dra­ma­tisch ver­dreh­ten, gänz­lich ver­dreck­ten Hand­tuch gekrönt. Scha­de, daß es an die­ser Stel­le kei­ne Erläu­te­rung gab; es bleibt doch das Gefühl, daß die Arbeit mehr woll­te, als nur in die­sem illus­tren Zir­kus zur Schau gestellt zu werden.

So bleibt der abschlie­ßen­de Ein­druck ein gemisch­ter: Es ist beacht­lich, wie vie­le der Mit­ar­bei­ter des Berg­hain sich tat­säch­lich in der Kunst üben und auf wel­chem tech­ni­schen Niveau sie ver­eint ste­hen. Kei­nes der Expo­na­te fällt durch Dilet­tan­tis­mus auf, – ganz im Gegen­teil :– die Klas­se der Aus­stel­lungs­stü­cke ist durch­weg auf­fal­lend. Natür­lich bemisst sich das nur an der Erwar­tung, es im Regel­fall nicht mit haupt­be­ruf­li­chen Künst­lern zu tun zu haben. Trotz­dem bleibt die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem gemein­sa­men Arbeits­platz in ihrer Ein­fach­heit ent­täu­schend ober­fläch­lich. An die­sem Ein­druck kön­nen auch die weni­gen dezen­ter aus­ge­rich­te­ten Bei­trä­ge nicht viel aus­rich­ten. Den­noch bleibt ein ver­söhn­li­cher Ein­druck: Das Berg­hain hat sich wie­der mal gekonnt selbst in Sze­ne gesetzt. Man darf gespannt sein, wie der Kubus die­ses Image fort­tra­gen und aus­wei­ten wird.

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