»Nothing to see, nothing to hide«, © Mandla Reuter
Die jungen Kuratoren der heute öffnenden Ausstellung »based in Berlin« hätten keinen besseren Ort für ihre groß angelegte Übersichtsschau über Berliner Kunst finden können als das Haus im Monbijoupark. Zuvor befanden sich hier die Studienateliers der Kunsthochschule Weißensee, die kürzlich geräumt wurden, um das Gebäude in wenigen Wochen abreißen zu können. Eine typisch Berliner Anekdote, möchte man fast witzeln. Umso passender jedoch, daß in dem maroden Bau mit Blick auf die altehrwürdige Museumsinsel nun bis Ende Juli eine Ausstellung einzieht, die sich anschickt, das Berliner Etwas in der Kunst aufzuspüren und exemplarisch aufzuzeigen.
»based in Berlin« heißt also nun die Übersicht über mehr als achtzig Künstler, die hier, in den Kunstwerken, im Neuen Berliner Kunstverein, dem Hamburger Bahnhof und der Berlinischen Galerie ein Forum finden. Insgesamt 1250 von ihnen – allesamt produzieren sie an der Spree – sind dem offenen Aufruf des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit gefolgt und reichten ihre Portfolios ein. Das fünfköpfige Kuratorenteam, bestehend aus Angelique Campens, Fredi Fischli, Magdalena Magiera, Jakob Schillinger und Scott Cameron Weaver sichteten jedes einzelne davon und konnten dabei auf die prominente Unterstützung von Hans-Ulrich Obrist, Klaus Biesenbach und Christine Macel zurückreifen. Am Ende steht eine Ausstellung, die neben einigen Performances, Lesungen und Filmabenden den Anspruch behauptet, einen Überblick über aktuelle Tendenzen der Berliner Kunst zu bieten.
Was ist »based in Berlin« also nun geworden? Ein Streiflicht auf die Berliner Kunstszene? Eine Ergänzung zum Gallery Weekend? Oder nur ein weitere Etappe auf dem Weg zu einer echten Kunsthalle?
»Nothing to see, nothing to hide«, © Mandla Reuter
»Die Ausstellung soll sich für ein breites Publikum öffnen«, forderte Wowereit noch auf der Pressekonferenz und erklärte gleich, daß hierfür das Atelierhaus im Monbijoupark wie geschaffen sei: Es »werden andere Besucher erreicht«, die vorbeikommen und »hineinstolpern« würden. Dafür hat Mandla Reuter jedenfalls Sorge getragen. Der Künstler lieferte mit »Nothing to see, nothing to hide« den wohl programmatisch passendsten Beitrag, indem er kurzerhand die Nordwand des Gebäudes im Monbijoupark einreißen ließ. Dahinter wird ein leerer White Cube freigelegt, der nun mit dem Park kommunizieren kann und sich so Berlin und den ahnungslosen Passanten öffnet. Auf diese Weise wird aus dem abgeschlossenen Bau ein Kunstpavillon, der auch äußerlich unterstreicht, daß er stets frei zugänglich ist.
Täglich von zwölf bis zwölf kann der Besucher am zentralen Ausstellungsort an der Oranienburger Straße einen großen Teil der ausgewählten Künstler kennenlernen und wird dabei sicherlich viele neue Namen lesen. Neben den üblichen Insider-Tips – etwa einer weiteren Arbeit über Fiete Stoltes Acht-Tage-Woche oder Cyprien Gaillards Indianer-Kopf – stößt man so auf eine Vielzahl Kunstschaffende, die zuvor oftmals nur Szenekennern bekannt waren.
»Oil Painting«, © Rocco BergerRocco Berger ist vielleicht einer von ihnen; zumindest fällt sein »Oil Painting« unter den anderen Beiträgen sichtbar und vor allem gut riechbar heraus. Altöl läuft aus einem Benzinkanister und rinnt in feinen Bahnen über eine dünne Plastikfolie um dann wieder in einem großen Chemiegefäß aufgefangen zu werden. Ein Ventilator bläht die Folie leicht auf und zwingt das Öl, in filigranen Bahnen über die so geschaffene Leinwand zu fließen.
Rocco Bergers »Oil Painting« ist gerade in dem Punkt bemerkenswert, daß es sich ganz seines Schöpfers entsagt: Kein versierter Meister, kein erfahrener Künstler ist nötig, um dieses Ölgemälde zu erschaffen. »Oil Painting« ist sein eigener Maler, ist Ergebnis eines technologischen Konstrukts, das die menschliche Hilfe nur braucht, um ins Leben gerufen zu werden. Berger hält sich zwar aus dem eigentlichen Malprozess heraus, allerdings ist er in einem Punkt überaus präsent: Dem beißenden Sarkasmus, ein Ölgemälde – Inbegriff der Hochkultur – mit gewöhnlichem Altöl den technischen Möglichkeiten zu unterwerfen. Darin erkennt man mitunter eine offene, düstere Auslegung Walter Benjamins oder fühlt sich auch einfach nur in eine Kfz-Werkstatt versetzt. Der Ölgestank jedenfalls dürfte das eine wie auch das andere begünstigen.
»Melody Malady«, © Simon Dybbroe Møller
Wer sich mit dem theoretischen Überbau des bürgerlichen Kunstbegriff schwer tun, der wird an Simon Dybbroe Møllers Performance gefallen finden. In »Melody Malady« sitzt ein junger Mann an einem Flügel, allerlei klassische Literatur und Meilensteine der Philosophie sind auch versammelt. Er liest in einem der Bücher, man sieht ihm die Anstrengung über der trockenen Lektüre an. Jedes Mal, wenn ein entsprechender Buchstabe im Text erscheint, spielt er einen Ton.
So erfüllt eine apathische Melodie den Ostflügel des Hamburger Bahnhofs und erzählt von der Tristesse der humanistischen Bildung. Auch sonst widmet sich der Ausstellungsteil an der Invalidenstraße den Schattenseiten der gutbürgerlichen Kultur und den klassischen Kunstbegriffen. Maria Loboda etwa häuft auf einem nobel geschmückten Esstisch 118 säuberlich gerollte Servietten an und lässt sie als Träger eines Codes eine andere Sprache sprechen. Shahryar Nashat inszeniert ein Reiterdenkmal ohne Reiter, einen Sockel, der seine Funktion überdauert. Nina Beier dagegen schließt den Kreis und baut aus geköpften Statuen Regalsysteme, die wiederum in ihrer Gänze den Charakter einer Skulptur einnehmen.
based in Berlin
So verfolgt jeder der fünf Standorte eine andere Richtung: Der Neue Berliner Kunstverein zeigt vornehmlich Videoarbeiten und widmet sich narrativen Schemata, die Berlinische Galerie dokumentiert einen pikanten archäologischen Fund und seine weitreichenden Folgen, während das KW Institut wie auch das Atelierhaus im Monbijoupark eine bunte Mischung verschiedener Stile und Ansätze präsentieren. Diese Schwerpunkte erleichtern jedenfalls den portionierten Kunstgenuss ungemein.
Bei all dieser Vielfalt vermisst man doch den roten Faden, obgleich Jakob Schillinger klar stellt, daß es sich bei »based in Berlin« bewusst um keine kuratierte Auswahl handle. So entdeckt man zwar jede der ausgestellten Arbeiten für sich allein genommen, ist aber nach einem Besuch aller Ausstellungsorte schnell erschöpft. Ein Blick auf die Website oder in den Katalog lohnt in jedem Falle; so lässt sich jedenfalls am besten abschätzen, welche der vielen Beiträge am interessantesten scheinen. Aber auch wenn »based in Berlin« ein breites Spektrum Berliner Gegenwartskunst zeigt: Sofort begeistern können mehrheitlich leider nur die Künstler, die auch vorher schon einen Namen hatten – viele Neuentdeckungen sollte man jedenfalls nicht erwarten.
Eine Frage kann jedoch auch »based in Berlin« nicht klären: Wie kann diese Stadt die hier produzierte Kunst umfassend und ansprechend präsentieren und dabei ihrer Rolle als Kunstmetropole gerecht werden? Die jüngste Übersichtsschau deutet immerhin eines an: Leicht wird es nicht. Dafür ist einfach zu viel los in dieser Stadt.