Warum Berlin eine Kunsthalle braucht

27. Oktober 2010 von Matthias Planitzer
Wir bauen uns eine Kunsthalle, mit festeren Mauern als zuvor (via) Dem geneigten Leser dürfte es mitunter schon aufgefallen sein, dass mir junge Berliner Kunst besonders am Herzen liegt. Nicht nur, dass der Fokus dieses Blogs auf Berliner Ausstellungen und der dort gezeigten Künstler liegt, auch Kunst aus Berlin kehrt hier immer wieder. Obgleich ich mittlerweile nicht mehr gezielt darauf hinweise, macht doch Werke von jungen, relativ unbekannten Künstlern, die in Berlin wohnen und arbeiten, das Gros der hier vorgestellten Arbeiten aus. Dass die junge Künstlergeneration keine nennenswerte Förderung erhält, ist hinlänglich bekannt. Doch in Berlin gelten andere Maßstäbe, in diesem Mekka für Kunstschaffende und -liebhaber hat man es schon allein wegen der großen Konkurrenz besonders schwer, sich am Markt und damit in den Köpfen der Kunstinteressierten zu etablieren. Dabei müssen sich die Berliner Künstler keineswegs verstecken. In der Tat leben und arbeiten neben vielen internationalen Größen sehr viele hochtalentierte, doch leider unmaßstäblich unbekannte Kunstschaffende, die sich in einem Vakuum aufhalten, der sich zwischen den führenden Galeristen und den Klein- und Kleinstgalerien aufspannt. Das Potential dieser vergessenen Fraktion ist riesig, wird jedoch leider kaum gewürdigt. Es gibt in Berlin keinen Raum für diese Künstler, damit auch kein Forum und keine Plattform für ihre Kunst. In anderen Städten übernehmen städtisch geführte Kunsthallen diese Aufgabe, doch in Berlin sucht man nach einer solchen Institution vergeblich. Jedoch: Die Debatte zur Schaffung eines solchen Raumes wird schon länger geführt und könnte jetzt endlich auf die Probe gestellt werden: Erhält Berlin einen Ort, an dem es sich in der Qualität seiner lokalen Kunst abbilden kann?

Wir bauen uns eine Kunsthalle, mit festeren Mauern als zuvorWir bau­en uns eine Kunst­hal­le, mit fes­te­ren Mau­ern als zuvor (via)

Dem geneig­ten Leser dürf­te es mit­un­ter schon auf­ge­fal­len sein, dass mir jun­ge Ber­li­ner Kunst beson­ders am Her­zen liegt. Nicht nur, dass der Fokus die­ses Blogs auf Ber­li­ner Aus­stel­lun­gen und der dort gezeig­ten Künst­ler liegt, auch Kunst aus Ber­lin kehrt hier immer wie­der. Obgleich ich mitt­ler­wei­le nicht mehr gezielt dar­auf hin­wei­se, macht doch Wer­ke von jun­gen, rela­tiv unbe­kann­ten Künst­lern, die in Ber­lin woh­nen und arbei­ten, das Gros der hier vor­ge­stell­ten Arbei­ten aus.

Dass die jun­ge Künst­ler­ge­nera­ti­on kei­ne nen­nens­wer­te För­de­rung erhält, ist hin­läng­lich bekannt. Doch in Ber­lin gel­ten ande­re Maß­stä­be, in die­sem Mek­ka für Kunst­schaf­fen­de und ‑lieb­ha­ber hat man es schon allein wegen der gro­ßen Kon­kur­renz beson­ders schwer, sich am Markt und damit in den Köp­fen der Kunst­in­ter­es­sier­ten zu etablieren.

Dabei müs­sen sich die Ber­li­ner Künst­ler kei­nes­wegs ver­ste­cken. In der Tat leben und arbei­ten neben vie­len inter­na­tio­na­len Grö­ßen sehr vie­le hoch­ta­len­tier­te, doch lei­der unmaß­stäb­lich unbe­kann­te Kunst­schaf­fen­de, die sich in einem Vaku­um auf­hal­ten, der sich zwi­schen den füh­ren­den Gale­ris­ten und den Klein- und Kleinst­ga­le­rien auf­spannt. Das Poten­ti­al die­ser ver­ges­se­nen Frak­ti­on ist rie­sig, wird jedoch lei­der kaum gewürdigt.

Es gibt in Ber­lin kei­nen Raum für die­se Künst­ler, damit auch kein Forum und kei­ne Platt­form für ihre Kunst. In ande­ren Städ­ten über­neh­men städ­tisch geführ­te Kunst­hal­len die­se Auf­ga­be, doch in Ber­lin sucht man nach einer sol­chen Insti­tu­ti­on ver­geb­lich. Jedoch: Die Debat­te zur Schaf­fung eines sol­chen Rau­mes wird schon län­ger geführt und könn­te jetzt end­lich auf die Pro­be gestellt wer­den: Erhält Ber­lin einen Ort, an dem es sich in der Qua­li­tät sei­ner loka­len Kunst abbil­den kann?

Ein Licht der Hoffnung in der Dunkelheit: die Temporäre KunsthalleEin Licht der Hoff­nung in der Dun­kel­heit: die Tem­po­rä­re Kunst­hal­le (via)

Eigent­lich soll­te es nun allen klar sein: Es besteht die Not­wen­dig­keit einer Ein­rich­tung, die dem brei­ten Publi­kum das künst­le­ri­sche Gesicht die­ser Metro­po­le präsentiert.

Wenn Ber­li­ner Künst­ler von Gale­ris­ten in Groß­bri­tan­ni­en, den USA oder Ita­li­en ver­tre­ten wer­den, sich in alle Win­de zer­streu­en und damit ihre Grund­la­ge als Ver­tre­ter einer Ber­li­ner Bewe­gung in den Hin­ter­grund tritt, kann kaum ein Cha­rak­ter erkenn­bar wer­den, der die­ser Stadt zu eigen ist. Ber­lin ist eben kei­ne Stadt wie jede ande­re und ran­giert im kul­tu­rel­len Bereich zu recht unter ande­ren füh­ren­den Metro­po­len wie Lon­don, Paris, Tokyo oder New York. Nicht zuletzt auch wegen sei­ner Bedeu­tung für den inter­na­tio­na­len Kunst­zir­kus. Die­sem Sta­tus wur­de jedoch bis­her nie aus­rei­chend Rech­nung getra­gen. Bis­her fehl­te eine Insti­tu­ti­on, die mit den nöti­gen wis­sen­schaft­li­chen Mit­teln die aktu­el­len Ten­den­zen in die­ser so leben­di­gen Kunst­sze­ne zu unter­su­chen wagte.

Was macht Ber­li­ner Kunst aus? Die­se Fra­ge kann der­zeit wohl kaum einer fun­diert beantworten.

Gera­de dar­um braucht es eine Ein­rich­tung, die sich mit die­sem Pro­blem beschäf­tigt, dabei die städ­ti­sche Für­sor­ge genießt, jedoch nicht den Zwän­gen einer Behör­de unter­le­gen ist. Klaus Wowe­reits Bemü­hun­gen zur Schaf­fung einer Kunst­hal­le, die gemäß sei­nen Vor­stel­lun­gen mög­li­cher­wei­se die­sem Auf­trag nach­kom­men könn­te, sind durch die Lokal­pres­se hin­läng­lich bekannt und haben — für mich gänz­lich unver­ständ­lich — zu hef­ti­gen Dis­kus­sio­nen geführt.

Die Kri­ti­ker füh­ren an: »Kann sich die­se Stadt in ihrer der­zei­ti­gen Finanz­la­ge über­haupt eine Kunst­hal­le leis­ten, die mehr Geld ver­schlingt als sie je ein­neh­men könn­te?« Die­se Fra­ge ist gänz­lich falsch for­mu­liert. Es soll­te lau­ten: »Die­se Stadt muss sich eine Kunst­hal­le leis­ten, auch trotz aller Spar­zwän­ge. Ber­lin als inter­na­tio­nal bedeut­sa­mer Kul­tur­stand­ort muss end­lich sein Pro­fil schär­fen.« Nicht nur, um für Samm­ler attrak­ti­ver zu wer­den. Die kau­fen bei den Ber­li­ner Gale­ris­ten ohne­hin viel lie­ber die aus­län­di­schen Stars, ihre Ber­li­ner Kol­le­gen kom­men oft­mals zu kurz. Was für die­se Stadt und ihre Kunst­sze­ne jedoch viel wich­ti­ger als stei­gen­de Absät­ze im Kunst­herbst und wäh­rend des Gal­lery Weekends ist, ist ihr Bild im künst­le­risch inter­es­sier­ten Ausland.

Das zeig­te nicht zuletzt auch immer wie­der die Tem­po­rä­re Kunst­hal­le. Von vorn­her­ein als Über­gangs­lö­sung hin zu einer insti­tu­tio­nel­len Kunst­hal­le kon­zi­piert, konn­te sie sich mit atem­be­rau­ben­der Schnel­lig­keit am Ber­li­ner Kunst­him­mel eta­blie­ren und bes­ser als jede ande­re Ein­rich­tung auf­zei­gen, wel­ches unheim­li­che Poten­ti­al in den loka­len Grö­ßen liegt. Erst­mals wur­de hier ein Über­blick über die Kunst unse­rer Stadt gege­ben und ein­drucks­voll ver­mit­telt, wel­che pro­gres­si­ven und expe­ri­men­tel­len Posi­tio­nen in Ber­lin leben­de Künst­ler ver­tre­ten. Zu sehen war ein hoch­qua­li­ta­ti­ver, nie lang­wei­li­ger Mix aus unter­schied­lichs­ten Ten­den­zen der hier arbei­ten­den Künst­ler. Die Tem­po­rä­re Kunst­hal­le mach­te klar: Die­ses Pro­jekt muss wei­ter­ge­führt wer­den. Der gro­ße Ver­dienst war es, das Bedürf­nis nach einer ordent­li­chen Kunst­hal­le zu vergrößern.

Klaus Wowereit: Allein auf weiter FlurKlaus Wowe­reit: Allein auf wei­ter Flur (via)

Die Fra­ge nach dem Danach wur­de schon lan­ge vor dem Aus des auf nur zwei Jah­re aus­ge­leg­ten Kunst­qua­ders auf dem Schloss­platz laut. Die Poli­tik zeig­te sich mür­risch, eini­ge Ein­zel­ak­teu­re set­zen sich wei­ter­hin für eine ordent­li­che Kunst­hal­le ein.  Nun ist es wie­der der Regie­ren­de Bür­ger­meis­ter, der mit sei­nem jüngs­ten Auf­ruf ein Zei­chen setzt. Er strebt eine Bestands­auf­nah­me Ber­li­ner Künst­ler an und for­dert die­se auf, bis Mit­te Dezem­ber eine reprä­sen­ta­ti­ve Aus­wahl ihrer Wer­ke ein­zu­rei­chen. Sei­ne Absich­ten macht er wie­der ein­mal unmiss­ver­ständ­lich klar:

»Mit die­ser Bestands­auf­nah­me wol­len wir die Debat­te um eine stän­di­ge Ber­li­ner Kunst­hal­le bele­ben und so qua­li­fi­zie­ren, dass Senat und  Abge­ord­ne­ten­haus mit dem nächs­ten Haus­halt eine Ent­schei­dung fäl­len kön­nen. Ziel ist es, die Pro­duk­ti­on ins­be­son­de­re jun­ger Ber­li­ner Künst­ler zu sich­ten und mit Blick dar­auf die Mög­lich­kei­ten und Anfor­de­run­gen an eine räum­li­che Prä­sen­ta­ti­on auszuloten.«

Ein ambi­tio­nier­tes Vor­ha­ben, das hof­fent­lich eine rege Teil­nah­me der Ber­li­ner Künst­ler anregt. Es bleibt jeden­falls zu hof­fen, dass Kunst­schaf­fen­de wie Poli­tik die­se Gele­gen­heit zur Schaf­fung einer Ber­li­ner Kunst­hal­le nicht verpassen.