Wir bauen uns eine Kunsthalle, mit festeren Mauern als zuvor (via)
Dem geneigten Leser dürfte es mitunter schon aufgefallen sein, dass mir junge Berliner Kunst besonders am Herzen liegt. Nicht nur, dass der Fokus dieses Blogs auf Berliner Ausstellungen und der dort gezeigten Künstler liegt, auch Kunst aus Berlin kehrt hier immer wieder. Obgleich ich mittlerweile nicht mehr gezielt darauf hinweise, macht doch Werke von jungen, relativ unbekannten Künstlern, die in Berlin wohnen und arbeiten, das Gros der hier vorgestellten Arbeiten aus.
Dass die junge Künstlergeneration keine nennenswerte Förderung erhält, ist hinlänglich bekannt. Doch in Berlin gelten andere Maßstäbe, in diesem Mekka für Kunstschaffende und ‑liebhaber hat man es schon allein wegen der großen Konkurrenz besonders schwer, sich am Markt und damit in den Köpfen der Kunstinteressierten zu etablieren.
Dabei müssen sich die Berliner Künstler keineswegs verstecken. In der Tat leben und arbeiten neben vielen internationalen Größen sehr viele hochtalentierte, doch leider unmaßstäblich unbekannte Kunstschaffende, die sich in einem Vakuum aufhalten, der sich zwischen den führenden Galeristen und den Klein- und Kleinstgalerien aufspannt. Das Potential dieser vergessenen Fraktion ist riesig, wird jedoch leider kaum gewürdigt.
Es gibt in Berlin keinen Raum für diese Künstler, damit auch kein Forum und keine Plattform für ihre Kunst. In anderen Städten übernehmen städtisch geführte Kunsthallen diese Aufgabe, doch in Berlin sucht man nach einer solchen Institution vergeblich. Jedoch: Die Debatte zur Schaffung eines solchen Raumes wird schon länger geführt und könnte jetzt endlich auf die Probe gestellt werden: Erhält Berlin einen Ort, an dem es sich in der Qualität seiner lokalen Kunst abbilden kann?
Ein Licht der Hoffnung in der Dunkelheit: die Temporäre Kunsthalle (via)
Eigentlich sollte es nun allen klar sein: Es besteht die Notwendigkeit einer Einrichtung, die dem breiten Publikum das künstlerische Gesicht dieser Metropole präsentiert.
Wenn Berliner Künstler von Galeristen in Großbritannien, den USA oder Italien vertreten werden, sich in alle Winde zerstreuen und damit ihre Grundlage als Vertreter einer Berliner Bewegung in den Hintergrund tritt, kann kaum ein Charakter erkennbar werden, der dieser Stadt zu eigen ist. Berlin ist eben keine Stadt wie jede andere und rangiert im kulturellen Bereich zu recht unter anderen führenden Metropolen wie London, Paris, Tokyo oder New York. Nicht zuletzt auch wegen seiner Bedeutung für den internationalen Kunstzirkus. Diesem Status wurde jedoch bisher nie ausreichend Rechnung getragen. Bisher fehlte eine Institution, die mit den nötigen wissenschaftlichen Mitteln die aktuellen Tendenzen in dieser so lebendigen Kunstszene zu untersuchen wagte.
Was macht Berliner Kunst aus? Diese Frage kann derzeit wohl kaum einer fundiert beantworten.
Gerade darum braucht es eine Einrichtung, die sich mit diesem Problem beschäftigt, dabei die städtische Fürsorge genießt, jedoch nicht den Zwängen einer Behörde unterlegen ist. Klaus Wowereits Bemühungen zur Schaffung einer Kunsthalle, die gemäß seinen Vorstellungen möglicherweise diesem Auftrag nachkommen könnte, sind durch die Lokalpresse hinlänglich bekannt und haben — für mich gänzlich unverständlich — zu heftigen Diskussionen geführt.
Die Kritiker führen an: »Kann sich diese Stadt in ihrer derzeitigen Finanzlage überhaupt eine Kunsthalle leisten, die mehr Geld verschlingt als sie je einnehmen könnte?« Diese Frage ist gänzlich falsch formuliert. Es sollte lauten: »Diese Stadt muss sich eine Kunsthalle leisten, auch trotz aller Sparzwänge. Berlin als international bedeutsamer Kulturstandort muss endlich sein Profil schärfen.« Nicht nur, um für Sammler attraktiver zu werden. Die kaufen bei den Berliner Galeristen ohnehin viel lieber die ausländischen Stars, ihre Berliner Kollegen kommen oftmals zu kurz. Was für diese Stadt und ihre Kunstszene jedoch viel wichtiger als steigende Absätze im Kunstherbst und während des Gallery Weekends ist, ist ihr Bild im künstlerisch interessierten Ausland.
Das zeigte nicht zuletzt auch immer wieder die Temporäre Kunsthalle. Von vornherein als Übergangslösung hin zu einer institutionellen Kunsthalle konzipiert, konnte sie sich mit atemberaubender Schnelligkeit am Berliner Kunsthimmel etablieren und besser als jede andere Einrichtung aufzeigen, welches unheimliche Potential in den lokalen Größen liegt. Erstmals wurde hier ein Überblick über die Kunst unserer Stadt gegeben und eindrucksvoll vermittelt, welche progressiven und experimentellen Positionen in Berlin lebende Künstler vertreten. Zu sehen war ein hochqualitativer, nie langweiliger Mix aus unterschiedlichsten Tendenzen der hier arbeitenden Künstler. Die Temporäre Kunsthalle machte klar: Dieses Projekt muss weitergeführt werden. Der große Verdienst war es, das Bedürfnis nach einer ordentlichen Kunsthalle zu vergrößern.
Klaus Wowereit: Allein auf weiter Flur (via)
Die Frage nach dem Danach wurde schon lange vor dem Aus des auf nur zwei Jahre ausgelegten Kunstquaders auf dem Schlossplatz laut. Die Politik zeigte sich mürrisch, einige Einzelakteure setzen sich weiterhin für eine ordentliche Kunsthalle ein. Nun ist es wieder der Regierende Bürgermeister, der mit seinem jüngsten Aufruf ein Zeichen setzt. Er strebt eine Bestandsaufnahme Berliner Künstler an und fordert diese auf, bis Mitte Dezember eine repräsentative Auswahl ihrer Werke einzureichen. Seine Absichten macht er wieder einmal unmissverständlich klar:
»Mit dieser Bestandsaufnahme wollen wir die Debatte um eine ständige Berliner Kunsthalle beleben und so qualifizieren, dass Senat und Abgeordnetenhaus mit dem nächsten Haushalt eine Entscheidung fällen können. Ziel ist es, die Produktion insbesondere junger Berliner Künstler zu sichten und mit Blick darauf die Möglichkeiten und Anforderungen an eine räumliche Präsentation auszuloten.«
Ein ambitioniertes Vorhaben, das hoffentlich eine rege Teilnahme der Berliner Künstler anregt. Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass Kunstschaffende wie Politik diese Gelegenheit zur Schaffung einer Berliner Kunsthalle nicht verpassen.