Berliner Kunstsalon
Bereits heute begann für mich die Messewoche, schließlich lud die siebte Ausgabe des Berliner Kunstsalons zum Pressebrunch und bot schon vorab Einblicke, was die Besucher die kommenden Tage erwarten solle. Es wurde zwar noch viel gewerkelt und gebaut, doch natürlich ließ ich es mir nicht nehmen, durch die Halle zu wandeln und mich nach mir bisher unbekannten, interessanten Künstlern umzuschauen, von denen — so viel darf ich verraten — einige hier ihre Arbeiten ausstellen.
Welche Eindrücke ich vorab der offiziellen Vernissage sammeln konnte: dies und mehr gibt’s nach dem Klick.
Ein Blick in die alten Hallen des Zentralvieh- und Schlachthofes
Unbekannte Künstler gab es jedenfalls reichlich, nur wenige bekannte Namen findet man auf der 47 Einträge fassenden Liste. Das brachte immerhin den Vorteil mit sich, frei von Stand zu Stand flanieren zu können und sich vorurteilslos auf die Kunst einlassen zu können. Diese wurde nämlich in recht vielfältiger Ausprägung geboten. So begrüßt den Besucher Sven Lückes neunteilige Serie von abstrakten Malereien, die man am besten (und psychedelischsten) mit 3D-Brillen begutachtet. Auch der Kunstsalon geht also mit der Zeit.
Dann taucht man jedoch schnell wieder in die Vergangenheit ab, wenn man inmitten der großen Halle des alten Zentralvieh- und Schlachthofes steht, der von außen so unscheinbar wirkt. Das von der warmen Deckenbeleuchtung unterstützte Tageslicht fällt durch von Graffiti übersäte Fenster auf den großen Innengang und trägt nicht unmaßgeblich zur Atmosphäre bei, die einen gewissen Industriecharme zu Eigen hat. Was wohl die Macher der STROKE.03 dazu denken mögen, dass ihnen eine solche Location entgangen ist? Diese Frage konnte ich leider nicht klären.
»Testing the brave new world«, © Frauke Danzer
Es war Zeit für einen Rundgang: Man sieht viel Unscheinbares, wohl auch viel Kunst, die nicht ohne Grund bisher kaum bekannt war, doch ab und an schillern Juwelen aus der engen Folge der Messestände und vollbehangenen Wände hervor. So etwa die bizarren Arbeiten von Frauke Danzer, die mit puppenartigen Figuren arbeitet, welche immer wieder in ihren Plastiken und Fotografien auftauchen. Teils mit Hühnerkörpern oder in Nestern angeordnet, adressieren sie so brisante Themen wie künstliche Reproduzierbarkeit von Lebewesen, Klonen von Menschen mit einer dystopischen Note, die wohl am besten in einem der Werktitel zum Ausdruck kommt: »Testing the brave new world«.
Einige Stände weiter präsentiert die Galerie Kuhn & Partner mit einer Auswahl ihrer Künstler das Thema »Sex in der Kunst« und zeigt so etwa anfänglich pervers oder verstörend anmutende Fotografien von Andres Fux, darunter gepiercte und korsettartig verschnürte Venushügel (»Christine«) oder extravagante Intimtattoos (»Nico«).
Teil von »Bruderkunst Werkstatt«, © Dimitri Vrubel und Victoria Timofeeva
Mein persönliches Highlight ist jedoch ein anderes. Das Künstlerehepaar Dimitri Vrubel und Victoria Timofeeva, das den meisten wohl besser durch ihre Darstellung der sich innig küssenden Breschnew und Honecker an der East Side Gallery bekannt sein dürfte, beschäftigt sich aufgrund eigener Erfahrungen als in Deutschland lebende Ausländer mit dem jüngsten Wirbel um Thilo Sarrazin und sein Buch.
Mit Kohlestift zeichneten sie Pressefotos des Politikers sowie Fotos diverser Ausländer nach, fügten autobiografische Texte hinzu und stellen so die zwei Perspektiven des Immigrationsproblems gegenüber. Harte Einsichten in die Realität, die einbürgerungswillige Einwanderer in Deutschland Tag für Tag erleben. Vrubel und Timofeeva liegt das Problem offensichtlich am Herzen, erfuhren sie doch selbst, welche Hürden Immigranten in Deutschland zu nehmen haben.
Die beiden Künstler wollen jedoch keine Kritik an Sarrazin üben, sie wollen die Gesellschaft zum Diskurs anregen. Dazu wollen sie bald ein Projekt ins Leben rufen, das es jedem ermöglichen soll, die im Berliner Kunstsalon ausgestellten und weitere Werke selbst auszudrucken und etwa an Häuserfassaden anzubringen. Wie das aussehen könnte, wird etwa am Beispiel eines Marzahner Plattenbaus verdeutlicht, dessen Giebel das Porträt Sarrazins sowie ein weiterer, markiger Einblick in den Immigrantenalltag in Spruchform ziert.
Ein freies, öffentliches Projekt also, das auch vorsieht, dass in Schulen und anderen offenen Foren zur Diskussion geladen wird. Auch Thilo Sarrazin soll eingeladen werden. Was der davon hält, wissen die beiden jedoch auch noch nicht…
Der Berliner Kunstsalon wird auch dieses mal seinem Anspruch gerecht, neue, bisher unbekannte Künstler und ihre Positionen vorzustellen. Natürlich lässt sich dabei nicht vermeiden, dass auch einiges zum Vorschein kommt, was vielleicht noch nicht reif genug für die große Bühne der Kunstwelt ist, doch das wird allemal durch einige Perlen entschädigt, die wohl nur die wenigsten Besucher vorher kannten. Ob dieses Versprechen auch die anderen Kunstmessen auch einlösen können, wird sich zeigen: Morgen gibt es mehr!
Der 7. Berliner Kunstsalon findet vom
6. bis 10. Oktober von 14:00 bis 22:00 Uhr, am Sonntag bis 20:00 Uhr statt,
die Vernissage war heute ab 17:00 Uhr (bis open end) zugange.
Der Eintritt kostet 8,00 bzw. 6,00 €, wenn man sich in der
a.station / Zentraler Vieh- und Schlachthof am S‑Bhf Landsberger Allee einfindet.