Die Kunstjugend stellt sich vor: »Just do it«, © Peter de Meyer
Jung, frisch und perspektivreich: das ist die Kunst, die sich auf der Preview vorstellt. Die »Emerging Art Fair« verschreibt sich seit jeher den jungen, aufstrebenden Künstlern und ist mittlerweile fest am Berliner Kunstmarkt etabliert. Die diesjährige Ausgabe — es ist die sechste bisher — zeigt wieder bisher größtenteils unbekannte Kunst und bringt sie in einer kontrastreichen Melange zusammen, die für viel Lebhaftigkeit und einige Überraschungen sorgt.
Heute früh durfte ich einen ersten Rundgang über die noch in den letzten Vorbereitungen steckende Messe auf dem Gelände des ehemaligen Flughafen Tempelhof unternehmen und habe einige Eindrücke gewinnen können, die mich zu meinem vorläufigen Fazit über den Berliner Kunstherbst 2010 führen: Wer nur eine der sieben Messen besuchen will, der sollte zur Preview gehen. Warum das so ist und was mir besonders im Gedächtnis geblieben ist? Mehr dazu im folgenden Bericht.
Auch die Mitarbeiter der Tokyoter G/P Gallery wissen den Loungebereich zu schätzen
Wer den Weg zum Hangar 2 gefunden hat, der kommt erst einmal aus dem Staunen nicht heraus: Diese Halle ist wie gemacht für Messen wie die Preview. Diese präsentiert hier nämlich sechzig Aussteller aus 19 Ländern, deren Messestände von der luftigen Leichtigkeit des Raumes profitieren und so dem Messestress entgegenwirken. Auch sonst legt man viel wert auf eine gelassene Stimmung. Im Zentrum der Messe wurde eine großzügige Lounge-Landschaft angelegt, die Kuratoren geben sich betont lässig.
So beginnt die Entdeckungstour durch das Messegelände mit besten Startbedingungen. Kurator Jan Jarmuschek, dessen Galerie ebenfalls vertreten ist, lässt wissen, dass die Preview »weg von einer Inszenierung, hin zu einer konkreten Auseinandersetzung« mit der Kunst möchte und nennt dafür beispielhaft das Sammlergespräch, das am Samstagabend stattfinden solle. Auch das Loungekonzept sei eine Möglichkeit, diesem Anspruch gerecht zu werden und Kontakte zwischen Besuchern und Ausstellern wie Künstlern zu fördern.
Ebenfalls stolz sind die vier Macher der Preview auf ihr Kurationskonzept, das einerseits ebenso wie das art forum einen besonderen Fokus auf Ost-Europa setzt, aber auch weniger finanzkräftigen Galerien einen Platz auf der Messe einräumt. Das mache die besondere Mischung aus, die auch dadurch verstärkt wird, dass man dieses Jahr auf eine aufwendige Zuteilung der Messestände verzichtet habe. Jeder Stand hat hier die gleiche Größe, die Plätze wurden durch das Losverfahren vergeben. So finden sich dann oftmals sehr unterschiedliche Arbeiten in direktem Kontakt und mit hohem Kontrast wieder, anderswo entschied das Glück, dass Fassadenkunst auf einem Haufen gezeigt wird oder die beiden Frankfurter Galerien Maurer und Leuenroth sich nicht nur daheim, sondern auch auf der Messe Nachbarn sind.
© Daniel Behrendt
Der Messestand der Letztgenannten zieht mit zwei großformatigen Gemälden von trist wirkenden Gebäudefassaden reichlich Aufmerksamkeit auf sich. Daniel Behrendt fertigte diese und andere Malereien in diversen Großstädten an, wo er gezielt nach solchen Orten sucht und sie dann in seinen Werken abbildet. Mit gesetzten Farben fängt er in seinen auf den ersten Blick akzentlos wirkenden Arbeiten eine Stimmung ein, die man wohl am besten als Großstadttristesse bezeichnet. Die Anonymität der Großsiedlung findet in den grauen Fassaden ihren Spiegel, wird doch aber gleichzeitig durch die Frage durchbrochen, was sich wohl dahinter befindet.
Einzelne Fenster durchbrechen seine Bilder, die die einzige Verbindung zum persönlichen Inneren der Gebäude darstellen, doch aber eine Antwort schuldig bleiben. In anderen Arbeiten sind es Balkone oder Sonnenschirme, die dem Grau der Wohnsituation einen vagen Touch von Persönlichkeit geben; eine Persönlichkeit, die schnell das gesamte Gebäude ergreift und somit Behrendts Gemälde zu Architekturporträts werden lässt, wie man sie in ähnlicher Form von Gerrit Engel kennt.
»small world«, © Mitja Ficko
Ein Stück weiter kann man dagegen das Kontrastprogramm zu Behrendts tristem Grau erleben: Der slowenische Künstler Mitja Ficko, vertreten durch die Equrna Gallery aus Ljubljana, erstellt märchenhafte Bilder, die vor Farben nur so strotzen. Die auf der Preview zu sehenden Arbeiten erinnern unweigerlich an Grimms Märchen: Geheimnisvolle Wälder, in denen es zu spuken scheint, wilde Tiere und eine heimelige Stimmung, die man so nur aus Kindertagen kennt, vereinen sich in Werken wie dem Triptychon »small world«.
Kleine Hütten, kaum mehr als Baracken verweisen auf ein elfenhaftes Volk, das auf dem Waldboden wohnt und dem ein spiegelbildliches Gegenstück in den Baumkronen entgegengesetzt wird. Doch was hier so märchenhaft daherkommt, ist weniger als harmlos als es scheint: Zwischen den Bäumen verstecken sich Bösewichter, die Tiefe des Waldes hallt im bedrohlichen Dunkel der Leinwand wieder und wären da nicht die hell erleuchteten Häuser am unteren Bildrand, würde sich diese Horrorvision über das ganze Bild erstrecken.
»Just do it«, © Peter de Meyer
Doch die Preview wäre nicht die lockere, jugendliche Messe der Kontraste, hätte man nicht auch selbst-ironisch Werke wie »Just do it« des überaus talentierten Belgiers Peter de Meyer für sich gewonnen. Am Stand von Geukens & De Vil aus Antwerpen wird diese Arbeit gezeigt, die den allgemeinen Jugendwahn aufs Korn nimmt. Lediglich ein gewöhnlicher Gehstock und der bekannte Nike-Slogan reichen aus, um die zynische Aussage auf den Punkt zu bringen.
Lohnenswert ist auch ein Blick in den hier ausliegenden Katalog de Meyers, der noch viele weitere humorvolle Arbeiten versammelt, darunter ein aus dem Sportunterricht bekannter Sprungbock, der wie ein totes Pferd auf dem Boden liegt, eine Schallplatte ohne Loch und andere Werke, die die paradoxen Gegensätze im Alltag aufspüren und so lange reduzieren, bis ein in Sarkasmus und Zynismus getränktes Ergebnis entsteht.
Was von der Preview bleibt, ist der Eindruck, dass es noch viel zu entdecken gibt. Viele junge Künstler strotzen vor neuen Ideen und frischen Ansätzen, junge Galeristen wie Maria Veie (deren Stand einer der auffälligsten sein dürfte) sprühen vor Enthusiasmus und wissen, diese noch unentdeckten Künstler behutsam und kraftvoll zugleich zu fördern. Die »Emerging Art Fair« wird ihrem Titel absolut gerecht und ist für mich in diesem Berliner Kunstherbst die Messe mit den meisten Überraschungen und Eindrücken.
Wer dem nachempfinden will, der sollte sich die
6. Preview Berlin
vom 8. bis 10. Oktober von 13:00 bis 20:00 Uhr nicht entgehen lassen.
Die Vernissage findet heute, am 7. Oktober von 18:00 bis 22:00 Uhr statt und ist für den
Eintritt von 10,00 bzw. 6,00 € am
Flughafen Tempelhof im Hangar 2 zugänglich (unbedingt den Geländeplan beachten!)
Mein Geheimtipp: An dem Stand, der mit dem vielen bunten Bastelpapier behangen ist, fragen, ob ihr die Bilderrahmen anheben dürft… (Der Name des Ausstellers ist mir leider entfallen.)