Ein Markt für das Künstlerprekariat

12. September 2010 von Matthias Planitzer
Einzelausstellung für 1,99 € Es ist schon eine Weile her, dass man im Monopol-Magazin ein Interview mit Chris Dercon, dem designierten Kurator der Tate Modern, über die derzeitige ökonomische Lage in der Kunst las. Er sprach darin vom "Künstlerprekariat", das sich selbst ausbeute, um um jeden Preis gehört und anerkannt zu werden. "Das größte Problem ist die Disponibilität der Leute", sagt er und spricht sich im nächsten Moment gegen die unentgeltliche Leistung von (künstlerischen, gestalterischen, redaktionellen) Diensten aus. Berlin sieht er als Keimzentrum dieser gegenwärtigen Entwicklungen. Das überaus lesenswerte Interview gibt eine interessante Sicht auf die derzeitigen Tendenzen in der Kunst: Heutzutage ist es so einfach wie nie zuvor, selbst künstlerisch oder gestalterisch tätig zu werden, was auch viele veranlasst, ihren Vorstellungen Ausdruck zu verleihen und ihre Ideen umzusetzen. Natürlich können sich nur die wenigsten dieser ambitionierten Hobbykünstler am Markt, sprich: bei den Galerien etablieren, was bei einigen, die dieses Ziel hartnäckig genug verfolgen zur von Dercon geschilderten Prekarisierung und Selbstausbeutung führt. Diese Schwemme an erfolglosen, meist unausgebildeten Amateurkünstlern öffnet freilich einen Markt, der die Bedürfnisse dieser Zielgruppe erkennt und befriedigt. So gibt es etwa die ersten Galerien, die sich ausschließlich diesem Kreis an Künstlern widmen - oftmals mit ungewöhnlichen Methoden und fragwürdigem Nutzen für die ausgestellten Künstler.

Einzelausstellung für 1,99 €Ein­zel­aus­stel­lung für 1,99 €

Es ist schon eine Wei­le her, dass man im Mono­pol-Maga­zin ein Inter­view mit Chris Der­con, dem desi­gnier­ten Kura­tor der Tate Modern, über die der­zei­ti­ge öko­no­mi­sche Lage in der Kunst las. Er sprach dar­in vom »Künst­ler­pre­ka­ri­at«, das sich selbst aus­beu­te, um um jeden Preis gehört und aner­kannt zu wer­den. »Das größ­te Pro­blem ist die Dis­po­ni­bi­li­tät der Leu­te«, sagt er und spricht sich im nächs­ten Moment gegen die unent­gelt­li­che Leis­tung von (künst­le­ri­schen, gestal­te­ri­schen, redak­tio­nel­len) Diens­ten aus. Ber­lin sieht er als Keim­zen­trum die­ser gegen­wär­ti­gen Entwicklungen.

Das über­aus lesens­wer­te Inter­view gibt eine inter­es­san­te Sicht auf die der­zei­ti­gen Ten­den­zen in der Kunst: Heut­zu­ta­ge ist es so ein­fach wie nie zuvor, selbst künst­le­risch oder gestal­te­risch tätig zu wer­den, was auch vie­le ver­an­lasst, ihren Vor­stel­lun­gen Aus­druck zu ver­lei­hen und ihre Ideen umzu­set­zen. Natür­lich kön­nen sich nur die wenigs­ten die­ser ambi­tio­nier­ten Hob­by­künst­ler am Markt, sprich: bei den Gale­rien eta­blie­ren, was bei eini­gen, die die­ses Ziel hart­nä­ckig genug ver­fol­gen zur von Der­con geschil­der­ten Pre­ka­ri­sie­rung und Selbst­aus­beu­tung führt.

Die­se Schwem­me an erfolg­lo­sen, meist unaus­ge­bil­de­ten Ama­teur­künst­lern öff­net frei­lich einen Markt, der die Bedürf­nis­se die­ser Ziel­grup­pe erkennt und befrie­digt. So gibt es etwa die ers­ten Gale­rien, die sich aus­schließ­lich die­sem Kreis an Künst­lern wid­men — oft­mals mit unge­wöhn­li­chen Metho­den und frag­wür­di­gem Nut­zen für die aus­ge­stell­ten Künstler.

Die Neon Chocolate GalleryDie Neon Cho­co­la­te Gallery

Ein Bei­spiel dafür ist die Neon Cho­co­la­te Gal­lery, die hier in Ber­lin schon einen gewis­se Bekannt­heit erlangt hat. Das Prin­zip der Gale­rie ist Schnell­le­big­keit: bis zu drei Ver­nis­sa­gen fin­den pro Woche statt. Die Aus­stel­lun­gen dau­ern sel­ten län­ger als drei Tage und so ist es auch kaum mög­lich, einen Besuch zu pla­nen. Das wäre auch die fal­sche Her­an­ge­hens­wei­se, schließ­lich domi­niert die Ein­stel­lung: »Lass uns schau­en, was es heu­te gibt«. Wer den Namen des aus­ge­stell­ten Künst­lers bereits vor­her kann­te, kennt meist auch den Künst­ler selbst.

Und so stellt sich schnell eine gewis­se Stim­mung ein: Der Besu­cher will mög­li­cher­wei­se mehr unter­hal­ten wer­den als sich auf einen Dis­kurs mit der Kunst ein­zu­las­sen. Das Inter­net macht es vor, die User­ge­ne­ra­ti­on Ffffound hat hier einen Spiel­platz in der rea­len Welt gefun­den. Dar­auf müs­sen sich die aus­ge­stell­ten Künst­ler ein­las­sen und das tun sie bereit­wil­lig. Die Chan­ce, sei­ne eige­nen Wer­ke an den Wän­den eines White Cubes hän­gen zu sehen, lässt man sich nicht ent­ge­hen, auch wenn das Kon­zept der Neon Cho­co­la­te Gal­lery es mit sich bringt, dass hier kei­ne auf­wen­dig kura­tier­ten und öffent­lich beach­te­ten Aus­stel­lun­gen ent­ste­hen können.

Aller­dings lässt das Anlie­gen, unbe­kann­te, zumeist Ama­teur­künst­ler auch kei­ne ande­re Ver­fah­rens­wei­se zu. Kaum eines der Wer­ke wird wohl tat­säch­lich einen Käu­fer fin­den, auch an das sonst so wich­ti­ge Geschäft mit den Samm­lern und auf den Kunst­mes­sen ist nicht zu den­ken. Es ist frag­lich, wie­vie­le Arbei­ten tat­säch­lich im Schnitt pro Aus­stel­lung ver­kauft wer­den, und inwie­fern auch der Künst­ler davon pro­fi­tiert. Die­ser kann sicher­lich jeden Cent aus dem Erlös gut gebrau­chen; denn das Kunst­schaf­fen ist auch heu­te noch eine teu­re Angelegenheit.

So ist auch gewähr­leis­tet, dass die Bewer­bun­gen von aus­stel­lungs­mu­ti­gen Künst­lern nicht abneh­men. Denn was in der Lyche­ner Stra­ße aus­ge­stellt wird, hat wenig mit nai­ver Kunst zu tun. Man fin­det hier auch Kunst­stu­den­ten, doch natür­lich kei­ne Namen eta­blier­ter Künst­ler. Das wis­sen auch die Bewer­ber und sehen womög­lich in den ver­gleichs­wei­se ein­fa­chen Zugangs­mög­lich­kei­ten die Gele­gen­heit, ihre Wer­ke nicht nur vor Freun­den und Ver­wand­ten zei­gen zu können.

Einzelausstellung für 1,99 €Ein­zel­aus­stel­lung für 1,99 €

Ein ande­res Prin­zip ver­folgt dage­gen das Pro­jekt »Ein­zel­aus­stel­lung« von Erik Wei­ser und Moritz Frei: Auch hier erhält jeder die Mög­lich­keit, sei­ne Wer­ke aus­zu­stel­len, jedoch wer­den die Kos­ten auf ande­re Wege gedeckt. Wer sich bewer­ben will, erwirbt für 1,99 € ein Los, das an der Zie­hung teil­nimmt und mög­li­cher­wei­se zur erhoff­ten Ein­zel­aus­stel­lung führt. Mit dem Erlös der Akti­on wer­den die anfal­len­den Aus­ga­ben, etwa für Trans­port und Ver­nis­sa­ge, gedeckt.

Auf der ande­ren Sei­te kann der glück­li­che Gewin­ner sei­ne Arbei­ten für einen län­ge­ren Zeit­raum aus­stel­len, als es etwa das Kon­zept der Neon Cho­co­la­te Gal­lery erlaubt. Ähn­lich wie die andern­orts statt­fin­den Häu­ser­ver­lo­sun­gen, die einen mini­ma­len finan­zi­el­len Ein­satz der Inter­es­sen­ten erfor­dern, wird hier die Teil­nah­me fast schon zu einem Gag, der im Glücks­fall ein Schnäpp­chen ver­spricht. Kaum etwas ist über das Pro­jekt von Wei­ser und Frei oder des­sen Ver­mark­tung her­aus­zu­fin­den, doch darf man auch in die­sem Fall davon aus­ge­hen, dass sich die Idee rechnet.

 

Hat das von Der­con cha­rak­te­ri­sier­te Künst­ler­pre­ka­ri­at mit Bei­spie­len wie die­sen sei­ne Nische am Kunst­markt gefun­den? Das schie­ne mir zwei­fel­haft. Eben­so frag­lich wie die Dau­er­haf­tig­keit sol­cher Pro­jek­te: Die Finan­zier­bar­keit sol­cher Kon­zep­te dürf­te sich schwie­rig gestal­ten, gleich wel­cher Qua­li­tät die aus­ge­stell­te Kunst ist. Schließ­lich han­delt es sich immer noch um Kunst, die zu unbe­kannt, am Markt unge­fragt oder schlicht zu naiv ist, um für die eta­blier­ten Gale­rien zu taugen.

Und so bleibt es dann doch beim Alten: Wenn das Künst­ler­pre­ka­ri­at wei­ter nach beschei­de­nem Ruhm ringt, muss es wei­ter­hin dis­po­ni­bel bleiben.