»If there were anywhere but desert. Tuesday«, © Ugo Rondinone
Kürzlich warfen sie bei Kulturzeit einen Blick auf das Kunsthaus Aargau, wo kürzlich der renommierte Schweizer Ugo Rondinone eine Einzelausstellung eröffnete. So etwas wie ein Interview mit dem Künstler war das, nur ohne Interview, Rondinone sei wohl sehr scheu. Und so verfolgte man den umtriebigen Künstler inmitten des emsigen Treibens kurz vor der Eröffnung jener viel beachteten Ausstellung in seiner schweizer Heimat.
Schnell tauchte ein Problem auf: Rondinone ist mit dem »Clown«, einer Skulptur, die eigentlich den Titel »If there were anywhere but desert. Tuesday« trägt, nicht zufrieden. Man lernt, dass die Clownsfigur immer wieder in Rondinones Werken auftaucht, doch diese hier passt nicht recht ins Bild. Der Künstler würde sie lieber an einem anderen Ort in der Galerie sehen. Simples Problem, simple Lösung. Möchte man meinen.
Doch weit gefehlt: Ehe Rondinone sein eigenes Werk überhaupt berühren darf, muss er bei dessen Besitzern, Almine und Bernard Ruiz-Picasso, telefonisch nachfragen, ob diese ihm ein Verrücken der Skulptur überhaupt genehmigen. Als dann ein Telefon aufgetrieben werden konnte und irgendwann das Einverständnis eingeholt war, konnten fünf behandschuhte Helfer den Clown mit der gebotenen Vorsicht an seinen neuen Platz in der Galerie hieven.
Ein groteskes Schauspiel, wie ich fand. Mag der Gebrauch von Handschuhen noch für ein gewisses Maß an Professionalität sprechen, wirkte das ganze Gehabe um die Einholung des Einverständnisses doch überaus eigenartig.
Wird einem Künstler heute etwa die Kompetenz abgesprochen, zu wissen, wie seine eigenen Werke zu verstehen und daher auch, wie sie in einer Ausstellung zu platzieren sind?
Nur mit ausdrücklicher Erlaubnis möglich (Standbild aus dem Beitrag)
Kunst ist heutzutage eine echte Wirtschaftssparte. Das ist zwar schon seit Jahrtausenden so, doch drängt sich mir der Eindruck auf, dass mittlerweile eine ganz neue Qualität erreicht ist: Ein Kunstwerk als Sammlerobjekt stellt auch eine Investition dar, die sich beim Wiederverkauf in Form von veritablen Renditen lohnen muss. Da geht man keine Kompromisse ein und so darf das Werk auch keinen noch so geringen Schaden nehmen.
Das heißt letztlich, dass das Werk so konserviert werden muss, wie es eingekauft wurde. Und auch wenn ich vom großen Kunstbusiness praktisch nichts verstehe, werde ich den Eindruck nicht los, dass selbst die künstlerische Freiheit dahinter zurücktreten muss. Wenn dann Künstler ohne vorherige Absegnung nicht einmal mehr ihre eigenen Werke berühren dürfen, frage ich mich doch, wohin wir mittlerweile gekommen sind.
Mein Bild von einem Künstler sieht immer noch vor, dass er die Freiheit besitzt, jederzeit das von ihm Erschaffene seinen Vorstellungen anzupassen. Wenn er dann in eine Galerie marschiert und seine Arbeiten zerfetzt, ist das vielleicht eine rechtliche Angelegenheit, aber für meine Begriffe keine künstlerische. Das ist vermutlich eine Sichtweise, die noch der Mitte des vergangenen Jahrhunderts entstammt, als Nonkonformität konform und Querdenkerei konservativ war.
Dieser »Seerosenteich« von Monet hat überlebt.
Dabei ist die Korrektur eines Werkes durch seinen Künstler gar nichts Neues. Nicht wenige waren Jahre nach der Fertigstellung einer ihrer Arbeiten nicht zufrieden mit dem Ergebnis und besserten nach — oftmals auch zur Verärgerung der Auftraggeber. Claude Monet markiert dabei wohl einen vorläufigen Höhepunkt, er zerstörte etliche seiner Bilder, so auch eine unbekannte, aber große Zahl seiner Seerosen-Stücke, von denen heute immerhin noch 158 erhalten sind. Gegenüber seinem Händler sagte er, er könne die guten nicht mehr von den schlechten unterscheiden.
Dass er seinen Clown zerstören oder wenigstens beschädigen wolle, kann man Undinone wohl nicht unterstellen. Daher ist es in meinen Augen lächerlich, ihm die Berührung seiner eigenen Werke zu untersagen. Auch Rondinone selbst sieht das ähnlich:
»Das ist doch ein Verhältnisblödsinn. Ich weiß doch, wie man ihn [den Clown] behandeln muss.«
Ugo Rondinone: Ratlosigkeit oder Ohnmacht? (Standbild aus dem Beitrag)
Es scheint, als trete der Künstler mit dem Verkauf auch alle Rechte und Kompetenzen ab. Die Entmündigung scheint im Preis inbegriffen, auf den neuen Besitzer geht nun die Expertise über, zu wissen, wie das erworbene Werk zu behandeln und wie sein Charakter zu erhalten oder etwa zu korrigieren ist. Wenigstens die Entscheidungshoheit liegt jetzt beim Käufer und darin besteht doch der Kern des Problems: Dessen Motive sind vermutlich nicht dieselben wie die des Künstlers. Der Käufer tritt im besten Falle als Förderer auf, wird doch aber nie denselben Bezug zu den Werken haben wie der Künstler.
So kommt es dann auch zu possenhaften Episoden wie der beispielhaft dargestellten. Die Ohnmacht des Künstlers ist durch den Verkauf besiegelt, widerspiegelt sich in solch lächerlichen Situationen der Banalität.
Wenn ein Künstler um seinen Stand am Markt bedacht ist, wird er als Unternehmer auftreten müssen, der ein Produkt vertreiben und Kunden gewinnen will. Deren Zufriedenheit muss sichergestellt sein, andernfalls müssen wirtschaftliche Einbußen hingenommen werden. So ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich ein Künstler dann den Wünschen und Anordnungen des Besitzers unterordnen muss.
Dabei liegt auf der Hand, dass dies nicht etwa zu einer lebendigen Kunst beitragen kann. Wenn die Kunst vom Künstler weggeführt wird, ist es unausweichlich, dass eine Konservierung eintritt.
Was denkt ihr? Sind Fälle wie der geschilderte eine Ausnahme oder gar die Regel? Und wer profitiert von einer solchen Handhabe: Lediglich der Besitzer oder vielleicht sogar alle Kunstinteressierten? Und was sagt das für die Hochkunst der Museen aus?