Klaus Staeck, der 1938 in Pulsnitz geboren wurde und 1956 nach Heidelberg übersiedelte, wo er von 1957 bis 1962 Jura studierte, ist selbst ein Urgestein der Mail Art. Bereits in den sechziger Jahren entstanden erste Postkarten und bis heute ist vor allem die bissige politische Note ein Merkmal seiner künstlerischen Arbeit, die auch Plakate und Objekte umfasst. Im Jahr 1965 gründete er seinen eigenen Verlag (damals: »Edition Tangente«), der heute als »Edition Staeck« bekannt ist und über den neben Staecks eigenen Arbeiten überwiegend in Auflage produzierte Arbeiten anderer namhafter Künstlerinnen und Künstler wie Dieter Roth, Nam June Paik, Rosemarie Trockel oder Joseph Beuys vertrieben werden. Mit Letztgenanntem hat Staeck seit 1968 zusammengearbeitet und unter zusätzlicher Mitwirkung von Klaus Staecks Bruder, Rolf Staeck, entstand beispielsweise die Arbeit »Wirtschaftswerte« (1980), die heute im Stedelijk Museum voor Actuele Kunst (S.M.A.K.) in Gent zu sehen ist. Anlässlich der Ausstellung »ARTE POSTALE. Bilderbriefe, Künstlerpostkarten, Mail Art.« in der Akademie der Künste, für die Klaus Staeck einen großen Teil seiner eigenen umfangreichen Sammlung zur Verfügung gestellt hat, ließ er sich zu einem per Postkarte geführten Interview überreden:
Frage: Seit ihrer Entstehung in den 1960er Jahren, über die Prägung des Begriffs 1971 ist es der Mail Art bis heute gelungen für den Kunstmarkt (weitestgehend) ungreifbar zu bleiben. Wie wichtig erscheint Ihnen eine solche Distanz im Hinblick auf die Entwicklung tatsächlich kritischer (gesellschaftspolitischer) Inhalte?
Antwort: Die MAILART ist per se ein unabhängiges Netzwerk, das unabhängig nach eigenen Spielregeln funktioniert. Durch diese Autonomie kann es auch subversiev eingesetzt werden. Dadurch entsteht automatisch [eine Distanz] zum Kunstmarkt und seinen Verwertungszusammenhängen. Klaus Staeck
Kann ein innerhalb des Kunstmarktes integriertes künstlerisches Werk glaubhaft und nachhaltig Kritik an gesellschaftlichen oder politischen Verhältnissen üben, eine Wirkung in dieser Richtung entfalten?
Das kann es schon. Es kommt darauf an, in welchem gesellschaftlichen Kontext das noch seine Wirkung entfalten kann: vornehmlich öffentlich, aber unter bestimmten Bedingungen auch privat (Die Wohnung von Cornelius Gurlitt gehörte bisher allerdings nicht dazu. Klaus Staeck
Mail Art ist eine Netzwerkkunst, die vor allem auch eine Kommunikation über (politische) Grenzen hinweg ermöglichte. Bedeutet die heute allgegenwärtige Vernetzung über das Internet das Ende der Mail Art?
NEIN. Nach meiner Überzeugung werden beide weiter parallel existieren. Jedenfalls solange es noch eine Post oder vergleichbare Übermittlungswege gibt. Klaus Staeck
Seit 2006 sind Sie Präsident der Akademie der Künste in Berlin. Welche Möglichkeiten und welche Notwendigkeit sehen Sie in der Vermittlung von Kunst gegenüber einer breiten Öffentlichkeit?
Laut Gesetz und Satzung der Akademie soll sie »öffentlich wirken und sich sowohl der Vermittlung neuer künstlerischen Tendenzen als auch der Pflege des kulturellen Erbes widmen«. Dafür steht ihr ein breites – von der Öffentlichkeit finanziell gefördertes – Instrumentarium zur Verfügung: Ausstellungen, Lesungen, Vorträge, Konzerte, Film und Theater, Tanz, Diskussionen, Workshops sowie die Öffnung umfangreicher Archive. Klaus Staeck
Ist jeder Mensch ein Künstler?
Kaum ein Satz von Joseph Beuys wurde so mißverstanden. Es bedeutet nicht, dass jeder malen, schnitzen, sticheln und performen kann, um nach den landläufigen Maßstäben als KÜNSTLER zu gelten. Unbestritten verfügt allerdings jeder über kreative Fähigkeiten, die nur allzu oft schon früh verschüttet werden. Klaus Staeck
(Fragen und Auswahl der Postkarten: Martin Bothe)
Die Ausstellung »ARTE POSTALE. Bilderbriefe, Künstlerpostkarten, Mail Art.« ist noch bis 8. Dezember 2013 in der Akademie der Künste, Pariser Platz 4, 10117 Berlin, zu sehen.