Sie hatten ambitionierte Ziele: Das niederländische Design- und Modeinstitut Premsela, das mit staatlicher Unterstützung die nationale Kreativwirtschaft stärken will, zog aus, um auch im Ausland das Profil der niederländischen Kreativbranche zu schärfen. Mode, Design, Architektur und Kunst sollten in einer einzigen Schau vereint eindrucksvoll vorgestellt werden; mit »Basic Instincts« eröffnete am Donnerstagabend in der Villa Elisabeth jenes Aushängeschild für niederländische Leistungen auf diesem Sektor.
Für die Konzeption und Durchführung engagierte das Institut namhafte Vertreter wie Henrik Vibskov oder die Zoo-Magazine-Macher José Klap und Sandor Lobbe; die Erwartungen lagen entsprechend hoch. Insbesondere das Konzept, alle Disziplinen gleichermaßen und mit ihren wechselseitigen Beziehungen glaubhaft darzustellen, hängte die Messlatte hoch und gab allen Anlass, eine eindrucksvolle Schau zu erwarten. Bereits im Vorfeld wurde angekündigt, daß die Ausstellung in mehrere sog. »Landschaften« aufgeteilt würde, die einzelne Schwerpunkte der Präsentation darstellen sollten.
(© MidSide.de)
Andere Medienvertreter, wie etwa der ungenannte Autor der Glamour oder Kollegin Mirjana von Les Mads, sahen »Basics Instincts« mit wohlwollendem Blick und kamen zu positiven Urteilen. So müsse man »unbedingt hingehen« (Glamour), schließlich würden »die hohen Ansprüche […] auf jeden Fall gehalten« (sic, Les Mads). Obwohl die Qualität der einzelnen Ausstellungsstücke zumeist nicht zu unterschätzen ist, bleibt die Ausstellung als solche, d.h. als kuratiertes Arrangement verschiedenster Exponate hinter den Erwartungen zurück.
Basic Instincts, Foto: Trevor GoodObgleich der Fokus der Ausstellung eindeutig auf Mode und Design liegt (so viel muss vor jeder Kritik gesagt sein), lag mein Interesse natürlich bei der Kunst und der kuratorischen Leistung. Der in dieser Hinsicht einzige bemerkenswerte Beitrag ist wenig überraschend ein Auszug aus den Exactitudes von Ari Versluis und Ellie Uyttenbroek (im Übrigen das einzige Ausstellungsstück, mit dem vorher gerechnet werden konnte, obgleich es zu meiner Verwunderung nicht angekündigt war). Dennoch, die bekannte Sozialstudie der beiden Künstler ist bereits so abgenutzt, daß sie gegen den Untergang der sonst unauffällig bleibenden Kunst in »Basic Instincts« nichts mehr ausrichten kann.
Lediglich zwei nett anzusehende, großformatige Fotografien mit Kratzspuren von Amie Dicke, die leider abseits im Treppenhaus stehen, können etwas mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Doch die Kunst steht ja nicht im Mittelpunkt der Schau.
Basic Instincts, Foto: Trevor GoodDie erwähnten Landschaften in »Basic Instincts« bilden den kuratorischen Überbau für die Vereinigung von Design, Mode, Architektur und eben auch Kunst. Tatsächlich wurde auf die Gestaltung der verschiedenen Themenräume viel wert gelegt. Spiegelkabinette und giftig-gelbe Luftpolster-Gänge wechseln sich mit Gummibandkäfigen und Pömpel-Gebirgen ab und sorgen so für die nötige Abgrenzung zwischen den einzelnen Bereichen, die mit so klangvollen und nichtssagenden Namen wie »Soft Future« oder »Un-Designed« betitelt sind. Die knappen Sätze, mit denen allerorts Infotafeln auf die kuratorische Intention der einzelnen Landschaften hinweisen, können ebenfalls kein Licht ins Dunkel bringen und bleiben zu vage, um jeweils ein konkretes Charakteristikum fassbar machen zu können.
Der Raum »Perspectives« etwa, welcher neben den Pömpeln zwei hübsche Kleidungsstücke Oda Pausmas zeigt, basiere »auf der Perspektive des Betrachters, die sich mit dem Blickwinkel immer wieder verändert«. Diese Aussage, so trivial wie bedeutunglos, ist jedoch so klar nur in einem metallenen Schriftzug zu erkennen, der aus verschiedenen Blickrichtungen unterschiedliche Worte gegenteiliger Bedeutung offenbart. Die restlichen Objekte dieser Landschaft wirken dagegen angesichts des Kontexts fehl am Platze. Dennoch, mit der Absicht der Ausstellung im Blick, das Profil der niederländischen Kreativbranche zu schärfen, muss man sich fragen, wie ein solch allgemeiner Sachverhalt zum stilistischen oder gar inhaltlichen Charakteristikum der Kultur dieses Landes erhoben werden kann.
Basic Instincts, Foto: Trevor GoodÄhnlich abstrus werden auch die restlichen Landschaften in Worte und Formen gepresst (»Idealbild, das den optimalen Stil zeigt, wie die Dinge aussehen sollten«). Dennoch sind einzelne Details in der Ausgestaltung der Räume durchaus gelungen, wenn beispielsweise die kunstvollen Kleider Iris van Herpens in den Gummibändern des sie umgebenden Käfigs eine optisch wie sensuell passende Entsprechung finden.
Dabei sind einige der Exponate durchaus vorzeigbar. Manche der Designobjekte sind dem aufmerksamen Beobachter bereits aus einschlägigen Magazinen bekannt und zeugen von dem Bekanntheitsgrad, den niederländisches Design immerhin durch ungewöhnliche Ansätze bereits stellenweise erreicht hat. Diese guten Einzelleistungen gehen jedoch leider in der Präsentation unter, weil sie zu verschieden von den anderen Stücken in ihrer Umgebung sind. Die kuratorische Einbindung in die Landschaften erfolgt durchgehend dermaßen unpräzise und kaum treffend, daß die Charakteristika der einzelnen Exponate nicht etwa herausgestellt werden, sondern gänzlich untergehen.
Basic Instincts, Foto: Trevor GoodIn den extravaganten, teils kunstvoll ausgearbeiteten Landschaften ertrinken die Ausstellungsstücke förmlich und können kaum Beziehungen zueinander ausbilden. So steht jedes für sich allein und ist nur schwer im übergeordneten Kontext zu erkennen und zu erfahren, obwohl die schwammigen Themen großzügig genug gefasst sein sollten, dies zu ermöglichen. Die Folge ist, daß man durch die Räume geht und zwar jedes Stück für sich in seiner ästhetischen Qualität wahrnimmt, aber dabei nicht die zugrunde liegenden Strukturen erkennt, die das »typisch Niederländische« ausmachen.
Doch woran liegt das? Man hat den Eindruck, als sei die Auswahl der Designer, Architekten und Künstler bereits vor der Konzeption des kuratorischen Ansatzes, vielleicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen worden. Den Stellenwert der Wirtschaftskraft der niederländischen Kreativindustrie haben jedenfalls auch die beiden Hauptredner des Abends, Kulturstaatsminister Bernd Neumann und der niederländische Minister für internationale Zusammenarbeit, Ben Knapen, betont und als Grund für die Initiation der Wanderausstellung durchscheinen lassen. Sollte die Wahl der ausgestellten Stücke also tatsächlich primär nach wirtschaftlicher statt nach stilistischer Relevanz erfolgt sein, wäre es nicht verwunderlich, wenn darunter die Kuration leidet, so denn sie einen anderen Ansatz wählt als den ökonomischen.
Basic Instincts, Foto: Trevor Good»Basic Instincts« ist aber keine Messe und will – so kommuniziert es die Aufmachung – auch keine sein und so ist fraglich, welche Steine dem Ausstellungsteam in den Weg gelegt wurden.
So ist »Basic Instincts« zwar eine Ausstellung, die teils bemerkenswerte Einzelleistungen vereint, es aber nicht schafft, sie in einen Metakontext einzubetten, der kraft seiner Originalität einen bleibenden Eindruck hinterlassen kann. Die Aufgabe, das Profil der niederländischen Kreativbranche zu schärfen, wurde jedenfalls verfehlt. Und so geht man heim und weiß noch immer nicht genau, was eigentlich typisch niederländisch ist.
Wer weiter forschen möchte, der kann dies noch bis zum 31. Juli bei freiem Eintritt mittwochs bis sonntags von jeweils 12–19 Uhr in der Villa Elisabeth in der Invalidenstraße 3 in Angriff nehmen.