based in Berlin

07. Juni 2011 von Matthias Planitzer
"Nothing to see, nothing to hide", © Mandla Reuter Die jungen Kuratoren der heute öffnenden Ausstellung "based in Berlin" hätten keinen besseren Ort für ihre groß angelegte Übersichtsschau über Berliner Kunst finden können als das Haus im Monbijoupark. Zuvor befanden sich hier die Studienateliers der Kunsthochschule Weißensee, die kürzlich geräumt wurden, um das Gebäude in wenigen Wochen abreißen zu können. Eine typisch Berliner Anekdote, möchte man fast witzeln. Umso passender jedoch, daß in dem maroden Bau mit Blick auf die altehrwürdige Museumsinsel nun bis Ende Juli eine Ausstellung einzieht, die sich anschickt, das Berliner Etwas in der Kunst aufzuspüren und exemplarisch aufzuzeigen. "based in Berlin" heißt also nun die Übersicht über mehr als achtzig Künstler, die hier, in den Kunstwerken, im Neuen Berliner Kunstverein, dem Hamburger Bahnhof und der Berlinischen Galerie ein Forum finden. Insgesamt 1250 von ihnen – allesamt produzieren sie an der Spree – sind dem offenen Aufruf des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit gefolgt und reichten ihre Portfolios ein. Das fünfköpfige Kuratorenteam, bestehend aus Angelique Campens, Fredi Fischli, Magdalena Magiera, Jakob Schillinger und Scott Cameron Weaver sichteten jedes einzelne davon und konnten dabei auf die prominente Unterstützung von Hans-Ulrich Obrist, Klaus Biesenbach und Christine Macel zurückreifen. Am Ende steht eine Ausstellung, die neben einigen Performances, Lesungen und Filmabenden den Anspruch behauptet, einen Überblick über aktuelle Tendenzen der Berliner Kunst zu bieten. Was ist "based in Berlin" also nun geworden? Ein Streiflicht auf die Berliner Kunstszene? Eine Ergänzung zum Gallery Weekend? Oder nur ein weitere Etappe auf dem Weg zu einer echten Kunsthalle?

Mandla Reuter: Nothing to see, nothing to hide»Not­hing to see, not­hing to hide«, © Man­dla Reuter

Die jun­gen Kura­to­ren der heu­te öff­nen­den Aus­stel­lung »based in Ber­lin« hät­ten kei­nen bes­se­ren Ort für ihre groß ange­leg­te Über­sichts­schau über Ber­li­ner Kunst fin­den kön­nen als das Haus im Mon­bi­jou­park. Zuvor befan­den sich hier die Stu­di­en­ate­liers der Kunst­hoch­schu­le Wei­ßen­see, die kürz­lich geräumt wur­den, um das Gebäu­de in weni­gen Wochen abrei­ßen zu kön­nen. Eine typisch Ber­li­ner Anek­do­te, möch­te man fast wit­zeln. Umso pas­sen­der jedoch, daß in dem maro­den Bau mit Blick auf die alt­ehr­wür­di­ge Muse­ums­in­sel nun bis Ende Juli eine Aus­stel­lung ein­zieht, die sich anschickt, das Ber­li­ner Etwas in der Kunst auf­zu­spü­ren und exem­pla­risch aufzuzeigen.

»based in Ber­lin« heißt also nun die Über­sicht über mehr als acht­zig Künst­ler, die hier, in den Kunst­wer­ken, im Neu­en Ber­li­ner Kunst­ver­ein, dem Ham­bur­ger Bahn­hof und der Ber­li­ni­schen Gale­rie ein Forum fin­den. Ins­ge­samt 1250 von ihnen – alle­samt pro­du­zie­ren sie an der Spree – sind dem offe­nen Auf­ruf des Regie­ren­den Bür­ger­meis­ters Klaus Wowe­reit gefolgt und reich­ten ihre Port­fo­li­os ein. Das fünf­köp­fi­ge Kura­to­ren­team, bestehend aus Ange­li­que Cam­pens, Fre­di Fisch­li, Mag­da­le­na Magie­ra, Jakob Schil­lin­ger und Scott Came­ron Wea­ver sich­te­ten jedes ein­zel­ne davon und konn­ten dabei auf die pro­mi­nen­te Unter­stüt­zung von Hans-Ulrich Obrist, Klaus Bie­sen­bach und Chris­ti­ne Macel zurück­rei­fen. Am Ende steht eine Aus­stel­lung, die neben eini­gen Per­for­man­ces, Lesun­gen und Film­aben­den den Anspruch behaup­tet, einen Über­blick über aktu­el­le Ten­den­zen der Ber­li­ner Kunst zu bieten.

Was ist »based in Ber­lin« also nun gewor­den? Ein Streif­licht auf die Ber­li­ner Kunst­sze­ne? Eine Ergän­zung zum Gal­lery Weekend? Oder nur ein wei­te­re Etap­pe auf dem Weg zu einer ech­ten Kunsthalle?

Mandla Reuter: Nothing to see, nothing to hide»Not­hing to see, not­hing to hide«, © Man­dla Reuter

»Die Aus­stel­lung soll sich für ein brei­tes Publi­kum öff­nen«, for­der­te Wowe­reit noch auf der Pres­se­kon­fe­renz und erklär­te gleich, daß hier­für das Ate­lier­haus im Mon­bi­jou­park wie geschaf­fen sei: Es »wer­den ande­re Besu­cher erreicht«, die vor­bei­kom­men und »hin­ein­stol­pern« wür­den. Dafür hat Man­dla Reu­ter jeden­falls Sor­ge getra­gen. Der Künst­ler lie­fer­te mit »Not­hing to see, not­hing to hide« den wohl pro­gram­ma­tisch pas­sends­ten Bei­trag, indem er kur­zer­hand die Nord­wand des Gebäu­des im Mon­bi­jou­park ein­rei­ßen ließ. Dahin­ter wird ein lee­rer White Cube frei­ge­legt, der nun mit dem Park kom­mu­ni­zie­ren kann und sich so Ber­lin und den ahnungs­lo­sen Pas­san­ten öff­net. Auf die­se Wei­se wird aus dem abge­schlos­se­nen Bau ein Kunst­pa­vil­lon, der auch äußer­lich unter­streicht, daß er stets frei zugäng­lich ist.

Täg­lich von zwölf bis zwölf kann der Besu­cher am zen­tra­len Aus­stel­lungs­ort an der Ora­ni­en­bur­ger Stra­ße einen gro­ßen Teil der aus­ge­wähl­ten Künst­ler ken­nen­ler­nen und wird dabei sicher­lich vie­le neue Namen lesen. Neben den übli­chen Insi­der-Tips – etwa einer wei­te­ren Arbeit über Fie­te Stol­tes Acht-Tage-Woche oder Cyprien Gail­lards India­ner-Kopf – stößt man so auf eine Viel­zahl Kunst­schaf­fen­de, die zuvor oft­mals nur Sze­ne­ken­nern bekannt waren.

Rocco Berger: Oil Painting»Oil Pain­ting«, © Roc­co Berger

Roc­co Ber­ger ist viel­leicht einer von ihnen; zumin­dest fällt sein »Oil Pain­ting« unter den ande­ren Bei­trä­gen sicht­bar und vor allem gut riech­bar her­aus. Alt­öl läuft aus einem Ben­zin­ka­nis­ter und rinnt in fei­nen Bah­nen über eine dün­ne Plas­tik­fo­lie um dann wie­der in einem gro­ßen Che­mie­ge­fäß auf­ge­fan­gen zu wer­den. Ein Ven­ti­la­tor bläht die Folie leicht auf und zwingt das Öl, in fili­gra­nen Bah­nen über die so geschaf­fe­ne Lein­wand zu fließen.

Roc­co Ber­gers »Oil Pain­ting« ist gera­de in dem Punkt bemer­kens­wert, daß es sich ganz sei­nes Schöp­fers ent­sagt: Kein ver­sier­ter Meis­ter, kein erfah­re­ner Künst­ler ist nötig, um die­ses Ölge­mäl­de zu erschaf­fen. »Oil Pain­ting« ist sein eige­ner Maler, ist Ergeb­nis eines tech­no­lo­gi­schen Kon­strukts, das die mensch­li­che Hil­fe nur braucht, um ins Leben geru­fen zu wer­den. Ber­ger hält sich zwar aus dem eigent­li­chen Mal­pro­zess her­aus, aller­dings ist er in einem Punkt über­aus prä­sent: Dem bei­ßen­den Sar­kas­mus, ein Ölge­mäl­de – Inbe­griff der Hoch­kul­tur – mit gewöhn­li­chem Alt­öl den tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten zu unter­wer­fen. Dar­in erkennt man mit­un­ter eine offe­ne, düs­te­re Aus­le­gung Wal­ter Ben­ja­mins oder fühlt sich auch ein­fach nur in eine Kfz-Werk­statt ver­setzt. Der Ölge­stank jeden­falls dürf­te das eine wie auch das ande­re begünstigen.

Simon Dybbroe Møller: Melody Malady»Melo­dy Mala­dy«, © Simon Dyb­broe Møller

Wer sich mit dem theo­re­ti­schen Über­bau des bür­ger­li­chen Kunst­be­griff schwer tun, der wird an Simon Dyb­broe Møl­lers Per­for­mance gefal­len fin­den. In »Melo­dy Mala­dy« sitzt ein jun­ger Mann an einem Flü­gel, aller­lei klas­si­sche Lite­ra­tur und Mei­len­stei­ne der Phi­lo­so­phie sind auch ver­sam­melt. Er liest in einem der Bücher, man sieht ihm die Anstren­gung über der tro­cke­nen Lek­tü­re an. Jedes Mal, wenn ein ent­spre­chen­der Buch­sta­be im Text erscheint, spielt er einen Ton.

So erfüllt eine apa­thi­sche Melo­die den Ost­flü­gel des Ham­bur­ger Bahn­hofs und erzählt von der Tris­tesse der huma­nis­ti­schen Bil­dung. Auch sonst wid­met sich der Aus­stel­lungs­teil an der Inva­li­den­stra­ße den Schat­ten­sei­ten der gut­bür­ger­li­chen Kul­tur und den klas­si­schen Kunst­be­grif­fen. Maria Lobo­da etwa häuft auf einem nobel geschmück­ten Ess­tisch 118 säu­ber­lich geroll­te Ser­vi­et­ten an und lässt sie als Trä­ger eines Codes eine ande­re Spra­che spre­chen. Shahryar Nas­hat insze­niert ein Rei­ter­denk­mal ohne Rei­ter, einen Sockel, der sei­ne Funk­ti­on über­dau­ert. Nina Bei­er dage­gen schließt den Kreis und baut aus geköpf­ten Sta­tu­en Regal­sys­te­me, die wie­der­um in ihrer Gän­ze den Cha­rak­ter einer Skulp­tur einnehmen.

based in Berlinbased in Berlin

So ver­folgt jeder der fünf Stand­or­te eine ande­re Rich­tung: Der Neue Ber­li­ner Kunst­ver­ein zeigt vor­nehm­lich Video­ar­bei­ten und wid­met sich nar­ra­ti­ven Sche­ma­ta, die Ber­li­ni­sche Gale­rie doku­men­tiert einen pikan­ten archäo­lo­gi­schen Fund und sei­ne weit­rei­chen­den Fol­gen, wäh­rend das KW Insti­tut wie auch das Ate­lier­haus im Mon­bi­jou­park eine bun­te Mischung ver­schie­de­ner Sti­le und Ansät­ze prä­sen­tie­ren. Die­se Schwer­punk­te erleich­tern jeden­falls den por­tio­nier­ten Kunst­ge­nuss ungemein.

Bei all die­ser Viel­falt ver­misst man doch den roten Faden, obgleich Jakob Schil­lin­ger klar stellt, daß es sich bei »based in Ber­lin« bewusst um kei­ne kura­tier­te Aus­wahl hand­le. So ent­deckt man zwar jede der aus­ge­stell­ten Arbei­ten für sich allein genom­men, ist aber nach einem Besuch aller Aus­stel­lungs­or­te schnell erschöpft. Ein Blick auf die Web­site oder in den Kata­log lohnt in jedem Fal­le; so lässt sich jeden­falls am bes­ten abschät­zen, wel­che der vie­len Bei­trä­ge am inter­es­san­tes­ten schei­nen. Aber auch wenn »based in Ber­lin« ein brei­tes Spek­trum Ber­li­ner Gegen­warts­kunst zeigt: Sofort begeis­tern kön­nen mehr­heit­lich lei­der nur die Künst­ler, die auch vor­her schon einen Namen hat­ten – vie­le Neu­ent­de­ckun­gen soll­te man jeden­falls nicht erwarten.

Eine Fra­ge kann jedoch auch »based in Ber­lin« nicht klä­ren: Wie kann die­se Stadt die hier pro­du­zier­te Kunst umfas­send und anspre­chend prä­sen­tie­ren und dabei ihrer Rol­le als Kunst­me­tro­po­le gerecht wer­den? Die jüngs­te Über­sichts­schau deu­tet immer­hin eines an: Leicht wird es nicht. Dafür ist ein­fach zu viel los in die­ser Stadt.