Tanz zwischen den Räumen

27. Mai 2011 von Matthias Planitzer
Sebastian Kriegsmann, Alexandro Tsolakis, Bastian Wibranek: "Disconnect" Das Dogma der entrückten, unantastbaren Kunst als einzige mögliche Manifestationsform bröckelt schon länger und wird immer stärker durch einen Ansatz ergänzt, der Interaktivität und Partizipation in den Vordergrund stellt. Der Versuch, Kunst durch die Einladung zur Mitgestaltung leichter und intensiver erfahrbar zu machen, gewinnt zusehends an Popularität und fördert immer neue Spielarten zu Tage. Partizipative Kunst positioniert sich damit als ein Gegenpol im Dreieck aus der kontemplativen, pädagogischen und der distanzierten, inhaltslosen Form und stellt in dieser Konstellation den einladenden, selbstgestalterischen Eckpunkt dar. Die daraus resultierende Spontaneität und Improvisation geben Raum für unterschiedliche spannende Ausgänge und tragen so zu einer gewissen Lebendigkeit bei. So ist etwa im Rahmen der gestern in der Program Gallery eröffneten Ausstellung "Disconnect" des Architektentrios Sebastian Kriegsmann, Alexandro Tsolakis und Bastian Wibranek der gesamte Galerienraum auf Kniehöhe mit einer elastischen, weißen Polyestermembran durchspannt, die somit zwei Räume ober- und unterhalb ihrer selbst von einander abtrennt. Die Besucher können beide Teilräume separat betreten, darin herumtoben, die Textilhaut vielgestaltig verformen und miteinander interagieren, schließlich sich selbst, die anderen Besucher wie auch die Stoffbahnen spielerisch erfahren. Diese Form der Interaktion ist es jedoch, die aus der zunächst architektonischen Raumteilung eine soziale macht und zu interessanten Spannungen führen kann.

Sebastian Kriegsmann, Alexandro Tsolakis, Bastian Wibranek: DisconnectSebas­ti­an Kriegs­mann, Alex­an­dro Tso­la­kis, Bas­ti­an Wibr­a­nek: »Dis­con­nect«

Das Dog­ma der ent­rück­ten, unan­tast­ba­ren Kunst als ein­zi­ge mög­li­che Mani­fes­ta­ti­ons­form gehört schon län­ger der Ver­gan­gen­heit an und wird immer stär­ker durch einen Ansatz ergänzt, der Inter­ak­ti­vi­tät und Par­ti­zi­pa­ti­on in den Vor­der­grund stellt. Der Ver­such, Kunst durch die Ein­la­dung zur Mit­ge­stal­tung leich­ter und inten­si­ver erfahr­bar zu machen, gewinnt zuse­hends an Popu­la­ri­tät und för­dert immer neue Spiel­ar­ten zu Tage. Par­ti­zi­pa­ti­ve Kunst posi­tio­niert sich damit als ein Gegen­pol im Drei­eck aus der kon­tem­pla­ti­ven, päd­ago­gi­schen und der distan­zier­ten, inhalts­lo­sen Form und stellt in die­ser Kon­stel­la­ti­on den ein­la­den­den, selbst­ge­stal­te­ri­schen Eck­punkt dar.

Die dar­aus resul­tie­ren­de Spon­ta­nei­tät und Impro­vi­sa­ti­on geben Raum für unter­schied­li­che span­nen­de Aus­gän­ge und tra­gen so zu einer gewis­sen Leben­dig­keit bei. So ist etwa im Rah­men der ges­tern in der Pro­gram Gal­lery eröff­ne­ten Aus­stel­lung »Dis­con­nect« des Archi­tek­ten­tri­os Sebas­ti­an Kriegs­mann, Alex­an­dro Tso­la­kis und Bas­ti­an Wibr­a­nek der gesam­te Gale­rien­raum auf Knie­hö­he mit einer elas­ti­schen, wei­ßen Poly­es­ter­mem­bran durch­spannt, die somit zwei Räu­me ober- und unter­halb ihrer selbst von ein­an­der abtrennt. Die Besu­cher kön­nen bei­de Teil­räu­me sepa­rat betre­ten, dar­in her­um­to­ben, die Tex­til­haut viel­ge­stal­tig ver­for­men und mit­ein­an­der inter­agie­ren, schließ­lich sich selbst, die ande­ren Besu­cher wie auch die Stoff­bah­nen spie­le­risch erfah­ren. Die­se Form der Inter­ak­ti­on ist es jedoch, die aus der zunächst archi­tek­to­ni­schen Raum­tei­lung eine sozia­le macht und zu inter­es­san­ten Span­nun­gen füh­ren kann.

Sebastian Kriegsmann, Alexandro Tsolakis, Bastian Wibranek: DisconnectSebas­ti­an Kriegs­mann, Alex­an­dro Tso­la­kis, Bas­ti­an Wibr­a­nek: »Dis­con­nect«

Die Bewe­gun­gen der ande­ren Besu­cher sind durch die tren­nen­de Mem­bran jeder­zeit spür­bar und for­dern somit stets Reak­tio­nen ein: Die Besu­cher kön­nen ein­an­der igno­rie­ren oder auf­ein­an­der ein­ge­hen und die Tren­nung von­ein­an­der spie­le­risch explo­rie­ren. Räu­me wer­den kon­ti­nu­ier­lich auf­ge­wei­tet und ein­ge­engt, zer­stört und neu erschaf­fen. Die Besu­cher fin­den sich in einer sich ste­tig ver­än­dern­den Umge­bung wie­der, die durch sie und die ande­ren Anwe­sen­den immer wie­der neu geformt wird. Die Dyna­mik des Sys­tems ist letzt­lich der Grund dafür, daß es zum spie­le­ri­schen und neu­gie­ri­gen Umgang mit dem unge­wohn­ten Medi­um anregt. Tän­ze­ri­sche Inter­pre­ta­tio­nen wer­den durch die­ses Medi­um daher beson­ders geför­dert und wur­den ges­tern auch in Form einer Per­for­mance bei­spiel­haft eingebracht.

Doch die von außen auf­ge­zwun­ge­ne Tren­nung der bei­den Räu­me wird noch wei­ter ver­schärft: Zwei Bea­mer pro­ji­zie­ren wan­dern­de Licht­bal­ken auf die wei­ße Poly­es­ter­land­schaft, sodaß die Ver­for­mun­gen der elas­ti­schen Ober­flä­che her­vor­ge­ho­ben, d.h. auch die Fle­xi­bi­li­tät der hauch­dün­nen Trenn­schicht betont wird. Ande­rer­seits wird aber gera­de dadurch auch die Prä­senz und Mate­ria­li­tät die­ser tex­ti­len Mem­bran her­aus­ge­stellt, der Fokus auf ihren Sta­tus als Gren­ze zwi­schen zwei ver­schie­de­nen Räu­men gelegt. Erst durch die­se Insze­nie­rung gelingt es also, die bei­den Räu­me prä­zi­se defi­nie­ren und von ein­an­der tren­nen zu können.

Sebastian Kriegsmann, Alexandro Tsolakis, Bastian Wibranek: DisconnectSebas­ti­an Kriegs­mann, Alex­an­dro Tso­la­kis, Bas­ti­an Wibr­a­nek: »Dis­con­nect«

»Dis­con­nect« ent­wirft dadurch einen Raum, der dis­pa­rat und hete­ro­ge­ni­siert ist; dies gleich in dop­pel­ter Hin­sicht: An die Stel­le eines homo­ge­nen, unge­ord­ne­ten Rau­mes tritt eine hier­ar­chisch anmu­ten­de Anord­nung, die nicht nur zwi­schen den ohne­hin meta­pho­risch auf­ge­la­den Gegen­sätz­lich­kei­ten von oben und unten, schwarz und weiß unter­schei­det, son­dern auch mit­tels der Inter­ak­ti­on zwi­schen bei­den Räu­men eine sozia­le Span­nung aufwirft.

Die Besu­cher, die sich auf den bei­den Sei­ten der Stoff­bahn befin­den, sind zunächst räum­lich von ein­an­der getrennt, tre­ten jedoch durch die wech­sel­sei­ti­ge Umfor­mung ihrer jewei­li­gen Räu­me unwei­ger­lich in Kon­takt und fin­den sich schnell in sozia­len Inter­ak­ti­ons­mus­tern wie­der. Da wer­den Wege ver­sperrt oder geöff­net, der eige­ne Platz ein­ge­engt oder erwei­tert und hier und da tre­ten die Besu­cher in direk­ten Kör­per­kon­takt, wenn sie über­ein­an­der stol­pern oder sich durch die Mem­bran hin­durch die Hän­de reichen.

Sebastian Kriegsmann, Alexandro Tsolakis, Bastian Wibranek: DisconnectSebas­ti­an Kriegs­mann, Alex­an­dro Tso­la­kis, Bas­ti­an Wibr­a­nek: »Dis­con­nect«

Was in »Dis­con­nect« als Spiel daher­kommt, kann jedoch, wenn man die Par­al­le­le zur Groß­stadt­ge­sell­schaft zieht, als Bei­spiel für sozia­les Ver­hal­ten in umris­se­nen Räu­men im All­ge­mei­nen gel­ten. Selbst wenn die­se durch Stahl­be­ton vor­ge­formt schei­nen, model­liert doch erst die sozia­le Inter­ak­ti­on zwi­schen ihren Bewoh­nern die genau­en Gren­zen, die jen­seits von dicken Mau­ern lie­gen. In jedem Fall trifft zunächst das Indi­vi­du­um auf den Raum, in dem es sich bewegt und den es formt, jedoch nicht, ohne auch Räu­me ande­rer Indi­vi­duuen zu beein­flus­sen, wor­aus sich somit eine sozia­le Hand­lung ergibt.

Spricht man mit Bas­ti­an Wibr­a­nek, erfährt man, daß für ihn Archi­tek­tur nicht die Auf­tei­lung phy­si­scher Räu­me, son­de­ren deren Nut­zung und die dar­aus ent­ste­hen­den sozia­len Bezie­hun­gen bezeich­net. Dem­nach sei­en leer­ste­hen­de Gebäu­de gewis­ser­ma­ßen unbe­seelt, sobald jedoch Bewoh­ner und Besu­cher in ihnen agie­ren, fin­det Archi­tek­tur statt. »Dis­con­nect« ist hier­für ein wun­der­ba­res Bei­spiel: Denn ohne die Betei­li­gung der Besu­cher ist es nichts wei­ter als eine ein­fa­che Stoff­bahn aus Poly­es­ter und Elastan.

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  1. […] war auf Ein­la­dung von Volks­wa­gen und MoMA für knapp eine Woche in New York, um der Ankün­di­gung ihrer künf­ti­gen Part­ner­schaft bei­zu­woh­nen. Zuvor gin­gen mir Gedan­ken durch den Kopf, wie die Stadt auf mich wir­ken wür­de, zumal die […]