Kunst-Jungtiere in der Schlachterei

05. Oktober 2010 von Matthias Planitzer
Berliner Kunstsalon Bereits heute begann für mich die Messewoche, schließlich lud die siebte Ausgabe des Berliner Kunstsalons zum Pressebrunch und bot schon vorab Einblicke, was die Besucher die kommenden Tage erwarten solle. Es wurde zwar noch viel gewerkelt und gebaut, doch natürlich ließ ich es mir nicht nehmen, durch die Halle zu wandeln und mich nach mir bisher unbekannten, interessanten Künstlern umzuschauen, von denen - so viel darf ich verraten - einige hier ihre Arbeiten ausstellen. Welche Eindrücke ich vorab der offiziellen Vernissage sammeln konnte: dies und mehr gibt's nach dem Klick.

Berliner Kunstsalon
Ber­li­ner Kunstsalon

Bereits heu­te begann für mich die Mes­se­wo­che, schließ­lich lud die sieb­te Aus­ga­be des Ber­li­ner Kunst­sa­lons zum Pres­se­brunch und bot schon vor­ab Ein­bli­cke, was die Besu­cher die kom­men­den Tage erwar­ten sol­le. Es wur­de zwar noch viel gewer­kelt und gebaut, doch natür­lich ließ ich es mir nicht neh­men, durch die Hal­le zu wan­deln und mich nach mir bis­her unbe­kann­ten, inter­es­san­ten Künst­lern umzu­schau­en, von denen — so viel darf ich ver­ra­ten — eini­ge hier ihre Arbei­ten ausstellen.

Wel­che Ein­drü­cke ich vor­ab der offi­zi­el­len Ver­nis­sa­ge sam­meln konn­te: dies und mehr gibt’s nach dem Klick.

Berliner KunstsalonEin Blick in die alten Hal­len des Zen­tral­vieh- und Schlachthofes

Unbe­kann­te Künst­ler gab es jeden­falls reich­lich, nur weni­ge bekann­te Namen fin­det man auf der 47 Ein­trä­ge fas­sen­den Lis­te. Das brach­te immer­hin den Vor­teil mit sich, frei von Stand zu Stand fla­nie­ren zu kön­nen und sich vor­ur­teils­los auf die Kunst ein­las­sen zu kön­nen. Die­se wur­de näm­lich in recht viel­fäl­ti­ger Aus­prä­gung gebo­ten. So begrüßt den Besu­cher Sven Lückes neun­tei­li­ge Serie von abs­trak­ten Male­rei­en, die man am bes­ten (und psy­che­de­lischs­ten) mit 3D-Bril­len begut­ach­tet. Auch der Kunst­sa­lon geht also mit der Zeit.

Dann taucht man jedoch schnell wie­der in die Ver­gan­gen­heit ab, wenn man inmit­ten der gro­ßen Hal­le des alten Zen­tral­vieh- und Schlacht­ho­fes steht, der von außen so unschein­bar wirkt. Das von der war­men Decken­be­leuch­tung unter­stütz­te Tages­licht fällt durch von Graf­fi­ti über­sä­te Fens­ter auf den gro­ßen Innen­gang und trägt nicht unmaß­geb­lich zur Atmo­sphä­re bei, die einen gewis­sen Indus­triechar­me zu Eigen hat. Was wohl die Macher der STROKE.03 dazu den­ken mögen, dass ihnen eine sol­che Loca­ti­on ent­gan­gen ist? Die­se Fra­ge konn­te ich lei­der nicht klären.

Frauke Danzer: Testing the brave new world»Test­ing the bra­ve new world«, © Frau­ke Danzer

Es war Zeit für einen Rund­gang: Man sieht viel Unschein­ba­res, wohl auch viel Kunst, die nicht ohne Grund bis­her kaum bekannt war, doch ab und an schil­lern Juwe­len aus der engen Fol­ge der Mes­se­stän­de und voll­be­han­ge­nen Wän­de her­vor. So etwa die bizar­ren Arbei­ten von Frau­ke Dan­zer, die mit pup­pen­ar­ti­gen Figu­ren arbei­tet, wel­che immer wie­der in ihren Plas­ti­ken und Foto­gra­fien auf­tau­chen. Teils mit Hüh­ner­kör­pern oder in Nes­tern ange­ord­net, adres­sie­ren sie so bri­san­te The­men wie künst­li­che Repro­du­zier­bar­keit von Lebe­we­sen, Klo­nen von Men­schen mit einer dys­to­pi­schen Note, die wohl am bes­ten in einem der Werk­ti­tel zum Aus­druck kommt: »Test­ing the bra­ve new world«.

Eini­ge Stän­de wei­ter prä­sen­tiert die Gale­rie Kuhn & Part­ner mit einer Aus­wahl ihrer Künst­ler das The­ma »Sex in der Kunst« und zeigt so etwa anfäng­lich per­vers oder ver­stö­rend anmu­ten­de Foto­gra­fien von And­res Fux, dar­un­ter gepierc­te und kor­sett­ar­tig ver­schnür­te Venus­hü­gel (»Chris­ti­ne«) oder extra­va­gan­te Intim­tat­toos (»Nico«).

Dimitri Vrubel und Victoria Timofeeva: Bruderkunst WerkstattTeil von »Bru­der­kunst Werk­statt«, © Dimi­t­ri Vru­bel und Vic­to­ria Timofeeva

Mein per­sön­li­ches High­light ist jedoch ein ande­res. Das Künst­ler­ehe­paar Dimi­t­ri Vru­bel und Vic­to­ria Timo­fee­va, das den meis­ten wohl bes­ser durch ihre Dar­stel­lung der sich innig küs­sen­den Bre­sch­new und Hon­ecker an der East Side Gal­lery bekannt sein dürf­te, beschäf­tigt sich auf­grund eige­ner Erfah­run­gen als in Deutsch­land leben­de Aus­län­der mit dem jüngs­ten Wir­bel um Thi­lo Sar­ra­zin und sein Buch.

Mit Koh­le­stift zeich­ne­ten sie Pres­se­fo­tos des Poli­ti­kers sowie Fotos diver­ser Aus­län­der nach, füg­ten auto­bio­gra­fi­sche Tex­te hin­zu und stel­len so die zwei Per­spek­ti­ven des Immi­gra­ti­ons­pro­blems gegen­über. Har­te Ein­sich­ten in die Rea­li­tät, die ein­bür­ge­rungs­wil­li­ge Ein­wan­de­rer in Deutsch­land Tag für Tag erle­ben. Vru­bel und Timo­fee­va liegt das Pro­blem offen­sicht­lich am Her­zen, erfuh­ren sie doch selbst, wel­che Hür­den Immi­gran­ten in Deutsch­land zu neh­men haben.

Die bei­den Künst­ler wol­len jedoch kei­ne Kri­tik an Sar­ra­zin üben, sie wol­len die Gesell­schaft zum Dis­kurs anre­gen. Dazu wol­len sie bald ein Pro­jekt ins Leben rufen, das es jedem ermög­li­chen soll, die im Ber­li­ner Kunst­sa­lon aus­ge­stell­ten und wei­te­re Wer­ke selbst aus­zu­dru­cken und etwa an Häu­ser­fas­sa­den anzu­brin­gen. Wie das aus­se­hen könn­te, wird etwa am Bei­spiel eines Mar­zah­n­er Plat­ten­baus ver­deut­licht, des­sen Gie­bel das Por­trät Sar­ra­zins sowie ein wei­te­rer, mar­ki­ger Ein­blick in den Immi­gran­ten­all­tag in Spruch­form ziert.

Ein frei­es, öffent­li­ches Pro­jekt also, das auch vor­sieht, dass in Schu­len und ande­ren offe­nen Foren zur Dis­kus­si­on gela­den wird. Auch Thi­lo Sar­ra­zin soll ein­ge­la­den wer­den. Was der davon hält, wis­sen die bei­den jedoch auch noch nicht…

 

Der Ber­li­ner Kunst­sa­lon wird auch die­ses mal sei­nem Anspruch gerecht, neue, bis­her unbe­kann­te Künst­ler und ihre Posi­tio­nen vor­zu­stel­len. Natür­lich lässt sich dabei nicht ver­mei­den, dass auch eini­ges zum Vor­schein kommt, was viel­leicht noch nicht reif genug für die gro­ße Büh­ne der Kunst­welt ist, doch das wird alle­mal durch eini­ge Per­len ent­schä­digt, die wohl nur die wenigs­ten Besu­cher vor­her kann­ten. Ob die­ses Ver­spre­chen auch die ande­ren Kunst­mes­sen auch ein­lö­sen kön­nen, wird sich zei­gen: Mor­gen gibt es mehr!

Der 7. Ber­li­ner Kunst­sa­lon fin­det vom
6. bis 10. Okto­ber von 14:00 bis 22:00 Uhr, am Sonn­tag bis 20:00 Uhr statt,
die Ver­nis­sa­ge war heu­te ab 17:00 Uhr (bis open end) zugange.
Der Ein­tritt kos­tet 8,00 bzw. 6,00 €, wenn man sich in der
a.station / Zen­tra­ler Vieh- und Schlacht­hof am S‑Bhf Lands­ber­ger Allee einfindet.