Mathis Grünewald: Auferstehung Christi, Teil des Isenheimer Altars (1515)
Obiges Zitat stammt aus dem Neuen Testament. Um genau zu sein, aus dem Johannesevangelium, Kapitel 20, Vers 9, aus einer Elberfelder Taschenbibel von 1914. Ich habe diesen Vers ausgewählt, weil er nicht nur beschreibt, dass selbst die Jünger Petrus und Johannes am dritten Tage, also am Ostersonntag, nicht verstanden, dass Jesus auferstehen müsse, sondern auch die viele Jahrhunderte lang andauernde Situation im christlichen Europa gut widerspiegelt: Dort, wo die Menschen nicht des Lesens mächtig waren, musste die Kunst einspringen, um den Menschen in schillernden »Worten« die hoffnungsvolle Geschichte Jesu zu erzählen.
In der Tat war die europäische und byzantinische Kunst lange untrennbar mit dem christlichen Glauben vereint, Künstler hatten wenigstens bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts den Stand von Dienstleistern für die Kirche. Aber auch danach war die katholische Kirche noch für lange Zeit der wichtigste Auftraggeber für Künstler in in ganz Europa.
Obgleich die Vorstellungen, was Kunst zu leisten habe, über diese Zeit und in diesem Kontext nahezu konstant blieben, entwickelten sich die künstlerischen Ideale fortwährend und konnten auch entgegen strengsten inhaltlichen Vorgaben durchgesetzt werden. Diese interessante und lebendige Entwicklung nachzuvollziehen ist sicherlich nicht in wenigen Minuten getan, doch anlässlich des heutigen höchsten kirchlichen Feiertages möchte ich einmal nachverfolgen, wie sich das Motiv der Auferstehung Christi über einige Jahrhunderte hinweg verändert hat.
Meister von Hohenfurth: Auferstehung Christi (1350)
»Jesus hat den Tod besiegt!«
Das erste Werk, das ich zu diesem Zweck ausgewählt habe, wurde um 1350 vom namentlich unbekannten Meister von Hohenfurth gemalt. Es zeigt die typischen Attribute, die für eine lange Zeit mit diesem Motiv verbunden waren. Schließlich gab es genaue Vorgaben, wie eine bestimmte biblische Szene zu malen sei, d.h. welche Elemente in welcher Form auftauchen müssen.
Der auferstandene Jesus, zu erkennen an den Stigmata, trägt in seiner Linken die Kreuezsfahne, ein Symbol des Sieges, als er aus dem geöffneten Grab steigt und auf den Betrachter, d.h. den Kirchgänger, zugeht. Auch die anderen Bildelemente sind typisch und tauchen immer wieder auf: der Engel am Grab (Mat 28,1–5), die drei Salbnerinnen und die schlafenden Wachen, die zuvor aufgestellt wurden, damit niemand den Leichnam entnehmen und behaupten könne, Jesus sei auferstanden.
Wie mag dieses Altarbild wohl auf die frommen Besucher der Ostermesse gewirkt haben? Zu einer solchen Feierlichkeit war die Hohenfurther Kirche sicherlich bis auf den letzten Platz besetzt. Aber auch in den hinteren Reihen wird man erkannt haben, worum es in dieser Darstellung geht. Kein störender Hintergrund lenkt von Jesus ab, der größer als alle anderen Gestalten dargestellt ist, aber auch die Marien am rechten Bildrand sind gut zu erkennen.
Am herausragendsten ist jedoch die Haltung Jesu: Direkt vor uns entsteigt er dem Grab, in diesem Moment besiegt er den Tod und schreitet von den erstaunten Wachen unbeeindruckt auf uns zu. Die Hand zur Ansprache erhoben wendet er sich an uns und man vermutet, dass er jeden Moment von seinem Sieg über den Tod künden wird.
Duccio: Erscheinung des auferstandenen Christus im Kreise der Apostel (1308–1311)
Der Italiener Duccio di Buoninsegna fertigte sein Auftragswerk für den Altar des Sieneser Doms zwar vor dem vorherigen Beispiel, nämlich zwischen 1308 und 1311, an, ich will mich ihm aber erst als zweites widmen. Die dargestellte Szene spielt eigentlich erst nach der Auferstehung Christi, es zeigt den Messias wie in Joh 20.19–23 beschrieben, als er zum Abendmahl der Apostel erscheint. Duccios Stil ist nicht typisch für seine Zeit, malte er doch eng am byzantinischen Vorbild, was an Jesu Gewand am deutlichsten wird. Es zeigt noch die abstrahierten, gold nachgemalten, gefächerten Gewandfalten, wie sie noch dreißig Jahre zuvor in Konstantinopel anzutreffen waren.
Die flächig wirkende Szene ist so gemalt, dass der Betrachter alles sehen kann: die elf Apostel, der Tisch und die Speisen sind wohl kaum klarer darzustellen, zudem ist jede Person dank eines strengen Ikonenkanons für den Eingeweihten zweifelsfrei zu erkennen. Wer 1320 den Dom von Siena besuchte, wusste sofort, wovon dieses Bild erzählte: Der heilige Messias ist auferstanden und zeigt nun seinen elf überraschten Jüngern seine Wundmale, auf dass sie ihn erkennen mögen. Er erhebt die Hände wie zur Ansprache, begrüßt die Apostel mit seinen Friedenswünschen und es ist klar: Jesus Christus hat dem Tod getrotzt, der Menschensohn ist auferstanden.
Dierick Bouts: Auferstehung Christi (1450–1460)
Diese frohe Nachricht wird in Dierick Bouts Auferstehungsdarstellung für einen Kreuzigungsaltar aus dem Zeitraum 1450 — 1460 noch deutlicher. Der Niederländer greift die tradierte Symbolik auf, wie man sie auch beim Meister von Hohenfurth wiederfindet: Kreuzesfahne, Grabesengel, die jüdischen Wachen und auch die drei Marien, die schon im Hintergrund herannahen, sind alle vereint.
Bouts Darstellung der Auferstehung unterscheidet sich gewaltig von den vorherigen Beispielen: So laufen die Kanten des Sarges und des Deckels zentralperspektivisch in Jesu Kopf zusammen und der Hintergrund ist hier auch schon ausgeführt und bewirkt ein für diese Zeit übliches Maß an Räumlichkeit. Zudem bewirkt das in den Hauptfiguren wiederkehrende Rot eine kompositorische Gruppierung, die die Handlung des Bildes verdichtet. Am wichtigsten ist hier auch wieder die Darstellung Jesu:
Der Moment der Auferstehung ist hier noch genauer als beim Meister von Hohenfeldt festgehalten. Waren dort schon alle Figuren am Grab vereinigt, also in einer Situation, die in der Bibel gar nicht so vorkommt, ist der Betrachter hier noch vor ihnen am Ort des Geschehens, nämlich in genau dem Moment, wo Jesus seinem Grab entsteigt. Zudem zwingt die Perspektive den Blick in das Gesicht des Messias, der hier mit noch viel bestimmter und ernsterer Miene über seinen Sieg triumphiert und nicht nur wie zuvor die überraschten Wachen ignoriert, sondern in Ehrfurcht vor ihm niedersinken oder zumindest ‑knieen lässt.
Bei Bouts wie auch bei seinem Zeitgenossen Plyedenwurff wirkt der auferstandene Heiland noch viel realer und eindringlicher als zuvor. Hier steht er nicht nur inhaltlich, sondern auch kompositorisch im Mittelpunkt und strahlt wesentlich mehr Macht und Triumphgefühl aus als zuvor.