»Denn sie kannten die Schrift noch nicht, daß er aus aus den Toten aufer­stehen mußte.«

04. April 2010 von Matthias Planitzer
Mathis Grünewald: Auferstehung Christi, Teil des Isenheimer Altars (1515) Obiges Zitat stammt aus dem Neuen Testament. Um genau zu sein, aus dem Johannesevangelium, Kapitel 20, Vers 9, aus einer Elberfelder Taschenbibel von 1914. Ich habe diesen Vers ausgewählt, weil er nicht nur beschreibt, dass selbst die Jünger Petrus und Johannes am dritten Tage, also am Ostersonntag, nicht verstanden, dass Jesus auferstehen müsse, sondern auch die viele Jahrhunderte lang andauernde Situation im christlichen Europa gut widerspiegelt: Dort, wo die Menschen nicht des Lesens mächtig waren, musste die Kunst einspringen, um den Menschen in schillernden "Worten" die hoffnungsvolle Geschichte Jesu zu erzählen. In der Tat war die europäische und byzantinische Kunst lange untrennbar mit dem christlichen Glauben vereint, Künstler hatten wenigstens bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts den Stand von Dienstleistern für die Kirche. Aber auch danach war die katholische Kirche noch für lange Zeit der wichtigste Auftraggeber für Künstler in in ganz Europa. Obgleich die Vorstellungen, was Kunst zu leisten habe, über diese Zeit und in diesem Kontext nahezu konstant blieben, entwickelten sich die künstlerischen Ideale fortwährend und konnten auch entgegen strengsten inhaltlichen Vorgaben durchgesetzt werden. Diese interessante und lebendige Entwicklung nachzuvollziehen ist sicherlich nicht in wenigen Minuten getan, doch anlässlich des heutigen höchsten kirchlichen Feiertages möchte ich einmal nachverfolgen, wie sich das Motiv der Auferstehung Christi über einige Jahrhunderte hinweg verändert hat.

Mathis Grünewald: Auferstehung Christi, Teil des Isenheimer AltarsMathis Grü­ne­wald: Auf­er­ste­hung Chris­ti, Teil des Isen­hei­mer Altars (1515)

Obi­ges Zitat stammt aus dem Neu­en Tes­ta­ment. Um genau zu sein, aus dem Johan­nes­evan­ge­li­um, Kapi­tel 20, Vers 9, aus einer Elber­fel­der Taschen­bi­bel von 1914. Ich habe die­sen Vers aus­ge­wählt, weil er nicht nur beschreibt, dass selbst die Jün­ger Petrus und Johan­nes am drit­ten Tage, also am Oster­sonn­tag, nicht ver­stan­den, dass Jesus auf­er­ste­hen müs­se, son­dern auch die vie­le Jahr­hun­der­te lang andau­ern­de Situa­ti­on im christ­li­chen Euro­pa gut wider­spie­gelt: Dort, wo die Men­schen nicht des Lesens mäch­tig waren, muss­te die Kunst ein­sprin­gen, um den Men­schen in schil­lern­den »Wor­ten« die hoff­nungs­vol­le Geschich­te Jesu zu erzählen.

In der Tat war die euro­päi­sche und byzan­ti­ni­sche Kunst lan­ge untrenn­bar mit dem christ­li­chen Glau­ben ver­eint, Künst­ler hat­ten wenigs­tens bis zum Beginn des 15. Jahr­hun­derts den Stand von Dienst­leis­tern für die Kir­che. Aber auch danach war die katho­li­sche Kir­che noch für lan­ge Zeit der wich­tigs­te Auf­trag­ge­ber für Künst­ler in in ganz Europa.

Obgleich die Vor­stel­lun­gen, was Kunst zu leis­ten habe, über die­se Zeit und in die­sem Kon­text nahe­zu kon­stant blie­ben, ent­wi­ckel­ten sich die künst­le­ri­schen Idea­le fort­wäh­rend und konn­ten auch ent­ge­gen strengs­ten inhalt­li­chen Vor­ga­ben durch­ge­setzt wer­den. Die­se inter­es­san­te und leben­di­ge Ent­wick­lung nach­zu­voll­zie­hen ist sicher­lich nicht in weni­gen Minu­ten getan, doch anläss­lich des heu­ti­gen höchs­ten kirch­li­chen Fei­er­ta­ges möch­te ich ein­mal nach­ver­fol­gen, wie sich das Motiv der Auf­er­ste­hung Chris­ti über eini­ge Jahr­hun­der­te hin­weg ver­än­dert hat.

Meister von Hohenfurth: Auferstehung Christi (1350)Meis­ter von Hohen­furth: Auf­er­ste­hung Chris­ti (1350)

»Jesus hat den Tod besiegt!«

Das ers­te Werk, das ich zu die­sem Zweck aus­ge­wählt habe, wur­de um 1350 vom nament­lich unbe­kann­ten Meis­ter von Hohen­furth gemalt. Es zeigt die typi­schen Attri­bu­te, die für eine lan­ge Zeit mit die­sem Motiv ver­bun­den waren. Schließ­lich gab es genaue Vor­ga­ben, wie eine bestimm­te bibli­sche Sze­ne zu malen sei, d.h. wel­che Ele­men­te in wel­cher Form auf­tau­chen müssen.

Der auf­er­stan­de­ne Jesus, zu erken­nen an den Stig­ma­ta, trägt in sei­ner Lin­ken die Kreuezs­fah­ne, ein Sym­bol des Sie­ges, als er aus dem geöff­ne­ten Grab steigt und auf den Betrach­ter, d.h. den Kirch­gän­ger, zugeht. Auch die ande­ren Bild­ele­men­te sind typisch und tau­chen immer wie­der auf: der Engel am Grab (Mat 28,1–5), die drei Salb­ne­rin­nen und die schla­fen­den Wachen, die zuvor auf­ge­stellt wur­den, damit nie­mand den Leich­nam ent­neh­men und behaup­ten kön­ne, Jesus sei auferstanden.

Wie mag die­ses Altar­bild wohl auf die from­men Besu­cher der Oster­mes­se gewirkt haben? Zu einer sol­chen Fei­er­lich­keit war die Hohen­fur­ther Kir­che sicher­lich bis auf den letz­ten Platz besetzt. Aber auch in den hin­te­ren Rei­hen wird man erkannt haben, wor­um es in die­ser Dar­stel­lung geht. Kein stö­ren­der Hin­ter­grund lenkt von Jesus ab, der grö­ßer als alle ande­ren Gestal­ten dar­ge­stellt ist, aber auch die Mari­en am rech­ten Bild­rand sind gut zu erkennen.

Am her­aus­ra­gends­ten ist jedoch die Hal­tung Jesu: Direkt vor uns ent­steigt er dem Grab, in die­sem Moment besiegt er den Tod und schrei­tet von den erstaun­ten Wachen unbe­ein­druckt auf uns zu. Die Hand zur Anspra­che erho­ben wen­det er sich an uns und man ver­mu­tet, dass er jeden Moment von sei­nem Sieg über den Tod kün­den wird.

Duccio di Buoninsegna: Erscheinung des auferstandenen Christus im Kreise der ApostelDuc­cio: Erschei­nung des auf­er­stan­de­nen Chris­tus im Krei­se der Apos­tel (1308–1311)

Der Ita­lie­ner Duc­cio di Buon­in­segna fer­tig­te sein Auf­trags­werk für den Altar des Sie­ne­ser Doms zwar vor dem vor­he­ri­gen Bei­spiel, näm­lich zwi­schen 1308 und 1311, an, ich will mich ihm aber erst als zwei­tes wid­men. Die dar­ge­stell­te Sze­ne spielt eigent­lich erst nach der Auf­er­ste­hung Chris­ti, es zeigt den Mes­si­as wie in Joh 20.19–23 beschrie­ben, als er zum Abend­mahl der Apos­tel erscheint. Duc­ci­os Stil ist nicht typisch für sei­ne Zeit, mal­te er doch eng am byzan­ti­ni­schen Vor­bild, was an Jesu Gewand am deut­lichs­ten wird. Es zeigt noch die abs­tra­hier­ten, gold nach­ge­mal­ten, gefä­cher­ten Gewand­fal­ten, wie sie noch drei­ßig Jah­re zuvor in Kon­stan­ti­no­pel anzu­tref­fen waren.

Die flä­chig wir­ken­de Sze­ne ist so gemalt, dass der Betrach­ter alles sehen kann: die elf Apos­tel, der Tisch und die Spei­sen sind wohl kaum kla­rer dar­zu­stel­len, zudem ist jede Per­son dank eines stren­gen Iko­nen­ka­nons für den Ein­ge­weih­ten zwei­fels­frei zu erken­nen. Wer 1320 den Dom von Sie­na besuch­te, wuss­te sofort, wovon die­ses Bild erzähl­te: Der hei­li­ge Mes­si­as ist auf­er­stan­den und zeigt nun sei­nen elf über­rasch­ten Jün­gern sei­ne Wund­ma­le, auf dass sie ihn erken­nen mögen. Er erhebt die Hän­de wie zur Anspra­che, begrüßt die Apos­tel mit sei­nen Frie­dens­wün­schen und es ist klar: Jesus Chris­tus hat dem Tod getrotzt, der Men­schen­sohn ist auferstanden.

Dierick Bouts: Auferstehung Christi (1450-1460)Die­rick Bouts: Auf­er­ste­hung Chris­ti (1450–1460)

Die­se fro­he Nach­richt wird in Die­rick Bouts Auf­er­ste­hungs­dar­stel­lung für einen Kreu­zi­gungs­al­tar aus dem Zeit­raum 1450 — 1460 noch deut­li­cher. Der Nie­der­län­der greift die tra­dier­te Sym­bo­lik auf, wie man sie auch beim Meis­ter von Hohen­furth wie­der­fin­det: Kreu­zes­fah­ne, Gra­bes­en­gel, die jüdi­schen Wachen und auch die drei Mari­en, die schon im Hin­ter­grund her­an­na­hen, sind alle vereint.

Bouts Dar­stel­lung der Auf­er­ste­hung unter­schei­det sich gewal­tig von den vor­he­ri­gen Bei­spie­len: So lau­fen die Kan­ten des Sar­ges und des Deckels zen­tral­per­spek­ti­visch in Jesu Kopf zusam­men und der Hin­ter­grund ist hier auch schon aus­ge­führt und bewirkt ein für die­se Zeit übli­ches Maß an Räum­lich­keit. Zudem bewirkt das in den Haupt­fi­gu­ren wie­der­keh­ren­de Rot eine kom­po­si­to­ri­sche Grup­pie­rung, die die Hand­lung des Bil­des ver­dich­tet. Am wich­tigs­ten ist hier auch wie­der die Dar­stel­lung Jesu:

Der Moment der Auf­er­ste­hung ist hier noch genau­er als beim Meis­ter von Hohen­feldt fest­ge­hal­ten. Waren dort schon alle Figu­ren am Grab ver­ei­nigt, also in einer Situa­ti­on, die in der Bibel gar nicht so vor­kommt, ist der Betrach­ter hier noch vor ihnen am Ort des Gesche­hens, näm­lich in genau dem Moment, wo Jesus sei­nem Grab ent­steigt. Zudem zwingt die Per­spek­ti­ve den Blick in das Gesicht des Mes­si­as, der hier mit noch viel bestimm­ter und erns­te­rer Mie­ne über sei­nen Sieg tri­um­phiert und nicht nur wie zuvor die über­rasch­ten Wachen igno­riert, son­dern in Ehr­furcht vor ihm nie­der­sin­ken oder zumin­dest ‑knie­en lässt.

Bei Bouts wie auch bei sei­nem Zeit­ge­nos­sen Ply­eden­wurff wirkt der auf­er­stan­de­ne Hei­land noch viel rea­ler und ein­dring­li­cher als zuvor. Hier steht er nicht nur inhalt­lich, son­dern auch kom­po­si­to­risch im Mit­tel­punkt und strahlt wesent­lich mehr Macht und Tri­umph­ge­fühl aus als zuvor.