
Die Frage, was Pornografie von Kunst unterscheidet, ist wahrscheinlich so alt wie die Pornografie selbst. Und kann vermutlich nicht einmal annähernd geklärt werden — vorausgesetzt, eine Unterscheidung ist heute überhaupt noch von Belang. Ob Pornos eine eigene Kunstgattung darstellen, will ich gar nicht näher auseinandersetzen, viel interessanter scheint es mir, wie Künstler in ihren Arbeiten mit Pornos umgehen, sie bewusst einsetzen und zum zentralen Thema ihrer Werke machen.
Einer von diesen Künstlern ist der ohnehin beachtenswerte Fernando Sanchez, der sich der Pornographie in »Me and my girlfriend« auf eine gelungene Art und Weise genähert hat.
(Ach — und wer hätte es gedacht -, nach dem Klick wird’s noch freizügiger.)

Pornografie fußt auf einer gewissen Vorliebe für Voyeurismus: zuschauen und im Hintergrund bleiben. Kameras bieten an dieser Stelle den Vorteil, nicht persönlich und v.a. unbemerkt am Geschehen teilhaben zu können. Der Zuschauer wird nur passiv mit einbezogen. Was aber, wenn er wider Erwarten doch Teil der Handlung wird?
Das dachte sich womöglich auch Fernando Sanchez, der Szenenschnipsel aus Amateurpornos gesammelt hat, in denen die Darsteller in die Kamera schauen und somit gewissermaßen eine Verbindung zum Zuschauer aufbauen. Aneinander gereiht entstand so das fast achtminütige Video »Me and my girlfriend«. Der Zuschauer fühlt sich fast bedrängt, wird er doch auf einmal zum Beobachteten, ist er es, der in einem intimen, oftmals peinlich erlebtem Moment überrascht wird.
Mehr noch, erzählen diese Szenen doch auch etwas über die aufgenommenen Paare. Viele der Darsteller scheinen besorgt (Bin ich gut genug? Kann man mich auch sehen?), ja sogar in Gedanken verloren. Bei manchen vermutet man Ängstlichkeit, wer da wohl zuschaue, andere wirken schlicht lustlos. Ein Sinnbild für die Pornoindustrie? Die Metapher vom ewig traurigen Clown?
Es ist aber auch eine Anspielung auf den stetig wachsenden Markt der Pornoindustrie. Allein US-amerikanische Firmen erwirtschaften jährlich 13 Milliarden Dollar, etwa 1% des dortigen Bruttoinlandproduktes. Pornos sind also längst etabliert, im übrigen denkt der Verbraucher ebenso wenig darüber nach wie über seinen Lieblingsjoghurt. Folge ist hier wie dort eine reine Konsumhaltung, wobei der Zuschauer zum bloßen Rezipienten degradiert, das Verhältnis streng einseitig ist.
Dieses Prinzip wird jedoch in »Me and my girlfriend« ins Gegenteil verkehrt: Die Amateurdarsteller, die also kein wirtschaftliches Interesse verfolgen, fordern den Zuschauer mit einem Mal auf, sein Konsumverhalten zu durchbrechen und — wenn auch nur kurz — die Situation zu reflektieren. Auf einmal wendet sich das Produkt gegen den Konsumenten, stiftet Verwirrung und ist ein echtes Überraschungsmoment. (Bis auf die moralische Konnotation, die wird man im Porno wohl vermissen.) Es zwingt ihn genau dazu, was er nicht tun will: nachdenken.
Unterm Strich jedoch, das Erlebnis Porno ist mit Szenen wie aus »Me and my girlfriend« wohl versaut…
Habe mir den 8 Minütigen kaum Jugendfreien Film von Herrn Sanchez angesehen, ein Names eines Pornodarstellers würdig oder einer guten Schokolade.
Und ja ich kann deinen Gedankensträngen folgen, auch wenn ich glaube das du viel zu weit gehst in deiner Argumentation der umgekehrten Konsumtheorie… Viel mehr glaube ich das die Blicke in die Kamera einfach nur Zeichen von Hilfloser Unprofessionalität sind. Somit sind Amateurpornos schon Kunst aber zu vergleichen mit Bildern gemal von 5. Klässlern!
Gut, man kann da natürlich anderer Meinung sein. Und ich geb auch zu, dass ich zu dem Punkt unter einem gewissen Ideenrausch geschrieben habe.
Und sicherlich sind die Blicke auch ein Zeichen von Unprofessionalität, aber irgendeinen Zweck oder irgendeine Absicht (im psychologischen Sinne) müssen sie ja verfolgen. Es heißt ja so schön: »Man kann nicht nicht kommunizieren«, das zentrale Dogma der Kommunikationstheorie. Ich finde, die Paare geben schon etwas über sich preis, nicht nur, dass sie Amateure sind. Eben auch die genannten Dinge: Unsicherheit, Sorge um das eigene Aussehen etc. Und das sind auch Dinge, die man wohl von einem (professionellen) Porno nicht erwarten würde — vielleicht, weil die Darsteller sonst diese Probleme zu überspielen wissen?
Hi this is the artist who compiled this work, and i agree with much of the argument here and the previous 2 comments lack insight to the sensibility of sexuality today. Concern for their appearance should be a readymade, an obvious reality — but beyond that lies and extreme sales pitch, invested of course in the body, in performance. The fact is that they are looking at themselves but in our age of social media that means they are looking at us, cause we are too self-aware. But I’m not a huge fan of intellectualism these days. enjoy the snow, i miss berlin. ciao.
Neulich kam bei SternTV eine sehr interessante Sendung, bei der überprüft wurde, wie reif Deutschland tatsächlich ist. Körperlich können Teenager schon mit Erwachsenen mithalten, aber geistig konnte ich bedeutende Unterschiede feststellen. Ein Mitarbeiter einer Jugendorganisation hat erklärt, dass ihm regelmäßig Videos von eindeutigen Akten seiner Schüler angeboten werden, damit er diese bewerten kann. Natürlich versucht er dann zu erklären, dass es eine sehr falsche Einstellung ist. Viele Jugendliche, die in den falschen Kreis gelangen, haben sehr unterschiedliche Ansichten von Liebe und Sex.
Wenn ich mich korrekt an eine Vorlesung zurück erinnere, so haben in Deutschland 30% aller 14jährigen bereits Kontakt mit Pornographie gehabt, die gewalttätige Handlungen, Sodomie o.Ä. zum Inhalt hat. Weitere 60% hatten bereits Kontakt mit »gewöhnlicher« Pornographie. So im Dreh waren die Prozentsätze angeordnet, man kann sich vorstellen, wie ungläubig und erschrocken zugleich wir ausgeschaut haben müssen.
Pornokonsum ist in diesem Alter nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste, doch der Zugang zu härteren Pornos und insbesondere solchen, die bereits die Grenze zur Illegalität überschritten haben, ist doch erschreckend einfach. In diesem Alter prägt sich der größte Teil des Sexualverhaltens, da können solche Einflüsse durchaus ihre Spuren hinterlassen.