Der Moment der Balance

20. Dezember 2009 von Matthias Planitzer
Untitled, aus "(un)balanced", © Frederic Geurts Es gibt so manche Künstler, die - einmal ihr optimales Medium gefunden - nur noch mit diesem arbeiten und immer wieder neue Perspektiven und Ansätze explorieren. Die Kunstgeschichte ist voll von solchen Beispielen, nicht selten behält man heute einzelne Künstler vornehmlich dafür im Gedächtnis: Da wäre Rembrandts genialer Umgang mit dem Licht, Alexander Calders Mobiles oder auch Yves Kleins Ultramarinblau. Solche Künstler verstehen es, sich und ihr Medium immer wieder neu zu erfinden. Der Belgier Frederic Geurts könnte einer von ihnen sein. Er arbeitet mit stählernen oder mit Polyesternetz ausgespannten Segeln, die mal im Raum zu schweben scheinen, mal denselbigen durchziehen, mal den Betrachter zu erdrücken, mal jenseits von Raum und Zeit zu existieren scheinen.

Frederic Geurts: (un)balancedUntit­led, aus »(un)balanced«, © Fre­de­ric Geurts

Es gibt so man­che Künst­ler, die — ein­mal ihr opti­ma­les Medi­um gefun­den — nur noch mit die­sem arbei­ten und immer wie­der neue Per­spek­ti­ven und Ansät­ze explo­rie­ren. Die Kunst­ge­schich­te ist voll von sol­chen Bei­spie­len, nicht sel­ten behält man heu­te ein­zel­ne Künst­ler vor­nehm­lich dafür im Gedächt­nis: Da wäre Rem­brandts genia­ler Umgang mit dem Licht, Alex­an­der Cal­ders Mobi­les oder auch Yves Kleins Ultramarinblau.

Sol­che Künst­ler ver­ste­hen es, sich und ihr Medi­um immer wie­der neu zu erfin­den. Der Bel­gi­er Fre­de­ric Geurts könn­te einer von ihnen sein. Er arbei­tet mit stäh­ler­nen oder mit Poly­es­ter­netz aus­ge­spann­ten Segeln, die mal im Raum zu schwe­ben schei­nen, mal den­sel­bi­gen durch­zie­hen, mal den Betrach­ter zu erdrü­cken, mal jen­seits von Raum und Zeit zu exis­tie­ren scheinen.

Frederic Geurts: (un)balancedUntit­led, aus »(un)balanced«, © Fre­de­ric Geurts

Ein Glück, dass ich doch den E‑Mail-News­let­ter las, hät­te ich doch sonst nicht von Geurts‹ jüngs­tem Werk erfah­ren, das der­zeit in der gro­ßen Solo­aus­stel­lung »(un)balanced« im bel­gi­schen Has­selt gezeigt wird. Das 18 Meter lan­ge, drei Meter hohe, nur drei Mil­li­me­ter dün­ne, dafür aber 500kg schwe­re Alu­mi­ni­um­se­gel steht auf sei­ner dünns­ten Sei­te, scheint jeden Moment umzu­fal­len, hält jedoch wider Erwar­ten die Balan­ce. Man­cher­orts steht es fast auf­recht, andern­orts dage­gen hängt es mehr über dem Boden, als dass es sicher zu ste­hen scheint.

Man betrach­tet jenes Segel von allen Sei­ten, fürch­tet sich hier, von ihm zer­drückt zu wer­den, mag dort den Moment erah­nen, wo es über­kippt und andern­orts steht es auf­recht, hebt gar vom Boden ab. Die­ser Effekt wird ins­be­son­de­re durch das schwer anmu­ten­de Mate­ri­al ver­stärkt, das ero­diert und mit Nie­ten ver­se­hen mehr an eine Schiffs­haut erin­nert, denn an ein luf­ti­ges Segel. Geurts bringt es auf den Punkt:

I went in search of the tip­ping moment, the moment of almost fal­ling over.

Und erin­nert mich wie­der ein­mal an Bas Jan Ader, der ja eben die­ses Los­las­sen, die­ses Auf­ge­ben der Kon­trol­le über sich selbst als sein Medi­um, in Form der Schwer­kraft, aus­er­ko­ren hat­te. Fre­de­ric Geurts jedoch dehnt die­sen Moment in sei­nen Wer­ken aus, lotet sei­ne Gren­zen aus. Fer­ner, als Raum­in­stal­la­ti­on ver­mag es den lang­ge­streck­ten und sta­ti­schen Raum aus dem Lot zu brin­gen — und bringt damit auch den Betrach­ter aus dem Gleichgewicht.

 

Wer die Aus­stel­lung »(un)balanced« noch besu­chen will, der hat noch bis zum 7. Febru­ar Zeit — muss aller­dings den Weg zum z33 im bel­gi­schen Has­selt auf sich neh­men. Dafür wird man mit einer gro­ßen Ein­zel­aus­stel­lung Geurts‹ belohnt, die neben dem Alu­mi­ni­um­se­gel auch noch ande­re raum­durch­span­nen­de, hauch­dün­ne Instal­la­tio­nen, schwin­gen­de Pen­del und Spi­ra­len — eben alles unter dem pas­sen­den Titel »(un)balanced« — bereithält