Are you ready? Shoot!

25. Dezember 2009 von Matthias Planitzer
"Shoot" (Videoausschnitt), © Chris Burden Man sagt, eine Gesellschaft finde sich in seiner Kultur, seinen Erzählungen, seiner Musik, seinen Filmen, seiner Kunst wieder. Das Amerika der 50er und 60er Jahre hat - was Kinofilme anbetrifft - heute noch bedeutsame Werke hervorgebracht: "Wege zum Ruhm", "Bonnie und Clyde" (1967), "Point Blank" (1967), "Spiel mir das Lied vom Tod" (1968). Filme, die Waffengebrauch, Krieg und Tod romantisieren und verklären, zuweilen auch pointieren. Als sich dann in den späten 60er Jahren für den seit 1965 herrschenden Vietnamkrieg ein politisch schmachvolles Ende abzeichnete und das persönliche Leid vieler Amerikaner - ob im Dschungel oder daheim - in den Vordergrund trat, nahm man vom heroisierten Bild der Hollywoodproduktionen Abstand und gewann eine andere Perspektive. Als der Vietnamkrieg 1971 in der Öffentlichkeit als bereits gescheitert angesehen wurde, erregte ein Kunststudent namens Chris Burden die öffentliche Aufmerksamkeit: Er veröffentlichte einen kurzen Film, den er zu Beginn selbst kommentiert und darin ankündigt, was geschehen werde und worauf zu achten sei. Im Weiteren bleibt das Bild schwarz, nur der Ton bleibt. Dann sieht man Burden vor einer weißen Wand stehen, ein Freund und Kommilitone steht einige Meter vor ihm und zielt mit einem Gewehr auf den Künstler. Er drückt ab, trifft Burden in den Arm und beide verlassen die Szenerie.

Chris Burden: Shoot»Shoot« (Video­aus­schnitt), © Chris Burden

Man sagt, eine Gesell­schaft fin­de sich in sei­ner Kul­tur, sei­nen Erzäh­lun­gen, sei­ner Musik, sei­nen Fil­men, sei­ner Kunst wie­der. Das Ame­ri­ka der 50er und 60er Jah­re hat — was Kino­fil­me anbe­trifft — heu­te noch bedeut­sa­me Wer­ke her­vor­ge­bracht: »Wege zum Ruhm«, »Bon­nie und Cly­de« (1967), »Point Blank« (1967), »Spiel mir das Lied vom Tod« (1968). Fil­me, die Waf­fen­ge­brauch, Krieg und Tod roman­ti­sie­ren und ver­klä­ren, zuwei­len auch poin­tie­ren. Als sich dann in den spä­ten 60er Jah­ren für den seit 1965 herr­schen­den Viet­nam­krieg ein poli­tisch schmach­vol­les Ende abzeich­ne­te und das per­sön­li­che Leid vie­ler Ame­ri­ka­ner — ob im Dschun­gel oder daheim — in den Vor­der­grund trat, nahm man vom heroi­sier­ten Bild der Hol­ly­wood­pro­duk­tio­nen Abstand und gewann eine ande­re Perspektive.

Als der Viet­nam­krieg 1971 in der Öffent­lich­keit als bereits geschei­tert ange­se­hen wur­de, erreg­te ein Kunst­stu­dent namens Chris Bur­den die öffent­li­che Auf­merk­sam­keit: Er ver­öf­fent­lich­te einen kur­zen Film, den er zu Beginn selbst kom­men­tiert und dar­in ankün­digt, was gesche­hen wer­de und wor­auf zu ach­ten sei. Im Wei­te­ren bleibt das Bild schwarz, nur der Ton bleibt. Dann sieht man Bur­den vor einer wei­ßen Wand ste­hen, ein Freund und Kom­mi­li­to­ne steht eini­ge Meter vor ihm und zielt mit einem Gewehr auf den Künst­ler. Er drückt ab, trifft Bur­den in den Arm und bei­de ver­las­sen die Szenerie.

»Shoot« nimmt aller­dings nicht nur auf die Demas­kie­rung des Krie­ges Bezug, es fand auch in einer Zeit statt, als in den USA poli­tisch moti­vier­te Atten­ta­te eine erns­te Bedro­hung für die öffent­li­che Ord­nung dar­stell­ten — weni­ge Jah­re zuvor wur­den Ken­ne­dy (1963) und Mar­tin Luther King (1968) auf öffent­li­chen Kund­ge­bun­gen erschos­sen. Dar­über hin­aus rich­tet es sich auch an eine Gesell­schaft, die in ihrer Ver­fas­sung das Recht ver­an­kert hat, eine Waf­fe bei sich zu tra­gen — mehr noch: »Shoot« bringt auch zum Aus­druck, dass selbst ein Bekann­ter, gar ein Freund, zum Atten­tä­ter wer­den könnte.

Chris Bur­den wur­de mit »Shoot« schlag­ar­tig welt­be­kannt und hat noch für lan­ge Zeit Per­for­mance Art mit ähn­lich phy­si­scher Tor­tur geschaf­fen. (Nicht nur für sich selbst — so nahm er 1972 in »T.V. Hijack« wäh­rend eines ech­ten Inter­views mit ihm die Mode­ra­to­rin als Gei­sel, um spä­ter dar­auf hin­zu­wei­sen, dass media­le Kon­trol­le ein Hirn­ge­spinst sei.) Den­noch bleibt Bur­den vor allem für »Shoot« im Gedächt­nis, eine Arbeit, die seit­dem auch immer wie­der von Kol­le­gen neu auf- und aus­ge­legt wurde.

Jonathan Monk»Dead­man«, © Jona­than Monk

Einer von ihnen ist der Bri­te Jona­than Monk, der bekann­te Wer­ke ande­rer Künst­ler nach­stellt, häu­fig kari­kiert, zuwei­len neu inter­pre­tiert. Im Jah­re 2006 wid­me­te er sich »Shoot« in sei­ner eige­nen Arbeit »Dead­man«. Es besteht aus einer am Boden lie­gen­den Wachs­fi­gur, die Chris Bur­den ähnelt, mit einem wei­ßen Tuch zuge­deckt und einer blu­ti­gen Wun­de in der rech­ten Brust. Im Gegen­satz zu Bur­dens Ori­gi­nal hat der Schuss nicht wie geplant den rech­ten Arm getrof­fen, son­dern ver­fehlt und statt­des­sen den Kunst­stu­den­ten getötet.

Der Titel »Dead­man« dürf­te kein zufäl­li­ger sein. Bur­den hat­te unter 1972 dem­sel­ben Titel eine Per­for­mance dar­ge­stellt, für die er sich mit einer Pla­ne bedeckt nachts auf eine viel befah­re­ne Stra­ße leg­te; zwei Warn­fa­ckeln neben sei­nem Kopf, die inner­halb von 15 Minu­ten schwä­cher wer­den und letzt­lich ganz erlö­schen soll­ten, sodass das Risi­ko, über­fah­ren zu wer­den, im Lau­fe der Zeit zuneh­men wür­de. Die­se Per­for­mance wur­de jedoch schnell von der Poli­zei abge­bro­chen, was für Bur­den eine emp­find­li­che Stra­fe nach sich zog.

Bur­den gehör­te wohl auch außer­halb sei­nes künst­le­ri­schen Daseins den radi­ka­le­ren stu­den­ti­schen Strö­mun­gen sei­ner Zeit an. So stellt Jona­than Mon­ks »Dead­man« einer­seits eine Kari­ka­tur auf das von Auto­ag­gres­si­on gepräg­te Gesamt­werk Bur­dens dar, nimmt aber mög­li­cher­wei­se auch Bezug auf das gegen­wär­ti­ge Phä­no­men der Schul- und Unimassaker.

So trans­fe­rier­ten auch Eva und Fran­co Mat­tens Bur­dens »Shoot« 2007 in einen gegen­wär­ti­gen Kon­text. Das Künst­ler­duo hat sich ganz dem Inter­net­zeit­al­ter ver­schrie­ben, so etwas das Com­pu­ter­vi­rus als Medi­um ent­deckt oder — wie auch in die­sem Fall — in der Rei­he »Syn­the­tic Per­for­man­ces« bereits exis­tie­ren­de Wer­ke in Second Life nach­ge­stellt. Bur­dens »Shoot« wird bei ihnen sti­li­siert, um sei­ne emo­tio­na­len Kon­no­ta­tio­nen beschnit­ten und von einem phy­si­schen auf einen bes­ten­falls men­ta­len Level über­tra­gen. In einem Inter­view heißt es dazu:

What does it mean for you, to work on an online vir­tu­al performance?
In Syn­the­tic Worlds, like Second Life, space, mat­ter, body and action are radi­cal­ly dif­fe­rent from the »phy­si­cal world«. Fee­lings like pain and plea­su­re are com­ple­te­ly abs­tract, mental.

Spie­le wie Second Life als Novum der Gegen­wart füh­ren dem­nach zu einer emo­tio­na­len Trans­for­ma­ti­on, viel­leicht auch einer Aus­dün­nung — wer will, kann die­ses Phä­no­men auch in Spie­len wie Coun­terstrike ver­fol­gen. Was 1971 noch in der phy­si­schen und rea­len Welt Auf­se­hen erreg­te, kann 2007 im men­ta­len und vir­tu­el­len Kon­text kaum einen mehr hin­term Ofen vor­lo­cken, und lässt damit die Fra­ge offen, inwie­fern Gewalt, zumin­dest das Kon­zept, die Natur dahin­ter, baga­tel­li­siert werden.

 

Wie­der ein­mal fin­de ich es erstaun­lich, wie sich ein künst­le­ri­sches Motiv im Lau­fe der Geschich­te ver­än­dern kann, wie es den gegen­wär­ti­gen Gege­ben­hei­ten und Ansprü­chen ange­passt und so umfor­mu­liert wird. Chris Bur­dens »Shoot« und die fol­gen­den Adapt­a­tio­nen spie­geln auch gewis­ser­ma­ßen eine (ver­meint­li­che?) Ten­denz der Radi­ka­li­sie­rung in Gesell­schaft und Kunst wieder.

Bur­den, der seit 1978 Pro­fes­sor in Los Ange­les war, leg­te zusam­men mit sei­ner eben­falls dort leh­ren­den Ehe­frau Nan­cy Rubins im Jah­re 2004 aus Pro­test sein Hoch­schul­amt ab. Der Stu­dent Joseph Deutch hat­te wäh­rend einer Vor­le­sung über Per­for­mance Art eine Waf­fen-Repli­ka an sei­nen Kopf gehal­ten, den Saal ver­las­sen und dann einen Feu­er­werks­kör­per gezün­det — und die Anwe­sen­den im Glau­ben gehal­ten, er habe sich öffent­lich umge­bracht. Das dar­auf­hin ein­be­stell­te Uni-Gre­mi­um sah mit 2:1 Stim­men von der Exma­tri­ku­la­ti­on (wegen Ver­let­zung des Waf­fen­ver­bots) ab, wor­auf­hin Bur­den und Rubins auf ihre Ämter ver­zich­te­ten.

Kommentare

  1. Tol­ler Artikel!