»Neon Wall«, © Jeppe Hein
Zeitgenössische Kunst — Contemporary Art -, eine Popkultur oder eine Kultur auf dem Weg dorthin, welche sich auch von anderen ihrer Art in einem Punkt nicht unterscheidet: Nicht alles, was glänzt, ist Gold. Manche verfolgen die Nachrichten um ihre künstlerischen Idole so intensiv, dass sie nicht mehr kritisch denken können (auch am 1. April nicht) und somit ihre Selbstbestimmung aufgeben. »Der Kult des Künstlers«: Ikonen werden geboren, Ikonen sterben gelegentlich auch.
Ein solcher Stern am Kunsthimmel ist auch Jeppe Hein. Im Unterschied zu Damien Hirst und anderen verzichtet er jedoch auf publikumswirksame Skandale und Provokationen und fesselt die Betrachter seiner Werke lieber mit aussagekräftigen Lehren über Selbst- und Fremdbestimmtheit.
Ein Beispiel dafür ist die Arbeit mit dem selbsterklärenden Titel »Neon Wall«. Kommt man der Installation von der einen Seite nahe, gehen die Neonröhren an der jeweiligen Stelle aus — und wieder an, wenn man sich wieder entfernt.
Will man die Essenz der Arbeit verstehen, sich ihr im Geiste und folglich auch räumlich nähern, so verweigert sich »Neon Wall« und zieht sich wie die Mimose schützend zurück, entzieht sich seiner Betrachtung. Nur aus der Ferne vermag man also die Installation verstehen, als Außenstehender, der die Interaktion zwischen Werk und anderen Besuchern beobachtet.
»Space in Action/Action in Space«, © Jeppe Hein
Auf der Biennale di Venezia 2003 zeigte der gebürtige Däne seine wohl bekannteste Arbeit: Ein kreisrunder Wasservorhang, erzeugt von einem Ring aus Fontänen. Nähert sich eine Person der Installation, senkt sich die Wasserwand an dieser Stelle und gewährt trockenen Zugang zum Inneren. Einmal auf das Angebot eingegangen, schießt die Fontäne wieder hoch und hält die Person so lange gefangen und von der Außenwelt abgeschirmt, bis von außen wieder ein Zugang geöffnet wird.
Wer bestimmt über wen? Ist es der Betrachter, der die Fontänen verstummen lässt, oder sind es die Fontänen, die ihn in ihre Mitte locken? Einladung oder Falle? Wie selbstbestimmt kann man handeln? Das letzte Wort ist oftmals nicht das eigene.
»Shaking Cube«, © Jeppe Hein
Auch »Shaking Cube« (ab 1:18), ein schlichter Aluminiumwürfel, reagiert auf die Präsenz des Betrachters. Kommt man ihm zu nahe, schüttelt er sich wie wild und kreischt laut in die Stille des Ausstellungsraumes hinein, als wolle er verzweifelt um Hilfe rufen. Nimmt der überraschte (und oftmals auch peinlich berührte) Besucher Abstand, hört der Spuk auf und der »Shaking Cube« ist wieder das, wonach er ausschaut: Ein unscheinbarer Metallwürfel.
Wieder einmal haben die menschliche Neugier und die Interaktion zwischen Werk und Betrachter zu einem unerwarteten Ergebnis geführt.
Jeppe Hein ist längst in der internationalen Kunstszene etabliert. Der gebürtige Däne mit Wohnsitz in Berlin hat seit Mitte 2001 bereits in mehr als siebzig Ausstellungen rund um den Erdball zu sehen, u.a. im Tate Modern, zwei Mal bei der Biennale di Venezia, in der Galerie für zeitgenössische Kunst Leipzig und beim Kunstverein Frankfurt. Ab morgen werden seine Werke dem Tokioter Publikum des Mori Art Museums präsentiert, sein »Shaking Cube« demnächst bei der Ausstellung »Germania: New Art from Germany« in der Saatchi Gallery zu sehen sein.