StreetArt im Auftrag von adidas

28. März 2009 von Matthias Planitzer
via) Guerilla-Marketing ist schon seit einigen Jahren in Mode, jede Marke, die etwas auf sich hält, muss auf den Zug aufspringen und ihre Produkte in einem vermeintlich hippen Licht darstellen. Zu den Big Playern im Geschäft gehört auch adidas. Das weltweit agierende Unternehmen aus dem beschaulichen Herzogenaurach platziert seine Werbung im Umfeld jener Zielgruppe, die "eine der lebendigsten und einflussreichsten Jugendkulturen" darstelle; im Herzen der StreetArt-Gemeinde. Dass diese jedoch von den Bemühungen des Sportartikelherstellers nichts wissen will, ist in der Werbeabteilung des mittelfränkischen Unternehmens scheinbar noch nicht angekommen.

adidas-Stencil(via)

Gue­ril­la-Mar­ke­ting ist schon seit eini­gen Jah­ren in Mode, jede Mar­ke, die etwas auf sich hält, muss auf den Zug auf­sprin­gen und ihre Pro­duk­te in einem ver­meint­lich hip­pen Licht dar­stel­len. Zu den Big Play­ern im Geschäft gehört auch adi­das. Das welt­weit agie­ren­de Unter­neh­men aus dem beschau­li­chen Her­zo­gen­au­rach plat­ziert sei­ne Wer­bung im Umfeld jener Ziel­grup­pe, die »eine der leben­digs­ten und ein­fluss­reichs­ten Jugend­kul­tu­ren« dar­stel­le; im Her­zen der Street­Art-Gemein­de. Dass die­se jedoch von den Bemü­hun­gen des Sport­ar­ti­kel­her­stel­lers nichts wis­sen will, ist in der Wer­be­ab­tei­lung des mit­tel­frän­ki­schen Unter­neh­mens schein­bar noch nicht angekommen.

Ein Streif­zug durch die Fried­richs­hai­ner Kla­mot­ten­lä­den, ein prü­fen­der Blick zur Tanz­flä­che des x‑beliebigen Sze­ne­clubs oder ein Besuch bei den Snea­k­er­girls zei­gen, dass Street Wear von adi­das längst bei der brei­ten Mas­se eta­bliert ist. Die Mar­ke ver­sucht schon län­ger, sich in die­sem hart umkämpf­ten Sek­tor zu behaup­ten, greift dazu Stil und Fee­ling der adres­sier­ten Ziel­grup­pe auf und will damit das Image auf­bau­en, der Aus­stat­ter einer Sub­kul­tur zu sein, die nach den Vor­stel­lun­gen des Unter­neh­mens Zug­pferd einer gan­zen Gene­ra­ti­on zu sein scheint. Doch damit nicht genug, wer sich in die­ser Spar­te posi­tio­nie­ren will, muss auf schlag­kräf­ti­ge Wer­bung direkt beim Kon­su­men­ten, qua­si vor sei­ner Haus­tür, setzen.

Adicolor — der beste Freund eines jeden Writers

Adicolor Projekt in BerlinAdico­lor Pro­jekt in Ber­lin (frei nach being­h­un­ted)

Vor etwas mehr als drei Jah­ren begann der Kon­zern, sein Pro­fil als Street-Wear-Her­stel­ler ers­ter Güte­klas­se zu schär­fen — zumin­dest nach mei­nen Recher­chen griff das Unter­neh­men mit dem Adico­lor Pro­jekt erst­mals Street­Art-Ele­men­te auf. Für die­se Kam­pa­gne wur­den in Ber­lins Innen­stadt jung­fräu­lich wei­ße Pla­ka­te auf­ge­hängt, um in den fol­gen­den Wochen von Wri­tern und Street­Ar­tists beschrie­ben zu wer­den. Zum Schluss kleb­te man neue Pla­ka­te dar­über, die die bemal­ba­ren Schu­he der Adico­lor-Rei­he von adi­das bewar­ben und an bestimm­ten Stel­len die bun­ten Graf­fi­ti durch­schei­nen ließen.
Es wur­de zwar gemun­kelt, dass adi­das einen Teil der Graf­fi­ti selbst in Auf­trag gab (s.o. wo ein Inter­net­shop bewor­ben wird, der auch adi­das-Schu­he ver­treibt). Fakt ist aber, dass die adico­lor-Kam­pa­gne für Auf­se­hen sorg­te, wenn auch mit gemisch­ten Meinungen.

Grun – was umweltbewusste Hipster wollen

Grun ProjectTeil des Grun Pro­jects, © Dazed Digi­tal

Im letz­ten Früh­jahr dann begrün­te adi­das anläss­lich einer neu­er Kol­lek­ti­on umwelt­freund­li­cher Schu­he vie­le Groß­städ­te rund um den Glo­bus und rief auch all sei­ne Fans dazu auf, es ihnen gleich zu tun und die Stra­ßen ihrer Städ­te mit Moos-Graf­fi­ti und ande­ren pflanz­li­chen For­men von Street­Art zu ver­schö­nern und Fotos davon ein­zu­sen­den. Und auch mit dem Grun Pro­ject bedien­te sich adi­das eines Trends und zog damit den Unmut ein­ge­fleisch­ter Akti­vis­ten des Gue­ril­la Gar­denings auf sich: So befürch­te­te Richard Rey­nolds, Guru der Bewe­gung, »dass die Idee [des Gue­ril­la Gar­denings] dazu benutzt wird, ein Pro­dukt zu ver­kau­fen«, und sprach aus, was alle wussten.

Doch die Sze­ne wehr­te sich: Die in Ham­burg von adi­das-Mit­ar­bei­tern gepflanz­ten Zitro­nen­bäu­me muss­ten schon nach fünf Minu­ten ihres neu­en Stra­ßen­da­seins alle Früch­te her­ge­ben; alle Spu­ren der Kam­pa­gne wur­den von Anhän­gern des Gue­ril­la Gar­denings vernichtet.

Urban Art Guide — adidas gibt sich als Szenekenner

Urban Art Guide

Vor einer Woche folg­te der bis dato jüngs­te Ver­such, Street­Art für die eige­nen Inter­es­sen zu kom­mer­zia­li­sie­ren: Mit dem Urban Art Gui­de, einem Han­dy­ser­vice, der dem Nut­zer eine Art Sight­see­ing-Tour für Ber­li­ner Street­Art bie­tet, gibt man sich als Insi­der, Tou­ris­ten­füh­rer und gene­rö­ser Mäzen der Street­Art-Kul­tur. Damit die Prom­o­ak­ti­on auch nach­hal­tig die Vor­zü­ge der Fir­ma als hip­pe Street-Wear-Mar­ke ver­deut­licht, hat man zum Start an sech­zig der zu erkun­den­den Orte Schu­he ver­steckt, die dann von den ers­ten Besu­chern ent­deckt und mit­ge­nom­men wer­den können.

Die Rech­nung folg­te prompt auf den Fuß: Ber­li­ner Street­Ar­tists fan­den sich zusam­men, so vie­le Schu­he wie mög­lich zu ent­de­cken, mit­zu­neh­men, zu ver­stei­gern und dann das Geld in Sprüh­do­sen, Far­be, Kleis­ter usw. zu inves­tie­ren. Bis die Leu­te von adi­das davon Wind beka­men, konn­te die Grup­pe zwan­zig der ver­steck­ten Paa­re aus­fin­dig machen und will den Erlös urba­nen Pro­jek­ten spenden.

Was bleibt

Die Instru­men­ta­li­sie­rung von Street­Art für Mar­ke­ting­zwe­cke ist zwar eine Wer­be­stra­te­gie, die auch ande­re Fir­men für sich ent­deckt haben, doch adi­das ver­folgt die­se Form des Gue­ril­la-Mar­ke­ting so kon­se­quent wie kein zwei­tes Unter­neh­men. Bis­her scheint es erfolg­reich genug zu ver­lau­fen, anders kann man sich die Aus­dau­er und teil­wei­se den Auf­wand der Kam­pa­gnen nicht erklä­ren. Und auch ein Blick auf die Schu­he, die ihre Besit­zer durch den Simon-Dach-Kiez und über die Kas­ta­ni­en­al­lee tra­gen, zeigt, dass adi­das defi­ni­tiv eine nicht zu ver­nach­läs­si­gen­de Rol­le im Sek­tor Street Wear spielt.
Aber wie reagiert die anvi­sier­te Zielgruppe?

Bis­her stieß jede der so sorg­sam vor­be­rei­te­ten Aktio­nen des Groß­kon­zerns bei denen, die schon lan­ge vor adi­das die Lie­be zu ihrer Nische gefun­den haben, auf Ableh­nung, Pro­test oder ließ gar Gegen­ak­tio­nen fol­gen. Das kann der Mar­ke aber egal sein, denn die Schu­he ver­kau­fen sich — und solan­ge jeder glaubt, sie wür­den von ein­ge­fleisch­ten Street­Ar­tists getra­gen, reicht das auch voll­kom­men aus.

Solan­ge das aber der Fall ist, wird Street­Art wei­ter­hin in einer ver­zerr­ten Per­spek­ti­ve dar­ge­stellt und für kom­mer­zi­el­le Inter­es­sen miss­braucht wer­den, was letzt­lich den auto­no­men, sozi­al­kri­ti­schen Cha­rak­ter die­ser Kunst infra­ge stel­len wird. Wenn dann sol­che Kon­zer­ne mit den Ent­wür­fen ein­zel­ner Street­Ar­tists Geld machen, lässt das schnell die Glaub­wür­dig­keit bröckeln.

 

Fakt ist, dass adi­das die­se Kam­pa­gnen gezielt nutzt, um sein Image auf­zu­bes­sern. Nach mei­nen Recher­chen wird schon seit mehr als drei Jah­ren stän­dig dar­an gear­bei­tet, Teil der Street­Art-Sze­ne zu werden:

Die Lis­te ist natür­lich als unvoll­stän­dig zu betrachten…

Was denkst du? Gelun­ge­ne Aktio­nen? Bei­spiel­haf­tes Gue­ril­la-Mar­ke­ting? Oder viel­leicht doch die Ver­ein­nah­mung einer Sub­kul­tur, die Kom­mer­zia­li­sie­rung einer unab­hän­gi­gen Bewegung?

Kommentare

  1. Von einer Ver­ein­nah­mung einer Sub­kul­tur kann glau­be ich nicht die Rede sein, denn die hat damit ja eigent­lich gar nichts zu tun und wird auch trotz sol­cher Mar­ke­ting­ak­tio­nen fort­be­stehen, wahr­schein­lich sogar völ­lig unbe­rührt. Adi­das ver­sucht hier eben irgend­wie auf »coo­le« Art und Wei­se Auf­merk­sam­keit zu erre­gen und ich den­ke, das ist ihnen auch gelun­gen. Wirk­lich nach­hal­tig kann das gan­ze aber wohl kaum sein.

Andere Meinungen

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