Shadi Ghadirian lädt nach

12. März 2009 von Matthias Planitzer
"Nil Nil #03", © Shadi Ghadirian Da ist die islam-kritische Ausstellung "Unveiled: New Art from the Middle East" noch nicht einmal zu Ende, schon machen die nächsten Arbeiten der dort gefeierten Künstlerin Shadi Ghadirian die Runde. Letzten Monat hatte ich ja bereits über ihre Serie "Like every day" geschrieben, doch ging es da noch um die Rolle der Frau in der islamischen Welt, wird Ghadirian nun mit ihren beiden neusten Serien "Nil Nil" und "White Square" direkter und thematisiert offen und wirkungsvoll das Thema Krieg.

Shadi Ghadirian: Nil Nil #03»Nil Nil #03«, © Shadi Gha­di­ri­an

Da ist die islam-kri­ti­sche Aus­stel­lung »Unvei­led: New Art from the Midd­le East« noch nicht ein­mal zu Ende, schon machen die nächs­ten Arbei­ten der dort gefei­er­ten Künst­le­rin Shadi Gha­di­ri­an die Run­de. Letz­ten Monat hat­te ich ja bereits über ihre Serie »Like every day« geschrie­ben, doch ging es da noch um die Rol­le der Frau in der isla­mi­schen Welt, wird Gha­di­ri­an nun mit ihren bei­den neus­ten Seri­en »Nil Nil« und »White Squa­re« direk­ter und spricht offen und wir­kungs­voll das The­ma Krieg an.

Die Rei­he »Nil Nil«, bestehend aus zwan­zig Foto­gra­fien, zeigt Aus­schnit­te aus einem zumin­dest auf den ers­ten Blick ganz nor­ma­len All­tag. Eine prall gefüll­te Obst­scha­le, ein gedeck­ter Tisch, ein bunt ein­ge­rich­te­tes Kin­der­zim­mer oder ein chao­ti­sches Schmink­täsch­chen; Din­ge, die man kennt, die ganz nor­mal für uns sind. Es könn­ten ganz gewöhn­li­che Fotos des letz­ten Ikea-Kata­logs sein — wären da nicht die Hand­gra­na­ten, Feld­fla­schen, Gas­mas­ken oder Gewehr­ku­geln inmit­ten der ein­la­den­den Atmosphäre.

Shadi Ghadirian: Nil Nil #04»Nil Nil #04«, © Shadi Gha­di­ri­an

Man wird schnell dar­an erin­nert, wie gewohnt und all­täg­lich die Krie­ge in Nah­ost mitt­ler­wei­le erschei­nen. Mit Erschre­cken stellt man aber eben­so schnell fest, mit wel­cher Ver­harm­lo­sung in den Sze­ne­rien von »Nil Nil« dem The­ma Krieg begeg­net wird: Wenn Gas­mas­ken zum ganz nor­ma­len Inven­tar eines Kin­der­zim­mers und Pis­to­len zu den übli­chen Uten­si­li­en einer Schreib­tisch­schub­la­de gehö­ren, muss gehö­rig was schief gelau­fen sein.

Man könn­te ver­mu­ten, Gha­di­ri­an befür­wor­te den all­täg­li­chen Umgang mit die­sen Kriegs­sym­bo­len. Ganz im Gegen­teil: Durch die über­zo­gen all­täg­lich und dadurch künst­lich anmu­ten­de Kom­po­si­ti­on erschei­nen die Bil­der nicht etwa doku­men­ta­tiv oder gar wer­bend, son­dern eher wie typi­sche Stock­fo­to­gra­fie, als eine meta­pho­ri­sche Dar­stel­lung des­sen, was geschieht, wenn Krieg zur Gewohn­heit wird.

Shadi Ghadirian: White Square #04»White Squa­re #04«, © Shadi Gha­di­ri­an

Für die zehn­tei­li­ge Serie »White Squa­re« hat Gha­di­ri­an diver­se Kriegs­ge­gen­stän­de, wie etwa eine Muni­ti­ons­kis­te, eine Hand­gra­na­te, Erken­nungs­mar­ken oder Feld­stie­fel, mit hüb­schen roten Schlei­fen dra­piert und vor einem nichts­sa­gen­den wei­ßen Hin­ter­grund fotografiert.
Ent­stan­den ist eine klei­ne Samm­lung beson­de­rer Geburts­tags­ge­schen­ke, über die sich Soh­ne­mann sicher sehr freu­en wür­de. Spiel­ten Kin­der wäh­rend der Welt­krie­ge noch mit plum­pen Waf­fen­mo­del­len und wur­den in Matro­sen­an­zü­ge geklei­det, tut es heu­te nur noch die ech­te Waf­fe und der ech­te Stahlhelm.

So oder so ähn­lich könn­te die Aus­sa­ge hin­ter »White Squa­re« lau­ten. Zumin­dest für etli­che Spröss­lin­ge aus fana­ti­schen Eltern­häu­sern öst­lich und west­lich des Jor­dans und hin­ter dem gro­ßen Teich ist dies bit­te­re Rea­li­tät. Ver­schie­de­ne Fern­seh­sen­der des Nahen Ostens brin­gen schon den Kleins­ten unter ihnen mit­tels bun­tem Kin­der­fern­se­hen und ganz eige­ner Abwand­lun­gen des Dis­ney Clubs die Vor­zü­ge des hei­li­gen Krie­ges nahe und machen ihnen eine Kar­rie­re als min­der­jäh­ri­ge Selbst­mord­at­ten­tä­ter schmackhaft.

 

Shadi Gha­di­ri­an nut­ze für »Nil Nil« und »White Squa­re« das­sel­be Inven­tar und spricht damit das­sel­be Tabu­the­ma, den Ein­zug des Krie­ges in den All­tag, an. Als iran­stäm­mi­ge Künst­le­rin übt sie wie­der ein­mal Kri­tik an der Gesell­schaft, aus der sie stammt, aber zeigt auch auf, dass auf der Gegen­sei­te die­sel­ben Zustän­de, wenn auch nicht immer im sel­ben Maß­stab, herrschen.

Für Foto­gra­fie kann ich mich zwar nicht so sehr begeis­tern, doch was man von Gha­di­ri­an hört, ist für mich stets eine gelun­ge­ne Abwechs­lung. Der­zeit stellt sie bei aero­pla­s­tics in Brüs­sel aus, doch ich hof­fe, dass man ihre Bil­der auch bald in Ber­lin sehen kön­nen wird. Immer­hin hat­te man dazu ja schon letz­tes Jahr Gele­gen­heit, viel­leicht auch die­ses Jahr…