Islam-Kritische Kunst bei Saatchi

30. Januar 2009 von Matthias Planitzer
"Ghosts", © Kader Attia Hey, English speaking reader! I translated this article for you - the English version is only a click ahead*! Charles Saatchi ist ja dafür bekannt, dass er gern mal Ausstellungen in seiner Galerie zeigt, die nicht nur an die Substanz gehen, sondern auch polarisieren. Als er 1999 mit seiner Wanderausstellung "The Sensation" im New Yorker Brooklyn Museum Halt machte und dort u.a. das Elefantendunggemälde "Holy virgin Mary" von Chris Ofili zeigte, sorgte dies für eine lange und hitzige Debatte mit politischen Größen wie dem damaligen New Yorker Bürgermeister Giulani und der jetzigen US-Außenministerin Hillary Clinton. Ähnliches dürfte man wohl auch von der heute eröffneten Ausstellung "Unveiled: New Art from the Middle East" in der Saatchi Gallery erwarten.

Kader Attia: Ghosts»Ghosts«, © Kader Attia

Dafür hat er rund 90 islam-kri­ti­sche Wer­ke, zumeist Gemäl­de, von 21 Künst­lern gesam­melt, die fast alle nicht nur aus dem Nahen Osten stam­men, son­dern auch dort wir­ken. So ist einer der Räu­me Kader Atti­as Instal­la­ti­on »Ghosts« gewid­met. Betritt man die­sen, so schaut man zunächst auf rund acht­zig knie­en­de Gestal­ten, ein­ge­hüllt in das Weg­werf­ma­te­ri­al Alu-Folie. Wagt man aber einen Blick in die Gesich­ter der andäch­tig Beten­den, schaut man ins Lee­re, in das Inne­re eine wert­lo­sen Hül­le — eine ein­drucks­vol­le Alle­go­rie auf das Frau­en­bild so man­cher ara­bi­schen Kultur.

Shadi Ghadirian: Ohne Titel, aus der Serie Like everydayOhne Titel, aus der Serie »Like ever­y­day«, © Shadi Ghadirian

Wenigs­tens eben­so aus­sa­ge­kräf­tig dürf­te auch die Serie »Like ever­y­day« der ira­ni­schen Künst­le­rin Shadi Gha­di­ri­an sein. Auf sie­ben groß­for­ma­ti­gen Foto­gra­fien zeigt sie ver­schlei­er­te Frau­en, jedoch nicht etwa in tief­schwar­zen Gewän­dern, son­dern in bun­ten und für ara­bi­sche Ver­hält­nis­se wohl ziem­lich moder­nen Stof­fen. Ihre Gesich­ter jedoch ver­ste­cken sie hin­ter Haus­halts­ge­gen­stän­den wie einem Sieb, einem Besen oder einem Bügel­eisen — und posi­tio­nie­ren die Rol­le der Frau somit irgend­wo zwi­schen kon­ser­va­ti­ven Gesell­schafts­ord­nun­gen und selbst­be­wuss­ter Eman­zi­pa­ti­on der Neuzeit.

Mit »Unvei­led: New Art from the Midd­le East« dürf­te Saat­chi, der ira­kisch­stäm­mi­ge Sohn jüdi­scher Eltern, also wie­der ein­mal eine Aus­stel­lung ent­wor­fen haben, die für viel Gesprächs­stoff sor­gen wird. Nicht nur auf Stim­men aus der Kunst­sze­ne oder dem Feuil­le­ton, son­dern auch aus den mus­li­misch gepräg­ten Län­dern wird man wohl nicht lan­ge war­ten müs­sen. Dabei spricht die Samm­lung nicht nur ara­bi­sche Tabu­the­men an. Viel wich­ti­ger noch: Sie lie­fert einen klei­nen Ein­blick in die zeit­ge­nös­si­sche Kunst des Nahen Ostens; zwar nicht unbe­dingt einen reprä­sen­ta­ti­ven, aber immer­hin einen, der ver­mit­telt, dass sie durch­aus kri­tisch sein kann.

Was hältst du von der neu­en Aus­stel­lung der Saat­chi Gal­lery? Mehr sen­sa­ti­ons-hei­schen­des Manage­ment als künst­le­ri­sches Inter­es­se? Eine längst über­fäl­li­ge Stand­punkt­de­mons­tra­ti­on? Oder eher ein ver­zerr­ter Blick auf die zeit­ge­nös­si­sche Kunst der ara­bi­schen Welt?

 

* Als immer mehr Besu­cher Cas­tor und Pol­lux über eine Samm­lung von Kri­ti­ken auf www.saatchi-gallery.co.uk erreich­ten, habe ich mich ent­schie­den, den Ori­gi­nal­ar­ti­kel ins Eng­li­sche zu über­set­zen.

Kommentare

  1. Der Iran gehoert nicht zur »ara­bi­schen Welt«…es wae­re wuen­schens­wert, wenn der Wes­ten mitt­ler­wei­le die­se alten Miss­ver­staend­nis­se aus dem Weg raeu­men wuer­de. Es zeugt von Gleich­guel­tig­keit und Respekt­lo­sig­keit, wenn nicht ein­mal sol­che ele­men­ta­re Begrif­fe kor­rekt ange­wandt werden.

  2. Ja, ich weiß, es müss­te »per­sisch« lauten.
    Aller­dings habe ich auch nir­gends geschrie­ben, dass der Iran zu Ara­bi­en oder zur ara­bi­schen Welt gehö­ren wür­de. Und obwohl elf der Künst­ler die­ser Aus­tel­lung gebür­ti­ge Ira­ner sind, hal­te ich es für unan­ge­mes­sen, durch­gän­gig von »per­si­scher Kunst« zu reden oder gar stets von der »mus­li­mi­schen Welt« zu spre­chen, denn bei­des sind noch »fal­sche­re« Begriffe.
    Man kann halt nicht 21 Her­kunfts­be­zeich­nun­gen gerecht wer­den, da muss man nun­mal zuguns­ten der Les­bar­keit Abstri­che machen. Ich den­ke, eine viel bes­se­re Lösung wird es auch nicht geben.

Andere Meinungen

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